Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 692/2014 vom 26.11.2014

EuGH zu vergaberechtsfreiem Mietvertrag und öffentlichem Bauauftrag

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 10.07.2014 (Rs. C-213/13) zur Unterscheidung zwischen einem vergaberechtsfreien Mietvertrag und einem öffentliche Bauauftrag Stellung genommen. Dem Urteil zufolge unterliegt ein Mietvertrag über ein noch zu errichtendes Gebäude nur dann nicht dem Vergaberecht, wenn der öffentliche Auftraggeber auf die Ausführung der Bauleistung keinen entscheidenden Einfluss ausüben kann. Insoweit kommt es auf die inhaltliche Schwerpunktsetzung an.

Im zugrunde liegenden Sachverhalt hatte sich der EuGH mit der Anmietung eines noch zu errichtenden Gebäudes zu befassen. Im konkreten Fall hatte die Stadt Bari (Italien) eine „Marktuntersuchung“ für die Errichtung eines neuen Gerichtskomplexes EU-weit ausgeschrieben. Ein Anhang definierte dabei den „Rahmen der strukturellen, funktionalen und organisatorischen Anforderungen“. Mit diesem Rahmen bestimmte die Stadt die technischen Merkmale des zu errichtenden Gebäudes (unter anderem Anzahl der Büros, Sitzungssäle, Flächen, Parkplätze). Die Stadt behielt sich außerdem ein Prüfungsrecht vor Abnahme vor.

Der EuGH hat festgestellt, dass bei einem Vertrag, der zugleich Elemente eines öffentlichen Bauauftrags und eines Auftrags anderer Art aufweist, auf den Hauptgegenstand des Vertrags abzustellen ist. Da das Gebäude bei Vertragsschluss noch nicht errichtet war, sei die Errichtung zwangsläufig Voraussetzung für die spätere Vermietung und damit Hauptgegenstand des Vertrags. Unter Berufung auf die Rechtsprechung in Sachen „Helmut Müller“ hat der EuGH zudem unterstrichen, dass die Stadt sich mit dem Anforderungsrahmen einen entscheidenden Einfluss auf die Planung der Bauleistung gesichert habe. Zwar enthalte der von den Bietern abzugebende Entwurf einer Verpflichtungserklärung zur Vermietung auch charakteristische Merkmale eines Mietvertrags. Der Hauptgegenstand liege jedoch in der Erbringung der Bauleistung zugunsten des öffentlichen Auftraggebers. Die Höhe der Vergütung und die Art und Weise ihrer Zahlung spielten indes für die Qualifikation des Vertrags als öffentlicher Auftrag im Sinne des Vergaberechts keine Rolle.

Anmerkung

Dem Urteil des EuGH ist zu entnehmen, dass ein Mietvertrag über ein noch zu errichtendes Gebäude, das später vom öffentlichen Auftraggeber genutzt werden soll, nur dann nicht dem Vergaberecht unterliegt, wenn der Auftraggeber auf die Ausführung der Bauleistung keinen entscheidenden Einfluss ausüben kann. Stellt der Auftraggeber hingegen präzise Anforderungen an die Gestaltung des Gebäudes auf und lässt sich ein Prüfungsrecht einräumen, bestehen am Vorliegen eines öffentlichen Bauauftrags keine Zweifel. Anders kann es allenfalls sein, wenn der öffentliche Auftraggeber lediglich einen „groben Rahmen“ vorgibt oder ein Nutzungskonzept beschreibt, dem Unternehmer bei der konkreten Umsetzung / Ausgestaltung des Gebäudes jedoch weitgehend freie Hand lässt. Insoweit ist grundsätzlich eine Einzelfallentscheidung vorzunehmen.

Mithin können sich öffentliche Auftraggeber nicht dadurch dem Vergaberecht entziehen, dass sie einen Vertrag mit einem ausschreibungspflichtigen Inhalt als „Mietvertrag“ bezeichnen (vgl. auch EuGH vom 29.10.2009 — C-536/07 „KölnMesse“). Von einem vergaberechtsrelevanten öffentlichen Bauauftrag ist in aller Regel auszugehen, wenn die von einem „Mieter“ zu erbringende Bauleistung dem öffentlichen Auftraggeber unmittelbar wirtschaftlich zugutekommt (vgl. EuGH vom 25.03.2010 — C-451/08 „Helmut Müller“).

Az.: II gr-ko

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