Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 509/2011 vom 19.10.2011

Gebührenerhebung durch Dritte

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 KAG NRW sind nur die Gemeinden berechtigt, nach Maßgabe des KAG NRW Abgaben (Steuern, Gebühren und Beiträge) zu erheben, soweit nicht Bundes- oder Landesgesetze etwas anderes bestimmen. Die Befugnis zur Erhebung von Gebühren obliegt hiernach grundsätzlich den Städten und Gemeinden. In § 1 Abs. 1 Satz 2 KAG NRW ist außerdem bestimmt, dass auch eine Anstalt des öffentlichen Rechts und gemeinsame Kommunalunternehmen - mit Ausnahme von Steuern -  Abgaben erheben können (GV NRW 2007 S. 380 ff. S. 392). Diese Änderung bzw. Ergänzung des § 1 Abs. 1 Satz 2 KAG NRW ist am 17. 10. 2007 in Kraft getreten (Art. X und Art. XII des GO-Reformgesetzes vom 9. 10. 2007 8 (GV NRW 2007, S. 380 ff.). Das gemeinsame Kommunalunternehmen ist in den §§ 27, 28 GKG NRW geregelt (GO-Reformgesetz vom 9. 10. 2007, GV NRW 2007 S. 380 ff., S. 389 — Art. V).

Ein Dritter (z. B. eine GmbH) ist damit grundsätzlich nicht berechtigt, Benutzungsgebühren zu erheben. Vielmehr konnte der Dritte nach der bislang ergangenen Rechtsprechung des OVG NRW durch die Gemeinde lediglich als „Inkassobüro“ im Rahmen der Gebührenerhebung eingeschaltet werden (vgl. OVG NRW, Urt. vom 26. 2. 1982 — Az.: 2 A 1667/79 —, GemHH 1983 S. 113; OVG NRW, Beschl. vom 30. 7. 2008 — Az.: 9 B 348/08 —).

In diesem Fall musste der Dritte allerdings nach außen hin für den Gebührenschuldner erkennbar machen, dass er nicht für selbst, sondern im Namen und im Auftrag der  Gemeinde als  unselbständiger Verwaltungshelfer die Benutzungsgebühr erhebt.

Das OVG NRW hat in einem Beschluss auf Zulassung der Berufung vom 15.04.2011 (Az. 9 A 2260/09) die vorstehende Möglichkeit grundlegend in Frage gestellt. Das OVG NRW führt in dem Zulassungsbeschluss aus, dass ungeachtet der Frage, ob dem Schreiben der Stadtwerke GmbH aus Empfängersicht hinreichend deutlich zu entnehmen war, dass es auch einen Abwassergebührenbescheid des Bürgermeisters der beklagten Stadt enthält, die Festsetzung der Gebühr jedenfalls deshalb überwiegend rechtlichen Bedenken begegnet, weil der Erlass eines Abgabenbescheides durch eine Person des Privatrechts (hier: der Stadtwerke GmbH) nur auf der Grundlage eines Gesetzes im formellen Sinne zulässig sein dürfte. Die Regelung allein kraft einer Regelung in der kommunalen Gebührensatzung reiche nicht aus (vgl. hierzu auch: OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 15.03.2006 — Az. 2 LB 9/05 -, Thüringer Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 14.12.2009 — Az. 4 KO 482/09 -, Hessischer VGH, Beschluss vom 17.03.2010 — Az. 5 A 3242/09. Z; Lichtenfeld in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: September 2010, § 6 Rz. 768). Dieses gilt nach dem OVG NRW unabhängig davon, ob es sich um eine Gebührenerhebung im eigenen Namen als Beliehener handelt oder im fremden Namen im Rahmen eines Mandats (einer Beauftragung) die Gebührenerhebung durch einen Dritten erfolgt.

Das Berufungsverfahren auf der Grundlage des Zulassungs-Beschlusses des OVG NRW vom 15.04.2011 (Az. 9 A 2260/09) ist zwischenzeitlich beendet, weil die beklagte Stadt den angefochtenen Bescheid aufgehoben hat.

Gleichwohl hat das OVG NRW ersichtlich seine bisherige Rechtsprechungslinie aufgegeben, wonach ein Dritter im Namen und im Auftrag der Gemeinde eine Gebühren erheben kann  (vgl. OVG NRW, Urt. vom 26. 2. 1982 — Az.: 2 A 1667/79 —, GemHH 1983 S. 113; OVG NRW, Beschl. vom 30. 7. 2008 — Az.: 9 B 348/08 —).

