Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 349/2008 vom 16.05.2008

Europäischer Gerichtshof zur Vergabe gemischter Aufträge

Der EuGH hat mit Urteil vom 21.02.2008 – RS. C-412/04 – zur Thematik der Vergabe bei gemischten Aufträgen folgende grundsätzliche Ausführungen gemacht:

1. Weist ein Vertrag zugleich Elemente eines öffentlichen Bauauftrags und Elemente eines öffentlichen Auftrags anderer Art auf, bestimmt der „Hauptgegenstand" des Vertrags, welche vergaberechtlichen Regelungen anzuwenden sind.

2. Der Hauptgegenstand ist im Rahmen einer objektiven Prüfung des Gesamtvorhabens zu bestimmen, auf das sich der Vertrag bezieht.

3. Dabei ist auf die wesentlichen vorrangigen Verpflichtungen abzustellen, die den Auftrag als solche prägen, und nicht auf die Verpflichtungen bloß untergeordneter oder ergänzender Art, die zwingend aus dem eigentlichen Gegenstand des Vertrags folgen; der jeweilige Wert der dabei erbrachten Einzelleistungen ist nur ein Kriterium unter anderen, die bei der Ermittlung des Hauptgegenstands zu berücksichtigen sind.

Problem / Sachverhalt

Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, die verschiedene Leistungsgegenstände umfassen, stellt sich die Frage, welche vergaberechtlichen Regelungen anwendbar sind. Aufgrund der unterschiedlich hohen Schwellenwerte hängt von der Beantwortung dieser Frage nicht selten ab, ob eine europaweite Ausschreibung erfolgen muss oder nicht. Ein im Jahr 2002 in Italien in Kraft getretenes Gesetz sieht für gemischte Bau-, Lieferungs- und Dienstleistungsaufträge sowie Liefer- und Dienstleistungsaufträge, die untergeordnete Bauleistungen umfassen, eine Qualifizierung als öffentlichen Bauauftrag vor, wenn der Wert der Bauleistungen mehr als 50% des gesamten Auftragswerts ausmacht. Das rügt die Kommission. Entscheidend für die Abgrenzung sei nicht der Wert, sondern der Hauptgegenstand des Auftrags. Dieser aber lasse sich nicht in jedem Fall aus dem Wert der einzelnen Leistungen ableiten.

Entscheidung

Der EuGH gibt der Kommission Recht. Wenn ein Vertrag zugleich Elemente eines öffentlichen Bauauftrags und Elemente eines öffentlichen Auftrags anderer Art aufweist, ist auf den Hauptgegenstand des Vertrags abzustellen. Dieser lässt sich nicht zwingend aus dem wirtschaftlichen Wert der jeweiligen Leistungsanteile ableiten. Vielmehr ist das Gesamtvorhaben daraufhin zu betrachten, welche wesentlichen vorrangigen Verpflichtungen den Auftrag prägen. Eine ausschließlich auf den Wert abstellende Regelung verstößt damit gegen zwingende europarechtliche Vorgaben.

Praxishinweis

Die im Jahr 2004 in Kraft getretene Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG hat differenziertere Regelungen für die Zuordnung von Verträgen gebracht. Während die Abgrenzung zwischen einem öffentlichen Liefer- und einem Dienstleistungsauftrag nach dem Wertverhältnis erfolgen soll, ist bei gemischten Verträgen mit bauvertraglichen
Elementen auf den Hauptgegenstand abzustellen. Der deutsche Gesetzgeber hat diese Vorgaben in § 99 Abs. 6 GWB n. F. nur teilweise ausdrücklich umgesetzt. Für die von § 99 Abs. 6 GWB nicht erfassten Konstellationen gelten die Bestimmungen der Vergabekoordinierungsrichtlinie deshalb unmittelbar. Das bedeutet, dass die Abgrenzung zwischen Bauaufträgen und Lieferaufträgen ebenso wie die zwischen Bau- und Dienstleistungsaufträgen nach dem Hauptgegenstand vorzunehmen ist; zwischen vorrangigen (Anhang II Teil A) und nachrangigen (Anhang II Teil B) Dienstleistungen hingegen entscheidet der Wert.
(Quelle: IBR 2008, S. 286)

Az.: II/1 608-00

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