Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 155/2010 vom 24.02.2010

Europäischer Gerichtshof zum Ausschluss von Parallelbewerbungen

In seinem Urteil vom 23.12.2009 - AZ. Rs. C-376/08 - stellt der EuGH fest, dass das Gemeinschaftsrecht der italienischen Regelung zum Ausschluss von Parallelbewerbungen einer Bietergemeinschaft und einer ihrer Mitgliedsunternehmen entgegensteht. Bedeutung erlangt die Entscheidung damit auch für die deutsche Rechtsituation, da sie das Tor für Parallelbewerbungen öffnet, sofern die Angebote völlig unabhängig voneinander formuliert worden sind.

1. Sachverhalt

Bei der Vergabe eines Bauauftrages der Stadt Mailand im Jahre 2007 wurden sowohl ein Unternehmenszusammenschluss („festes Konsortium“) als auch ein einzelnes Unternehmen, welches Mitglied des festen Konsortiums ist, von dem Vergabeverfahren ausgeschlossen. Während Art. 36 Abs. 1 des italienischen Gesetzesdekrets Nr. 163/2006 ein „festes Konsortium“ als Zusammenschluss mehrerer Unternehmen zum Zwecke der Zusammenarbeit für mindestens fünf Jahre, bezogen auf Öffentliche Aufträge definiert, verbietet Art. 36 Art. 5 des Dekrets die Beteiligung des Konsortiums und seiner Mitglieder an demselben Ausschreibungsverfahren. Zuwiderhandlungen werden unter eine Strafe von bis zu zwei, in besonderen Fällen bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe gestellt. Der im Einklang mit italienischem Recht erfolgte Ausschluss, veranlasste das italienische Ausgangsgericht dazu, die italienische Rechtslage von dem EuGH auf deren Vereinbarkeit mit dem europäischen Vergaberecht überprüfen zu lassen.

2. Entscheidung des EuGH

Der EuGH misst die streitigen Rechtsnormen an den gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Transparenz, sowie der Verhältnismäßigkeit.

Jeder Mitgliedstaat sei selbst am besten dazu in der Lage, im Licht seiner spezifischen historischen, rechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Erwägungen zu bestimmen, welche Maßnahmen zur Wahrung dieser Grundsätze geeignet seien. Daher sei dem Mitgliedstaat hier ein Ermessen zuzuerkennen, welches jedoch nicht über das hinausgehen gehen dürfe, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich sei (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne).

So bestätigt der EuGH die Auffassung des Ausgangsgerichts, dass der automatische Ausschluss für feste Konsortien, nicht jedoch für Produktionsgenossenschaften oder Arbeitsgenossenschaften oder Konsortien von Handwerksunternehmen, die sich in Zielsetzung und Organisation jedoch nicht von denen eines festen Konsortiums unterscheiden, eine diskriminierende Behandlung der festen Konsortien darstelle. Schon daher sei die italienische Regelung nicht mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbar.

Doch stellt der EuGH weiter klar, die streitige Regelung schieße auch über das Ziel hinaus. Bei gedachter Gleichbehandlung aller Konsortien stelle die geschaffene unwiderlegliche Vermutung für eine gegenseitige Einflussnahme einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dar. Dem Mitglied und/oder Konsortium müsse die Gelegenheit gegeben werden, nachzuweisen, dass ihre Angebote völlig unabhängig voneinander formuliert worden seien, denn, so heißt es weiter, habe so die Gefahr einer Beeinflussung des Wettbewerbs unter Bietern nie bestanden. Zwar sieht der EuGH eine Beschränkung zur Wahrung des Grundsatzes der Transparenz und Gleichbehandlung als legitimes Ziel des Allgemeininteresses als gerechtfertigt an, doch gehe die vorliegende Vorschrift über das hierfür Erforderliche hinaus. Weiterhin laufe eine solche Vorschrift dem Gemeinschaftsinteresse, die Beteiligung möglichst vieler Bieter sicherzustellen zuwider.

3. Anmerkung

Der EuGH stellt richtigerweise klar, dass jeweils im Einzelfall entschieden werden muss, ob eine wettbewerbsbeschränkende Beeinträchtigung bei Parallelbewerbungen von konzernverbundenen Unternehmen als Bieter und damit ein Ausschluss der Angebote in Frage kommt. Insoweit können insbesondere durch organisatorische Maßnahmen (Bsp.: „chinese walls“) Vorkehrungen für einen nicht gegebenen Wettbewerbsverstoß getroffen werden. Jedoch wird nach wie vor wohl dann, wenn sich ein Bieter eigenständig als Mitglied einer Bietergemeinschaft allein am Vergabeverfahren beteiligt, ein Vergabestoß angenommen werden müssen, wenn die Mitglieder der Bietergemeinschaft dieses Angebot untereinander abgestimmt haben bzw. der einzelne Bieter zugleich wesentliche Leistungen im Rahmen der Bietergemeinschaft erbringen soll.

 

Az.: II/1 608-00

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