Hinzu kommt, dass Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 23.8.2011 (Az.: 8 C 2.11, 3.11 und 4.11) diese Rechtsprechung bezogen auf das KAG Thüringen bestätigt hat und das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen keine Notwendigkeit für eine gesetzliche Klarstellung im KAG NRW sieht, weil Gebührenbescheide in Anknüpfung an die ergangene Rechtsprechung nur durch den Hoheitsträger selbst und nicht durch beauftragte Dritte zu erlassen sind. Im Übrigen stehe bezogen auf den beauftragten Dritten das anerkannte Instrument des unselbständigen Verwaltungshelfers und Boten zur Verfügung. Dieses Instrument hat auch das VG Köln in einem Urteil vom 24.05.2011 (Az. 14 K 1092/10) aufgegriffen. Das VG Köln kommt zu dem Ergebnis, dass der Erlass eines Gebührenbescheides (hier: Bescheid über die Erhebung der Schmutzwassergebühr) hoheitliches Handeln ist und deshalb einen zentralen Kernbereich des Aufgabengebietes „Abwasserbeseitigung“ darstellt. Zuständig für den Erlass von Gebührenbescheiden im Bereich der Abwasserbeseitigung ist demnach grundsätzlich der Pflichtenträger, d. h. die Stadt/Gemeinde. Allerdings könnten — so das VG Köln - auch Privatpersonen unter bestimmten Voraussetzungen mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben betraut werden. Hiernach kann nach dem VG Köln aber allenfalls eine Einschaltung als unselbständiger Verwaltungshelfer in Betracht gezogen werden. In diesem Sinne zulässige Verwaltungshilfe liegt nach dem VG Köln dann vor, wenn der Verwaltungshelfer nicht selbständig handelt, sich seine Tätigkeit also auf die Vorbereitung und Unterstützung oder rein tatsächliche Durchführung der Verwaltungsaufgabe im Auftrag und nach Weisung der Behörde beschränkt. In diesem Rahmen üben dann Verwaltungshelfer — so das VG Köln — keine Hoheitsgewalt aus, sondern operieren nur im Verwaltungsbinnenbereich, in dem sie private Dienstleistungen gegenüber der Verwaltung erbringen. Da die zulässige Verwaltungshilfe weder die Organisationsstruktur noch die Aufgabenträgerschaft verändert, bedarf es für die Einschaltung privater Dritter als Verwaltungshelfer keiner gesetzlichen Grundlage. In Betracht kommen nach dem VG Köln für den hier interessierenden Bereich der Gebührenerhebung etwa technische Maßnahmen, die der Aufgabenträger selbst nicht durchführen kann (Messungen, Anfertigungen von Luftbildern) oder Arbeitsprozesse, die mechanisch oder automatisiert ablaufen (beispielsweise der Druck und die Versendung von Schriftstücken).

Die Grenze der Verwaltungs- oder Erfüllungshilfe sei dagegen dann überschritten, wenn der Helfer eigenständig die vollständige Einzelveranlagung übernehme, d. h. Daten ermittelt, Satzungsnormen anwendet, rechtliche Tatbestände prüft und Bescheide — wenn auch in fremden Namen — erlässt. Erst recht könne von einer bloßen Hilfstätigkeit keine Rede sein, wenn darüber hinaus praktisch die gesamte öffentliche Aufgabe von einem Dritten erfüllt werde. Entscheidend ist nach dem VG Köln allein, dass der Aufgabenträger, d. h. die Stadt/Gemeinde nach wie vor den Gebührenbescheid als Hoheitsakt erlässt. Insoweit reicht auch nicht, dass der Entscheidungsverantwortliche in einem Geschäftsbesorgungsvertrag regelt, dass der Inhalt des Schmutzwasser-Gebührenbescheides mit ihm abzustimmen sei. Einer so verstandenen Abstimmung zwischen den Vertragsparteien unterliege dann insbesondere die Frage, wie die Bescheide aufgebaut seien und welche Positionen sie aufzuweisen hätten. Das darüber hinaus eine inhaltliche Kontrolle durch die Stadt/Gemeinde oder einer Unterrichtung über den zu erlassenen Abwasserbescheide im Einzelfall stattfindet, sei — so das VG Köln im dem zu entscheidenden Fall — weder jedenfalls ersichtlich noch vorgetragen. Ein derartiges Verfahren wäre auch in der Praxis schwerlich vorstellbar und würde die mit der Einschaltung des privaten Dritten regelmäßig beabsichtigte Entlastung der beklagten Stadt und Kostenreduzierung ins Leere laufen lassen. Die bloße Möglichkeit der Kontrolle und Einflussnahme auf die vom Verwaltungshelfer nach Maßgabe des Satzungsrechtes gefertigten Bescheides genüge aber nicht, um in der Festsetzung der Schmutzwassergebühren durch den Dritten eine Einzelfallentscheidung der beklagten Stadt zu sehen. Denn insoweit wäre der Dritte nicht als Verwaltungshelfer, sondern vielmehr beauftragt die Gebührenbescheide zu fertigen. Für ein solches generelles Mandat ist dann aber wiederum — so das VG Köln - eine formal gesetzliche Grundlage im KAG NRW erforderlich, weil die zugewiesene Aufgabe in Abweichung von der gesetzlich festgelegten Zuständigkeitsregelung erledigt wird.

