Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 581/1996 vom 05.12.1996

Gesetzentwurf zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts

Die NWStGB-Geschäftsstelle hatte zuletzt in den NWStGB-Mitteilungen 12/96, S. 216, ausführlich über die in der Vorbereitung befindliche Initiative der Bundesregierung zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrecht berichtet. Zwischenzeitlich hat nunmehr das Bundeskabinett am 23.10.1996 den damals dargestellten Entwurf inhaltlich im wesentlichen unverändert verabschiedet; gemeindliches Interesse beanspruchen lediglich zwei Abweichungen, die im Vorfeld der Kabinettsberatung in den Gesetzentwurf neu eingefügt worden sind:

I. Inhaltliche Ausgestaltung der Kabinettsvorlage

1. Mit der Neuregelung des § 103 b GWB wird die Wasserversorgung ausdrücklich aus der Liberalisierung ausgeklammert. Dies bedeutet im Ergebnis, daß auch zukünftig der Abschluß von Konzessionsverträgen über die Wasserversorgung gem. § 103 Abs. 1 Ziff. 1 GWB möglich und zulässig ist.

2. Aus gemeindlicher Sicht wesentlich bedeutungsvoller ist der neu eingefügte Satz 1 in § 9 Abs. 3. Die nicht zuletzt auf Druck der kommunalen Spitzenverbände sichtbar gewordene Bewegung des Bundeswirtschaftsministeriums kann allerdings im Ergebnis den gemeindlichen Bedenken nicht Rechnung tragen: Mit dieser Regelung wird insbesondere noch nicht das - auch von der Bundesregierung verfolgte - Ziel verwirklicht, den Gemeinden das bisherige Konzessionsabgabenvolumen ungeschmälert zu erhalten. Maßgeblich hierfür sind folgende Erwägungen:

- Die Regelung ist zunächst systematisch mißglückt, da § 9 in Abs. 1 lediglich eine Definition der Konzessionsabgabe und in Abs. 2 die Verordnungsermächtigung zum Erlaß der Konzessionsabgabenverordnung (KAV) enthält. Die Regelung entspricht insoweit dem geltenden Recht. § 9 Abs. 3 Satz 1 bezieht sich jedoch auf das Verhältnis zwischen Wegebenutzung, Abschluß eines Konzessionsvertrages und Konzessionsabgabenzahlung - Aspekte, die in der zentralen Vorschrift des § 8 angesprochen sind. Notwendig ist daher, daß gerade in § 8 die erforderliche synallagmatische Verknüpfung zwischen der Einräumung der öffentlichen Verkehrswege und der Zahlung der Konzessionsabgabe auf der Basis eines Konzessionsvertrages verankert wird.

- Entscheidend ist die Tatsache, daß der neue Satz 1 in § 9 Abs. 3 keinerlei Aussage zur Höhe der Konzessionsabgabe trifft. Die Gemeinde kann den Abschluß eines Vertrages nur solange verweigern, wie das Energieversorgungsunternehmen überhaupt ein Angebot zur Konzessionsabgabenzahlung unterbreitet. Sobald der Wettbewerber aber ein Konzessionsabgabenangebot in jeder beliebigen Größenordnung, also z.B. weit unterhalb der zulässigen Höchstsätze, der Gemeinde vorlegt, besteht für die Gemeinde nur folgende Wahlmöglichkeit: entweder sie geht auf das Angebot ein und schließt einen Konzessionsvertrag mit deutlich geringerer Konzessionsabgabe ab oder aber die Gemeinde schlägt das Angebot aus, verliert damit aber zugleich die Möglichkeit zur Einflußnahme auf die Bestimmung der Höhe der Konzessionsabgabe, da alsdann - ohne Vertrag - die gesetzliche Duldungsverpflichtung des § 8 Abs. 1 mit Blick auf die Gemeindestraßen auflebt.

Notwendig ist daher - und einen entsprechenden Formulierungsvorschlag hat die DStGB-Hauptgeschäftsstelle durchaus bereits vorgelegt -, daß in § 8 unmißverständlich klargestellt wird, daß eine Versorgungstätigkeit und damit die Wegebenutzung eines Energieversorgungsunternehmens erst dann in Betracht kommen kann, wenn sich Gemeinde und Energieversorgungsunternehmen zuvor auf die Zahlung einer angemessenen Konzessionsabgabe im Rahmen eines Konzessionsvertrages geeinigt haben.

Insgesamt ist daher auch die vom Bundeskabinett verabschiedete Fassung des Gesetzentwurfs nicht geeignet, den vielfältigen kommunalen Bedenken Rechnung zu tragen. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Gefährdung der Konzessionsabgabe. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund ist daher gemeinsam mit den übrigen kommunalen Spitzenverbänden auf der Bundesebene und auch dem Verband kommunaler Unternehmen (VKU) weiterhin bemüht, eine kommunalverträgliche Ausgestaltung des Reformvorhabens zu gewährleisten.

