Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 615/2000 vom 05.11.2000

Europäische Kommission zur Daseinsvorsorge

Die Europäische Kommission hat am 20. September 2000 die aktualisierte Fassung ihrer Mitteilung "Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa" verabschiedet. Gegenüber der ursprünglichen Fassung aus dem Jahre 1996 legt die Kommission deutlicher und umfassender ihre Auffassung zur Daseinsvorsorge dar. Dabei wird auch auf Bedenken, die der Deutsche Städte- und Gemeindebund im Rahmen der Bundesvereinigung gegenüber der Kommission geäußert hat, eingegangen. Die geforderte Rechtssicherheit für die Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge durch die Städte und Gemeinden in der Bundesrepublik wird jedoch nicht erreicht.

Die Mitteilung ist in mehrere Abschnitte gegliedert. Wesentlich sind insbesondere die Aussagen in Abschnitt 2 und 3. In Abschnitt 2 legt die Kommission ihre Ansichten zu Ziel und Zweck von Leistungen der Daseinsvorsorge dar. In Abschnitt 3 wird die Anwendung der wettbewerbs- und binnenmarktrechtlichen Vorschriften auf solche Leistungen erläutert.

Auch die aktualisierte Fassung der Mitteilung beschreibt lediglich die Auffassung der Kommission zur rechtlichen und tatsächlichen Situation der Daseinsvorsorge in Europa. Verbindlichkeit erlangen die Aussagen der Mitteilung lediglich im Wege der Selbstbindung für Entscheidungen der Kommission.

Die Bedenken und Erläuterungen, die die Hauptgeschäftsstelle des DStGB im Rahmen der Bundesvereinigung an die Kommission im Vorfeld der Verabschiedung der Mitteilung gerichtet hat, sind in die Mitteilung eingeflossen. Die Kommission legt dar (Nr. 5), daß Bedenken bestünden, daß die Anwendung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften möglicherweise die einschlägigen Strukturen, die ihren Nutzen über lange Zeit hinweg bewiesen hätten, und mit ihnen die Qualität der für die Allgemeinheit erbrachten Leistungen gefährden würden. Der DStGB hatte in seinem Schreiben hervorgehoben, daß die Kommission in ihren Aussagen zur Daseinsvorsorge lediglich auf die Aufgabenerfüllung abstelle und nicht die dahinterstehenden gewachsenen kommunalen Strukturen in Deutschland beachte. Ob eine Leistung durch Kommunen oder Private erbracht werde, bleibe ohne Berücksichtigung.

Diese unterschiedslose Betrachtung setzt sich in der Mitteilung fort. Die Vorschriften des Vertrages und insbesondere die wettbewerbs- und die binnenmarktrechtlichen Bestimmungen seien ungeachtet des öffentlichen oder privatrechtlichen Status eines Unternehmens gültig (Nr. 21). Soweit den Nationalstaaten und ihren Untergliederungen somit die Befugnis eingeräumt wird, selbst festzulegen, was als Daseinsvorsorge anzusehen ist (siehe unten), umfaßt dies nicht die Möglichkeit, auch Organisation und Strukturen unabhängig von europarechtlichen Vorgaben auszugestalten. Die Kommunen sind hier ungeachtet ihrer besonderen Stellung an dieselben Regelungen gebunden wie ein Privater.

Auch darüber hinaus wird das in Nr. 6 genannte Ziel der Mitteilung, mehr Rechtssicherheit insbesondere im Bereich der Beihilferegelungen zu schaffen, nicht erreicht. Zwar werden Beispiele für nichtwirtschaftliche Tätigkeiten, lediglich lokales Tätigwerden oder auch Bagatellfälle genannt, doch wird gleichzeitig deutlich gemacht, daß neue technische Gegebenheiten und sich verändernde Marktbedingungen diese Beispiele nur zu vorläufigen machen (Nr. 36). Bereiche, die jetzt noch als nicht wirtschaftlich angesehen werden, können in kurzer Zeit schon als wirtschaftlich betrachtet werden (vgl. Nr. 30).

Die Anwendung der Beihilfevorschriften wird in den Nummern 26 ff. erläutert. Wann diese Regelungen nicht zur Anwendung kommen, beschreiben die Nummerm 28 ff. Keine Anwendung finden sie auf nicht wirtschaftliche Tätigkeiten. Als solche werden Aufgaben bezeichnet, die per se dem Staat vorbehalten sind, wie die Wahrung der inneren und äußeren Sicherheit, die Justizverwaltung, die Pflege auswärtiger Beziehungen und andere hoheitliche Aufgaben. Außerdem werden Aufgaben im Zusammenhang mit nationalen Bildungssystemen und mit der Pflichtmitgliedschaft in Grundversorgungssystemen der sozialen Sicherheit als Ausnahmebereiche genannt. Weiterhin werden als Ausnahmen Tätigkeiten von Einrichtungen, die weitgehend soziale Aufgaben ohne Gewinnabsicht erfüllen und deren Zweck nicht in der Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit besteht, genannt. Dies bezieht sich auf Gewerkschaften, politische Parteien, Kirchen, Verbraucherverbände, wissenschaftliche Gesellschaften, Wohlfahrtseinrichtungen sowie Schutz und Hilfseinrichtungen, solange und soweit sie nicht tatsächlich wirtschaftlich tätig sind.

Wichtig für die kommunale Seite sind auch die Aussagen in den Nummern 31, 32 und 33, wo auf Ausnahmen hingewiesen wird, wenn lediglich lokale Auswirkungen von Beihilfen den Handel zwischen den Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigen oder nur Bagatellfälle gegeben sind, da der Umfang der Beihilfe bestimmte Schwellenwerte nicht übersteigt.

In Nummer 22 weist die Kommission ausdrücklich darauf hin, daß für die Definition dessen, was aufgrund der spezifischen Merkmale der Aktivitäten als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse zu gelten hat, vorrangig die Mitgliedstaaten zuständig sind. Jedoch müsse der Versorgungsauftrag in jedem Fall klar definiert und ausdrücklich durch Hoheitsakt aufgetragen sein (Art. 86 II EGV). Auch Verträge sind als Hoheitsakt anzusehen, so daß auch die Aufgabenübertragung in einem Gesellschaftervertrag ausreichend sein dürfte.

In diesem Zusammenhang sind allerdings die Aussagen in Nummer 64 überraschend. Hier führt die Kommission aus, daß zwischen dem Zugang zu Leistungen der Daseinsvorsorge und der Unionsbürgerschaft ein Zusammenhang bestehe. Auch wenn die Mitgliedstaaten bei der Wahl der Mittel zur Verwirklichung der mit solchen Diensten verfolgten Solidaritätsziele einen großen Freiraum hätten, so sei möglicherweise ein gemeinsames Konzept für Leistungen der Daseinsvorsorge vonnöten, um die Bindung an die Union zu stärken. Die Bestimmungen über den Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse im Entwurf der Grundrechtecharta sind in den Augen der Kommission ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Diese Ausführungen könnten als der Versuch einer Kompetenzerweiterung im Bereich Daseinsvorsorge verstanden werden.

Eine elektronische Fassung der Kommissionsmitteilung kann im Intranet des Verbandes, Bereich Fachinformation und Service, abgerufen werden.

Quelle: DStGB Aktuell 38/3900

Az.: IV/1 970-01

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