Vor dem Hintergrund der vorstehend ergangenen Rechtsprechung kann die Einschaltung eines Dritten bei der Übermittlung des Gebührenbescheides durch einen Dritten auf der Grundlage des heute geltenden KAG NRW allenfalls unter folgenden Maßgaben als zulässig angesehen werden:

Der Dritte darf lediglich als reiner Bote für die Übermittlung des Gebührenbescheides eingesetzt werden. Der Gebührenbescheid muss eindeutig den Briefkopf der Stadt tragen (Stadt X — der Bürgermeister - Abteilung — Ansprechpartner). Ein „Gebührenbescheid mit dem Briefkopf des Dritten“ ist hingegen unzulässig, denn nur die Städte, Gemeinden, Kreise und Anstalten des öffentlichen Rechts sind nach § 1 KAG NRW befugt, Gebühren zu erheben und Gebührenbescheide als hoheitliche Verwaltungsakte zu fertigen und zu erlassen. Wichtig ist, dass der Dritte ein eigenständiges Blatt Papier (den Gebührenbescheid der Stadt oder der AöR) als Bote versendet. Möglich ist auch ein Konto des Dritten für die Zahlung zu benennen, wenn der Gebührenschuldner durch die Zahlung auf dieses Konto seine Gebührenschuld tilgen kann, was im Zweifelsfall nochmals für den Gebührenschuldner im Gebührenbescheid textlich klarzustellen ist.

Wichtig ist außerdem - weil der Gebührenbescheid ein Hoheitsakt ist - , dass der Dritte mit der Stadt einen Vertrag hat, in welchem klar geregelt ist, dass der Dritte nur unselbständiger Verwaltungshelfer der Stadt ist und er den Gebührenbescheid z. B. auf der Grundlage eines Vorstücks der Stadt erstellt und die Stadt die erstellten Gebührenbescheide nach einer Endprüfung (Endkontrolle) zur Versendung freigibt, d. h. aus dem Vertrag mit dem Dritten klar wird, dass die Stadt das „Heft des Handelns“ als Hoheitsträger nach wie vor in vollem Umfang in der Hand hat. Der Dritte muss lediglich auf der Grundlage der vertraglichen Vereinbarung Tätigkeiten eines unselbständigen Verwaltungshelfers durchführen.

Hierzu kann auch ein Anschreiben des Dritten gehören, in welchem dieser nur klar machen muss, dass er als Anlage zu seinem Anschreiben den Gebührenbescheid der Stadt oder der Anstalt des öffentlichen Rechts (eigenständiges Blatt Papier) als Bote übermittelt. Außerdem darf in dem Anschreiben in keinem Fall mehr eine Gesamtsumme aus verschiedenen Gebühren und Entgelten gebildet werden, die dann an den Dritten zu überweisen ist. An wen zu zahlen ist, ergibt sich allein aus dem Gebührenbescheid als eigenständiges Blatt Papier.

Möglich ist allerdings, dass der Dritte als Zahlstelle für die Schmutzwassergebühr in einem Gebührenbescheid genannt wird. Insoweit sollte dann aber in dem Gebührenbescheid für den Gebührenschuldner klar gestellt werden, dass mit der Zahlung auf das Konto des Dritten die Gebührenschuld getilgt wird. Wichtig ist allerdings, dass bei einer Überweisung an den Dritten klar erkennbar ist, dass die Schmutzwassergebühr bezahlt wird. Dieses kann z.B. durch eine Kundennummer oder durch den Zusatz „Schmutzwassergebühr“ auf dem Überweisungsträger sichergestellt werden. Jedenfalls muss der Gebührenschuldner die Gebühr gesondert (separat) überweisen, damit der Zahlungsvorgang (auch durch den Dritten) nachverfolgt werden kann. Sind diese Maßgaben sichergestellt, so dürfte dieses einer Prüfung durch das Verwaltungsgericht grundsätzlich standhalten, weil der Dritte dann durch die Gemeinde lediglich als unselbständiger Verwaltungshelfer eingeschaltet wird.

Soweit allerdings jedwede Prozessrisiken ausgeschlossen sein sollen, verbliebe hiernach nur, dass die Stadt die Gebührenbescheide wieder selbst erlässt und versendet.

 

 

Az.: II/2 24-21 qu-qu

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