II. Beschlußfassung des Bundeskabinetts

Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß offensichtlich die Bundesregierung selbst - entgegen anderslautenden Meinungsäußerungen des Bundeswirtschaftsministers und einzelner Abgeordneter - davon ausgeht, daß den kommunalen Belangen bisher nicht ausreichend Rechnung getragen worden ist. Dies zeigt der Wortlaut der - vergleichsweise durchaus unüblichen - Beschlußfassung des Kabinetts anläßlich der Verabschiedung des Entwurfs vom 23.10.1996:

1. Das Bundeskabinett stimmt dem Entwurf des Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts zu.

2. Die Bundesregierung ist im weiteren Gesetzgebungsverfahren offen für Änderungen des Gesetzentwurfs im Sinne der Kommunen. Der Bundesminister für Wirtschaft wird deshalb seine Gespräche mit den Kommunen und ihren Spitzenverbänden über die Auswirkungen auf Gemeinden und Stadtwerke fortsetzen. Er wird außerdem mit den Ländern im Gespräch bleiben über deren besondere Interessen.

Insbesondere die Ziffer 2 spiegelt das durchaus "schlechte Gewissen" des Bundeskabinetts mit Blick auf die offenen kommunalen Fragen wider. Insoweit besteht aus gemeindlicher Sicht kein Anlaß, die Bemühungen um eine kommunalverträgliche Ausgestaltung des neuen Wettbewerbsrahmens zurückzuschrauben oder gar einzustellen.

III. Resolution des Rates

Vor diesem Hintergrund ist schließlich auch die Verabschiedung einer gegen das Reformvorhaben gerichteten Resolution des Rates vor Ort weiterhin sinnvoll und notwendig. Die NWStGB-Geschäftsstelle hatte bereits mit Schnellbrief vom 11.06.1996 den Mitgliedsstädten und -gemeinden einen diesbezüglichen Resolutionsentwurf zur Verfügung gestellt, um den deutlichen und nachhaltigen Widerstand der kreisangehörigen Städte und Gemeinden gegen das Reformvorhaben in der vorliegenden Ausgestaltung zum Ausdruck zu bringen. Der NWStGB-Umweltausschuß hatte in seiner Sitzung vom 26.06.1996 einstimmig alle NWStGB-Mitglieder aufgefordert, den von der Geschäftsstelle vorgeschlagenen Entwurf einer Resolution des Rates zu verabschieden und die Beschlußfassung an die Entscheidungsträger auf der Bundesebene heranzutragen. Mit Rücksicht auf zahlreiche, an die NWStGB-Geschäftsstelle in jüngerer Vergangenheit herangetragenen Fragen drucken wir nachstehend den Text des Resolutionsentwurfes, der zwischenzeitlich bereits in zahlreichen Städten und Gemeinden verabschiedet worden ist, noch einmal im Wortlaut ab:

"Entwurf für eine einschlägige Resolution des Rates

Mit Entschiedenheit weist der Rat der Gemeinde/Stadt ... die derzeitigen Pläne des Bundeswirtschaftsministeriums hinsichtlich einer grundlegenden Neugestaltung des Energiewirtschafts- und Kartellrechts als verfassungsrechtlich fragwürdig, gemeindebenachteiligend, verbraucherunfreundlich und ökologisch unverträglich zurück. Die Aufhebung geschlossener Versorgungsgebiete und die Beseitigung der Ausschließlichkeit kommunaler Wegerechte gefährdet im Ergebnis eine langfristig sichere, umweltfreundliche, ressourcenschonende und für alle Kunden gleichermaßen preisgünstige Versorgung mit Strom und Gas.

Dabei unterstützt der Rat der Gemeinde/Stadt ... grundsätzlich durchaus das Ziel, auch Energieversorgungsunternehmen künftig stärker dem Wettbewerb zu unterwerfen. Mehr Wettbewerb kann aber nur "Wettbewerb um geschlossene Versorgungsgebiete" und damit um Gemeindegebiete als natürliche Monopole bedeuten. Das Wettbewerbsmodell des Bundeswirtschaftsministeriums zielt hingegen darauf ab, diese geschlossenen Versorgungsgebiete aufzubrechen und den Wettbewerb um einzelne lukrative Kunden bzw. Abnehmer (sog. "Rosinen-picken") zu ermöglichen. Dieser Wettbewerb um einzelne Abnehmer ist mit unabsehbaren Konsequenzen für die kommunale Selbstverwaltung, insbesondere die kommunale Finanzausstattung und auch die Kommunalwirtschaft, verbunden:

- Die Aufhebung geschlossener Versorgungsgebiete nimmt den Städten und Gemeinden das verfassungsrechtlich garantierte Recht zur örtlichen Versorgung des Gemeindegebietes mit leitungsgebundenen Energien und stellt letztendlich die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen schlechthin in Frage.

- Durch die Beseitigung der Ausschließlichkeitsrechte wird die für die Städte und Gemeinden unverzichtbare Konzessionsabgabe zur Disposition gestellt. Damit droht ein weiterer nachhaltiger Eingriff des Bundes in die kommunale Finanzausstattung.

