Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 462/2006 vom 21.06.2006

EuGH zu Voraussetzungen eines vergabefreien In-House-Geschäfts

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 11.05.2006 (Rs. C-340/04-Carbotermo) zu den Voraussetzungen eines vergabefreien In-House-Geschäfts Stellung genommen. Dem Urteil zufolge kann eine Kommune einen öffentlichen Auftrag direkt an ein Unternehmen vergeben, dessen Anteile sie innehat, wenn das Unternehmen hauptsächlich für die Kommune tätig wird. Zu berücksichtigen sind hierbei alle Tätigkeiten, die das jeweilige Unternehmen aufgrund einer Vergabe durch den öffentlichen Auftraggeber verrichtet, unabhängig davon, wer diese Tätigkeit vergütet und wo sie räumlich ausgeübt wird.

Mit der vorliegenden Entscheidung hat der EuGH seine Rechtsprechung zu vergabefreien In-House-Geschäften konkretisiert. Insbesondere hat er das bereits in der „Teckal“-Entscheidung (C-107/98) aufgestellte Kriterium „wesentliche Tätigkeit für den Auftraggeber“ näher präzisiert. Im Einzelnen:

1. Kontrolle des Auftraggebers wie über eine eigene Dienststelle

Der EuGH hat in Anknüpfung an seine Rechtsprechung zu vergabefreien In-House-Geschäften darauf hingewiesen, dass bei der Beurteilung, ob ein öffentlicher Auftraggeber eine Kontrolle wie über seine eigenen Dienststellen ausübt, regelmäßig alle Rechtsvorschriften und maßgebenden Umstände zu berücksichtigen sind. Grundsätzlich müsse es einem öffentlichen Auftraggeber möglich sein, auf die Entscheidungen einer Gesellschaft maßgeblich einzuwirken. Es muss sich dabei um die Möglichkeit handeln, sowohl auf die strategischen Ziele als auch auf die wichtigen Entscheidungen der jeweiligen Gesellschaft „ausschlaggebenden Einfluss“ zu nehmen.

Das der öffentliche Auftraggeber allein oder zusammen mit anderen öffentlichen Auftraggebern (zum Beispiel Kommunen) das gesamte Kapital einer auftragnehmenden Gesellschaft halte, deute – ohne entscheidend zu sein – darauf hin, dass er im Sinne der Teckal-Rechtsprechung des EuGH über diese Gesellschaft eine Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle ausübe. Mit der vorstehenden Anmerkung hat der EuGH unterstrichen, dass es grundsätzlich denkbar ist, dass auch mehrere Kommunen gemeinsam eine Kontrolle über eine Gesellschaft ausüben können wie über eine eigene Dienststelle.

Zur abschließenden Beurteilung, ob das Kontrollkriterium erfüllt ist, bedarf es allerdings immer einer Beurteilung des jeweiligen Einzelfalls. Vorliegend verfügte der Verwaltungsrat (Aufsichtsrat) der über weite Leitungsbefugnisse, die autonom ausgeübt werden konnten. Da die Gemeinde aber keine besondere Kontrollbefugnis besaß, um diese Handlungsfreiheit zu beschränken, ist der EuGH zu dem Schluss gekommen, dass die Kommune über die Gesellschaft keine Kontrolle wie über ihre eigenen Dienststellen ausübt, so dass die EU-Richtlinie über öffentliche Lieferaufträge vorliegend einer Direktvergabe des fraglichen öffentlichen Auftrags entgegenstand.

2. Tätigkeit im Wesentlichen für den oder die Auftraggeber

Der EuGH hat sich in einer zweiten Vorlagefrage mit dem Kriterium der „wesentlichen Tätigkeit eines Unternehmens für den Auftraggeber“ beschäftigt.

Unter Berücksichtigung der bereits in der Teckal-Entscheidung des EuGH aufgestellten Grundsätze hat der Gerichtshof festgestellt, dass ein Unternehmen seine Tätigkeit im Wesentlichen für die Körperschaft verrichtet, die seine Anteile innehat, wenn das jeweilige Unternehmen hauptsächlich für diese Körperschaft tätig wird und jede andere Tätigkeit rein nebensächlich ist. Um zu beurteilen, ob dies der Fall ist, muss nach Auffassung des EuGH das zuständige Gericht alle – qualitativen wie quantitativen – Umstände des Einzelfalls berücksichtigen.

Aus kommunaler Sicht ist erfreulich, dass der EuGH darauf hingewiesen hat, dass es grundsätzlich nicht darauf ankommt, wer das betreffende Unternehmen vergütet, sei es die Körperschaft, die seine Anteile innehat, seien es Dritte als Nutzer der Dienstleistungen, die etwa aufgrund von Konzessionen oder anderen von der Körperschaft eingegangenen Rechtsbeziehungen erbracht werden. Darüber hinaus spielt es auch keine Rolle, in welchem Gebiet eine Leistung erbracht wird.

Nach Auffassung des EuGH sind alle Tätigkeiten zu berücksichtigen, die ein Unternehmen als Auftragnehmer im Rahmen einer Vergabe durch einen öffentlichen Auftraggeber verrichtet, ohne dass die Person des Begünstigten – sei es der öffentliche Auftraggeber selbst oder ein anderer Nutzer der Leistungen (zum Beispiel die Einwohner einer Kommune) – von Bedeutung wäre. Demzufolge ist allein der mit der kontrollierenden Körperschaft oder der im Gebiet dieser Körperschaft erzielte Umsatz zu berücksichtigen, den das fragliche Unternehmen aufgrund der Vergabeentscheidung der kontrollierenden Körperschaft beziehungsweise der kontrollierenden Körperschaften erzielt, und zwar einschließlich des Umsatzes, der in Ausführung solcher Entscheidungen mit anderen Nutzern erzielt wird.

Der EuGH hat somit auch die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass die vorgesehene Ausnahme einer vergabefreien In-House-Beauftragung nicht nur dann zur Anwendung kommt, wenn die Anteile an einem Unternehmen von einer einzigen Körperschaft gehalten werden, sondern auch dann, wenn sie von mehreren Körperschaften, zum Beispiel Kommunen, gehalten werden. Folglich ist bei einem Unternehmen, dessen Anteile von mehreren Körperschaften gehalten werden, auf die Tätigkeit abzustellen, die es für alle diese Körperschaften verrichtet.

Quelle: DStGB Aktuell 2106 vom 26. Mai 2006

Az.: II/1 608-09

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