Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 381/2007 vom 03.05.2007

EuGH zur Kooperation mehrerer öffentlicher Auftraggeber

Der Europäische Gerichtshof hat in einer Entscheidung vom 19. April 2007 (ASEMFO-C-295/05) ein auch aus kommunaler Sicht zu begrüßendes Urteil gefällt. Die EuGH-Entscheidung ist ein klarstellender Fortschritt in dem Themenbereich „Interkommunale Zusammenarbeit und (Nicht-)Anwendung des Vergaberechts“. Insgesamt kommt in dem Urteil zum Ausdruck, dass der EuGH die vergaberechtsfreie Zusammenarbeit rein öffentlicher Stellen toleriert, sofern bei der auftragnehmenden Gesellschaft während der gesamten Vertragslaufzeit nicht die Gefahr der Hereinnahme eines privaten Partners droht und diese Gesellschaft in einem ausschließlichen Verhältnis zu ihren auftraggebenden Gesellschaftern (Bsp.: Kommunen) steht.

Sachverhalt

In dem zugrunde liegenden Sachverhalt ging es um die Kooperation mehrerer öffentlicher Auftraggeber: Die Spanische Zentralverwaltung und vier Regionen waren an einer gemeinsamen staatlichen Gesellschaft (Tragsa), die nach den Bestimmungen eines spanischen Gesetzes u. a. wesentliche Dienstleistungen im Bereich der ländlichen Entwicklung und des Umweltschutzes erbringt, beteiligt. Bei dieser Beteiligung hielt die Zentralverwaltung selbst 99 % der Anteile und die vier Regionen gemeinsam nur 1 % der Anteile (Aktien).

Weder die Tragsa noch ihre Tochtergesellschaften dürfen nach dem zugrunde liegenden spanischen Gesetz an Vergabeverfahren teilnehmen.

Weiter bestimmt Art. 3 eines für die Tragsa geltenden Königlichen Dekrets u. a.:

„Die Tragsa und ihre Tochtergesellschaften sind ein Hilfsmittel und technischer Dienst der allgemeinen Staatsverwaltung und der Verwaltungen der autonomen Regionen ….

Die Tragsa und ihre Tochtergesellschaften sind verpflichtet, die ihnen von der Verwaltung übertragenen Arbeiten und Tätigkeiten durchzuführen. Diese Verpflichtung bezieht sich ausschließlich auf die Aufträge, die ihnen als Hilfsmittel und technischer Dienst in den unter ihren Gesellschaftszweck fallenden Bereichen erteilt werden … .

Im Rahmen ihrer Zusammenarbeit mit anderen Verwaltungen oder öffentlich-rechtlichen Personen können die öffentlichen Verwaltungen die Dienste der Tragsa und ihrer Tochtergesellschaften, die ihnen als Hilfsmittel zur Verfügung stehen, anbieten, damit diese anderen Verwaltungen oder öffentlich-rechtlichen Personen sie unter den gleichen Bedingungen in Anspruch nehmen können … .“

Nach einer Klage der Asemfo beim Tribunal Supremo u. a. mit dem Antrag festzustellen, dass die Rechtsbeziehungen zwischen den einzelnen Verwaltungen und den von diesen für die Inanspruchnahme von Leistungen „beauftragten“ Tragsa dem Vergaberecht unterliegen würden, legte das Tribunal Supremo die Frage der Vergaberechtspflicht / Vergaberechtsfreiheit im EuGH vor.

EuGH-Entscheidung

Der EuGH entschied nach Feststellung seiner Zulässigkeit entgegen den Schlussanträgen des Generalanwalts und in erweiternder Klarstellung seiner bisherigen Judikatur, dass es sich bei dem Rechtsverhältnis zwischen den Regionen und der von diesen für bestimmte Leistungen in Anspruch genommenen Tragsa um ein ausschreibungsfreies In-House-Geschäft handele. Der EuGH begründet diese u. a. damit, dass die Tragsa nach den spanischen Regelungen gesetzlich verpflichtet war, die Aufträge sowohl der Zentralverwaltung als auch der Regionen durchzuführen. Im Verhältnis zu ihren Gesellschaftern war die Tragsa durch nationale Vorschriften als Hilfsmittel und technischer Dienst eingerichtet und konnte auch ihre Gebühren nicht frei festlegen.

Im Übrigen betont der EuGH im Hinblick auf das erste EuGH-Rechtsprechungsmerkmal für ein vergaberechtsfreies In-House-Geschäft, das „Kontrollkriterium“, nochmals in Anknüpfung an die Carbotermo-Entscheidung, dass der Umstand, dass der öffentliche Auftraggeber allein oder zusammen mit anderen öffentlichen Stellen das gesamte Kapital einer auftragnehmenden Gesellschaft hält, grundsätzlich darauf hindeutet, dass er über diese Gesellschaft eine Kontrolle wie über seine eigenen Dienststellen ausübt (Rdn. 57).

Trotz einer Aufteilung der jeweiligen Anteile am Gesellschaftskapital der Tragsa von 99 % für den spanischen Staat und von nur 1 % für die vier autonomen Regionen geht der EuGH aufgrund der bestehenden Verpflichtung der Tragsa, die Aufträge für die Regionen auszuführen, davon aus, dass die Tragsa im Verhältnis zu den autonomen Regionen nicht als Dritter angesehen werden kann.

Wesentlich weiter als bisherige nationale Vergabesenate (OLG Celle vom 14.09.2006 – 13 Verg 2/06 - 7,5 %) und damit kommunalfreundlicher fasst der EuGH den zweiten Teil der Voraussetzungen eines In-House-Geschäfts, das „Wesentlichkeitskriterium“. Danach ist neben der Voraussetzung, dass der Auftraggeber über die anderen Einrichtungen eine Kontrolle ausübt wie über seine eigenen Dienststellen weiter erforderlich, dass diese – andere – Einrichtung ihre Tätigkeit im Wesentlichen für den Auftraggeber bzw. die Auftraggeber verrichten, die ihre Anteile innehaben.

Im Ausgangsverfahren verrichtete die Tragsa im Durchschnitt über 55 % ihrer Tätigkeit für die autonome Regionen und nur knapp 35 % für den Staat. Dennoch geht der EuGH – was zu begrüßen ist – in diesem Fall davon aus, dass die Tragsa im Wesentlichen für die Körperschaften und öffentlichen Einrichtungen tätig wird, die ihre Anteile innehaben.

Auch wenn die 35 % der anderen Tätigkeiten der Tragsa staats- und nicht privatbezogen sind, dürfte sich durch diese Entscheidung des EuGH im Hinblick auf das „Wesentlichkeitskriterium“ auch im Vergleich zur bisherigen nationalen Rechtsprechung und einengenden übrigen Auffassungen, etwa in der Literatur, eine Ausweitung ergeben, die aus kommunaler und öffentlicher Sicht uneingeschränkt zu begrüßen ist.

Az.: II/1 608-44

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