- Der Wettbewerb um einzelne Abnehmer begünstigt einseitig wenige industrielle Großabnehmer, die durch Nachteile der kleineren Industrieabnehmer, also vornehmlich des Mittelstandes und der Landwirtschaft, sowie der Bürger als Tarifabnehmer erkauft werden müssen. Ein Wettbewerbssystem ist nur dann sinnvoll, wenn alle Stromabnehmer gleichermaßen profitieren.

- Das BMWi-Modell wird mittel- bis langfristig keinen Wettbewerb sicherstellen, sondern im Gegenteil die vorhandene pluralistische Energieversorgungsstruktur beseitigen, einem erheblichen Konzentrationsprozeß in der Energieversorgungswirtschaft Vorschub leisten und damit letztendlich nur einige wenige Großunternehmen der Branche begünstigen. Am Ende des Prozesses wird weniger statt mehr Wettbewerb stehen. Die Stadtwerkeebene wird in diesem Verdrängungsprozeß schwerlich ihre Stellung wahren können.

- Das Modell des Bundeswirtschaftsministers verfolgt Wettbewerb bei Strom und Gas als Selbstzweck. Insbesondere läßt der ausschließlich angestrebte Preiswettbewerb den gleichgewichtigen Grundsatz der Umweltverträglichkeit und Ressourcenschonung durch eine sparsame und rationelle Energieversorgung außer Betracht. Keinen Platz hat damit in dem beabsichtigten System die Aufstellung und Umsetzung örtlicher Energieversorgungskonzepte, die Ausschöpfung von Energieeinsparpotentialen, die Berücksichtigung regenerativer Energien und der Auf- bzw. Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung für die Fern- und Nahwärme.

Der Rat der Gemeinde/Stadt ... fordert mit Nachdruck ... auf, die gewichtigen Bedenken der Städte und Gemeinden sowie ihrer Bürger und auch der mittelständischen Wirtschaft ernstzunehmen und eine gemeindeverträgliche Energierechtsreform zu verwirklichen. Der Rat der Gemeinde/Stadt ... erinnert in diesem Zusammenhang auch an die Zusage der Koalitionsvereinbarung vom November 1994, daß bei der beabsichtigten Reform des Ordnungsrahmens für Strom und Gas die Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Belange der Kommunen sorgfältig zu prüfen sind. Dies bedeutet insbesondere eine uneingeschränkte Gewährleistung des bisherigen Konzessionsabgabenvolumens der Städte und Gemeinden als unverzichtbarer Bestandteil der gemeindlichen Finanzausstattung. Der Rat der Gemeinde/Stadt ... sagt "Ja" zu mehr Wettbewerb in der Energieversorgung, hält allerdings die Beibehaltung der Gemeindegebiete als geschlossene Versorgungsgebiete und damit natürliche Monopole für unverzichtbar. Dem trägt das vom DStGB entwickelte Modell eines "Wettbewerb um geschlossene Versorgungsgebiete" Rechnung. Nur dieses Modell ist nach Auffassung des Rates in der Lage,

- das kommunale Selbstverwaltungsrecht in dem auch von der höchstrichterlichen Rechtsprechung herausgearbeiteten Umfang im Bereich der Energieversorgung zu gewährleisten,

- einen weiteren gravierenden Einschnitt in die kommunale Finanzmasse durch eine Beschneidung des Konzessionsabgabenvolumens in einer Größenordnung von ca. 4 Mrd DM zu verhindern,

- die Zukunft einer eigenständigen Kommunalwirtschaft sicherzustellen und damit auch ansonsten absehbaren Konzentrationsprozessen in der Branche entgegenzuwirken,

- ökologische Belange gleichberechtigt in die Zielfindung einzubinden,

- eine sozial unausgewogene Benachteiligung der Bürger und gewerblicher Kleinverbraucher und damit eine weitere Erhöhung der "Abgabenquote" zu vermeiden und

- schließlich auch einer Benachteiligung des ländlichen Raumes auszuschließen."

Mit Rücksicht darauf, daß der Gesetzentwurf zur Zeit zunächst im Bundesrat in 1. Lesung beraten wird, sollte als Adressaten der Resolution nicht nur weiterhin das Bundeskanzleramt, der Bundeswirtschaftsminister und die Fraktionsvorsitzenden der im Bundestag vertretenen Fraktionen, sondern auch die Landesregierung des Landes Nordrhein-Westfalen in Betracht gezogen werden.

Az.: V/2-811-00

ICON/icon_verband ICON/icon_staedtebau ICON/icon_recht ICON/icon_finanzen ICON/icon_kultur ICON/icon_datenverarbeitung ICON/icon_gesundheit ICON/icon_verkehr ICON/icon_bau ICON/icon_umwelt icon-gemeindeverzeichnis icon-languarge icon-link-arrow icon-login icon-mail icon-plus icon-search