Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 302/2012 vom 24.05.2012

EuGH zur Beschaffung von Öko- oder Fairtrade-Produkten

Das Unionsrecht steht nicht grundsätzlich einem öffentlichen Auftrag entgegen, für den der öffentliche Auftraggeber verlangt oder wünscht, dass bestimmte zu liefernde Erzeugnisse aus ökologischer Landwirtschaft oder fairem Handel stammen. Der öffentliche Auftraggeber muss jedoch detaillierte Spezifikationen verwenden, anstatt auf Umweltgütezeichen Bezug zu nehmen. Dies hat der

Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 10.05.2012 klargestellt (Az.: C-368/10).

Sachverhalt

Im August 2008 veröffentlichte die Provinz Nord-Holland (Niederlande) eine Bekanntmachung über die Vergabe eines öffentlichen Auftrags für die Lieferung und Bewirtschaftung von Kaffeeautomaten. In dieser Bekanntmachung wurde hervorgehoben, dass die Provinz Wert auf eine vermehrte Verwendung von ökologischen und Fair-Trade-Erzeugnissen in Kaffeeautomaten legt. Zudem war genauer angegeben, dass «die Provinz Nord-Holland beim Kaffee- und Teeverzehr das MAX HAVELAAR- und das EKO-Gütezeichen verwendet» und dass andere Zutaten als Kaffee oder Tee wie Milch, Zucker und Kakao diesen beiden Gütezeichen entsprechen sollten. Wenig später wurde in einer Informationsmitteilung erläutert, dass andere Gütezeichen auch akzeptiert würden, «solange die Kriterien vergleichbar oder identisch sind». Aufgrund dessen hat die Europäische Kommission eine Vertragsverletzungsklage gegen die Niederlande erhoben und einen Verstoß gegen die Richtlinie über die Vergabe öffentlicher Aufträge (2004/18/EG) geltend gemacht.

EuGH-Entscheidung

Der EuGH hat festgestellt, dass technische Spezifikationen in Form von Leistungs- oder Funktionsanforderungen formuliert werden können, die Umwelteigenschaften umfassen. Das EKO-Gütezeichen stelle, soweit es auf «Umwelteigenschaften» beruht und die in der Richtlinie aufgezählten Voraussetzungen erfüllt, ein Umweltgütezeichen im Sinne der Richtlinie dar. Indem die Provinz Nord-Holland vorgeschrieben hat, dass bestimmte zu liefernde Erzeugnisse mit einem bestimmten Umweltgütezeichen versehen sind, anstatt die für dieses Umweltgütezeichen festgelegten detaillierten Spezifikationen zu verwenden, habe sie jedoch eine mit der Richtlinie unvereinbare technische Spezifikation aufgestellt. Die Anforderung in Bezug auf das MAX HAVELAAR-Gütezeichen sei nach ihrem Gegenstand keine technische Spezifikation, sondern eine Bedingung für die Auftragsausführung. Der Gerichtshof hat daher die Rüge der Kommission insoweit zurückgewiesen, ohne zu prüfen, ob diese Bedingung richtlinienkonform formuliert wurde.

„Fairer Handel“ als Zuschlagskriterium zulässig

Der EuGH hat ferner unterstrichen, dass öffentliche Auftraggeber Zuschlagskriterien wählen dürfen, die auf Umwelt- oder soziale Aspekte gestützt sind. Die sozialen Aspekte könnten die Nutzer oder Nutznießer der Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen, die Gegenstand des Auftrags sind, aber auch andere Personen betreffen. Aus der Fassung des streitigen Zuschlagskriteriums ergebe sich im Übrigen, dass dieses ausschließlich die im Rahmen des Auftrags zu liefernden Zutaten betraf und keine Auswirkung auf die allgemeine Einkaufspolitik der Bieter hatte. Mithin habe sich dieses Kriterium auf Erzeugnisse bezogen, deren Lieferung ein Teil des Gegenstands des fraglichen Auftrags war. Grundsätzlich stehe somit einem Zuschlagskriterium, das darauf abstellt, dass ein Erzeugnis fair gehandelt worden ist, nichts entgegen.

Aus Umweltgütezeichen darf keine technische Spezifikation gemacht werden

Zur Art und Weise, in der solche Zuschlagskriterien formuliert werden können, führt der EuGH aus, dass die Bestimmungen der Richtlinie über die Verwendung eines Umweltgütezeichens im Rahmen der Formulierung einer technischen Spezifikation relevante Hinweise enthalten. Der Unionsgesetzgeber habe es den öffentlichen Auftraggebern gestattet, die einem Umweltgütezeichen zugrunde liegenden Kriterien anzuwenden, um bestimmte Eigenschaften eines Erzeugnisses vorzuschreiben. Er gestatte es jedoch nicht, aus einem Umweltgütezeichen eine technische Spezifikation zu machen.

Neben Umweltgütezeichen müssen auch andere Beweismittel zugelassen werden

Das Umweltgütezeichen könne nur herangezogen werden, um die Vermutung zu begründen, dass die mit ihm versehenen Erzeugnisse die so definierten Eigenschaften erfüllten; dabei bleibe jedes andere geeignete Beweismittel ausdrücklich vorbehalten. Indem die Provinz im Rahmen der Auswahl des wirtschaftlich günstigsten Angebots für bestimmte Erzeugnisse, die mit bestimmten Gütezeichen versehen sind, eine Anzahl von Punkten vergeben hat, anstatt die Kriterien, die diesen Gütezeichen zugrunde liegen, aufzuführen und zuzulassen, dass der Nachweis, dass ein Erzeugnis diesen Kriterien genügt, durch jedes andere geeignete Beweismittel erbracht werden kann, hat sie ein mit der Richtlinie unvereinbares Zuschlagskriterium aufgestellt.

Der EuGH hat abschließend darauf hingewiesen, dass der Grundsatz der Transparenz bedeutet, dass alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens klar, präzise und eindeutig in der Vergabebekanntmachung oder dem Lastenheft formuliert werden. Die Anforderungen an die Einhaltung der «Kriterien der Nachhaltigkeit der Einkäufe und des gesellschaftlich verantwortlichen Verhaltens» sowie die Verpflichtung, «zur Verbesserung der Nachhaltigkeit des Kaffeemarkts und zu einer umwelttechnisch, sozial und wirtschaftlich verantwortlichen Kaffeeproduktion beizutragen», hätten nicht das erforderliche Maß an Klarheit, Präzision und Eindeutigkeit. Daher entschied der Gerichtshof, dass die Niederlande ihren Verpflichtungen aus der Richtlinie über die Vergabe öffentlicher Aufträge nicht nachgekommen sind. [Quelle: beck-aktuell-Newsletter, 10. Mai 2012]

Az.: II/1

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