Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 305/1998 vom 20.06.1998

Gemeindefinanzierungsgesetze 1996 und 1997 vor dem Verfassungsgerichtshof NRW

Am 25. Mai 1998 fand vor dem Verfassungsgerichtshof des Landes NRW unter Vorsitz von Präsident Dr. Bertrams die mündliche Verhandlung zu den Verfassungsbeschwerden gegen die Gemeindefinanzierungsgesetze 1996 und 1997 statt. Der Präsident des Gerichts eröffnete die mündliche Verhandlung mit dem Hinweis, daß sich das Gericht intensiv in die sehr schwierige Materie eingearbeitet und umfassend auf den heutigen Verhandlungstermin vorbereitet habe, so daß man sich schon aus Zeitgründen auf das absolut Wesentliche beschränken müsse. Dennoch waren die anwesenden knapp 180 Vertreterinnen und Vertreter der beschwerdeführenden Städte und Gemeinden genauso überrascht wie die Vertreter der Geschäftsstelle, als dann der Präsident nach lediglich knapp drei Stunden die Verhandlung für beendet erklärte. Von daher konnten die einzelnen Problembereiche fast nur stichwortartig angesprochen werden. Im Mittelpunkt der Erörterungen standen die Fragen nach der Ermittlung des Finanzbedarfs und der Sachgerechtigkeit seiner Verteilung und hiervon ausgehend die Frage nach der Auskömmlichkeit der Verbundmasse bzw. der Verbundhöhe. Im einzelnen läßt sich der Verlauf der Verhandlung wie folgt zusammenfassen:

1. Gesamtfinanzbedarf und Auskömmlichkeit der Verbundmasse/Verbundhöhe

Unter Bezugnahme auf die Ergebnisse der jüngsten Umfrage des NWStGB zur Haushaltssituation der Städte und Gemeinden wurde seitens der Beschwerdeführerinnen zunächst darauf verwiesen, daß die Verbundmasse in den Jahren 1996 und 1997 das verfassungsrechtlich geforderte Minimum nicht erreicht habe, der Verbundbetrag insgesamt zu niedrig und der kommunale Finanzausgleich in den Jahren 1996 und 1997 daher verfassungswidrig sei. Dies unabhängig von der Verpflichtung des Landes, vor dem Eintritt in die Abwägung zwischen den Finanzbedürfnissen des Landes und der Kommunen zunächst die Kosten der Städte und Gemeinden für die Erledigung sowohl der Selbstverwaltungsaufgaben als auch der Pflichtaufgaben nach Weisung zu ermitteln. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs des Landes Niedersachsen wurde die rechtliche Notwendigkeit sowie die finanzwissenschaftliche Möglichkeit einer derartigen Kostenermittlung dargelegt. Die Vertreter der Landesregierung lehnten beides, Möglichkeit und Notwendigkeit ab. Auf die Frage des Präsidenten, was das Land tun wolle, um der dramatischen Finanzsituation der Kommunen Rechnung zu tragen, lehnte der Staatssekretär im Innenministerium eine Verbundsatzerhöhung ab. Die Situation des Landes sei noch dramatischer.

2. Bedarfsermittlung und Verteilung

Professor Dr. Wimmer und Herr Junkernheinrich begründeten die Untauglichkeit der Regressionsanalyse zur Ermittlung der kommunalen Finanzbedarfe. Wer den Finanzbedarf aus dem tatsächlichen Ausgabeverhalten ableite, begehe einen Zirkelschluß. Für den Vertreter des ifo-Instituts ist ein gewisser Zirkelschluß nicht vermeidbar. Auch würde der Hauptansatz durch Nebenansätze komplettiert. Die Landesregierung verteidigte die Regressionsanalyse als eine von mehreren finanzwissenschaftlich tauglichen und zulässigen Methoden der Bedarfsermittlung. Zum Abschluß machte das Gericht deutlich, daß es "diesen Methodenstreit" in Bezug auf die Sachgerechtigkeit der Bedarfsermittlung nicht entscheiden werde. Dies kann als Hinweis darauf gewertet werden, daß das Gericht die Regressionsanalyse und damit den Weg der Landesregierung zumindest nicht als verfassungswidrig qualifiziert.

3. Nebenansätze

Hinsichtlich des Soziallastenansatzes wäre nach Meinung des Gerichts ein Abstellen auf Sozialhilfeempfänger besser gewesen. Der Vertreter des Innenministeriums verwies auf die noch nicht vorliegenden Daten der neuen Sozialhilfestatistik. Diese würden zur Zeit ausgewertet und könnten nach der Evaluierung durch ein externes Forschungsinstitut frühestens für das GFG 2000 zur Verfügung stehen. In Bezug auf den Zentralitätsansatz verwies Professor Dr. Wimmer für die beschwerdeführenden Städte und Gemeinden auf die widersprüchlichen Darstellungen im ifo-Gutachten und deren Umsetzung.

4. Finanzkraft

Dieses Thema wurde nur mit wenigen Sätzen andiskutiert und auch nur in Bezug auf die Frage, ob die gesetzlich durchgeführte Anpassung von mehreren Schritten hin auf einen einheitlichen Hebesatz von 380 bei der Gewerbesteuer mit dem Solinger Urteil des Gerichts aus dem Jahre 1993 vereinbar ist. Das eigentliche Problem, nämlich die Festlegung einer einheitlichen Sprungstelle für alle Städte und Gemeinden ungeachtet der Tatsache, daß die Anspannungspotentiale höchst unterschiedlich sind, wurde aus Zeitgründen nicht angesprochen. Das Gericht ließ lediglich erkennen, daß es künftig bei der Steuerkraftermittlung durchaus vorstellbar ist, daß die Einkünfte aus der Konzessionsabgabe mit einbezogen werden.

5. Strukturfonds

Das Gericht kritisierte die Tatsache, daß die einzelnen Verteilungskriterien nicht vom Gesetzgeber, sondern vom Innenministerium festgelegt werden.

6. Ausgleichssatz

Aus der Eingangsbemerkung des Gerichts, wonach ein Ausgleichssatz auch von 100 % noch verfassungsrechtlich vertretbar sei, ist zu schließen, daß die derzeitige Regelung verfassungsrechtlich unstreitig sein dürfte.

Einen Termin zur Verkündung der Entscheidung in diesem Verfahren hat das Gericht für Donnerstag, den 09.07.1998, 10.15 Uhr festgesetzt. Sobald die Entscheidung vorliegt, werden wir unverzüglich berichten.

Az.: IV-902-01/2

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