Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 578/2015 vom 23.09.2015

EuGH zu staatlicher Beihilfe bei Grundstücksverkauf zu überhöhtem Preis

Der Europäische Gerichtshof entschied mit Urteil vom 16.07.2015 (Az.: C-39/14), dass es keine staatliche Beihilfe im Sinne des Unionsrechts darstellt, wenn die zuständige Behörde die Genehmigung eines Kaufvertrages aufgrund eines groben Missverhältnisses des Kaufpreises zu dem geschätzten landwirtschaftlichen Verkehrswert verweigert. Der Verkauf an den Meistbietenden im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung führt danach nicht zwangsläufig zur Abbildung des Marktwerts eines Grundstücks, wenn das Höchstgebot spekulativen Charakter habe.

Die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG), eine Untergesellschaft der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben, verkaufte nach einer öffentlichen Ausschreibung im Jahr 2008 eine Fläche von 2, 6 Hektar im Jerichower Land für 29.000 Euro an ein Ehepaar.

Der Landkreis verweigerte mit Verweis auf § 9 Abs. 1 Nr. 3 Grundstücksverkehrsgesetz (GrdstVG) die Genehmigung des Verkaufs mit der Begründung, der vereinbarte Kaufpreis stehe in einem groben Missverhältnis zu dem landwirtschaftlichen Verkehrswert des fraglichen Grundstücks, weil er diesen um mehr als 50 Prozent übersteige. Die Regelung soll es landwirtschaftlichen Betrieben ermöglichen, Erweiterungsflächen zu fairen Marktpreisen zu erwerben und so bestehende landwirtschaftliche Strukturen schützen.

Die Position des Landkreises wurde vom Amtsgericht Stendal - Landwirtschaftsgericht und dem Oberlandesgericht (OLG) Naumburg bestätigt. Ein Gutachten im Auftrag des OLG Naumburg veranschlagte den Verkehrswert des Grundstückes zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses auf 14.168 Euro und damit auf knapp die Hälfte des Verkaufspreises.

Die BVVG legte daraufhin Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) ein, welcher den Streit dem EuGH vorlegte (Az.:BLw 2/12). Der BGH richtete sich mit der Frage an den EuGH, ob ein solches Verkaufsverbot, das im Ergebnis dazu führt, dass das Grundstück nach dem verweigerten Verkauf zu einem niedrigeren als in der Ausschreibung gebotenen Höchstpreis erworben wird, eine Begünstigung des Dritten und damit eine staatliche Beihilfe darstellt, wenn das Angebot des Meistbietenden nach Ansicht der zuständigen örtlichen Behörde in einem groben Missverhältnis zu dem geschätzten Wert des Grundstücks steht. Der BGH wollte zudem wissen, ob dies durch den Zweck von § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG, die Interessen der landwirtschaftlichen Betriebe und damit die Agrarstruktur zu schützen, gerechtfertigt sein könnte.

Entscheidungsgründe

Der Gerichtshof stellt zunächst grundsätzlich fest, dass der Verkauf eines öffentlichen Grundstückes zu einem im Vergleich zum Marktpreis geringerem Preis eine Beihilfe im Sinne des Unionsrechts darstellen könne. Der Käufer würde dadurch begünstigt, dass der Staat freiwillig auf den Differenzbetrag zwischen dem Verkehrswert und dem tatsächlich vom Käufer gezahltem Preis verzichte. Daher könne eine Regelung, wie die des § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG grundsätzlich eine staatliche Beihilfe nach Art. 107 AEUV darstellen, da sie es einem Dritten, der nicht an dem Ausschreibungsverfahren teilgenommen hat, ermögliche, das Grundstück nach der Untersagung durch die zuständige Behörde zu einem niedrigerem als dem in der Ausschreibung gebotenen Preis zu erwerben.

Wenn jedoch eine nationale Regelung, welche Einschränkungen hinsichtlich des Verkaufes von Grundstücken im öffentlichen Eigentum treffe, Regeln über die Berechnung des Marktwerts von Flächen im Hinblick auf ihre Veräußerung durch die öffentliche Hand enthalte, die im Falle einer Veräußerung zu einem möglichst nahe beim Marktwert liegenden Preis führen, dann liege grundsätzlich keine selektive Begünstigung i.S.v. Art. 107 AEUV und damit keine Beihilfe vor.

Zur Ermittlung des tatsächlichen Marktwertes des Grundstückes können laut dem Gerichtshof mehrere Methoden führen. Zwar werde vermutet, dass der Marktpreis in einem Ausschreibungsverfahren grundsätzlich dem höchsten Angebot entspreche, allerdings gelte dies nur dann, wenn nicht zusätzlich zum Preis andere wirtschaftliche Faktoren zu berücksichtigen sind. Dies sei beispielsweise der Fall, wenn das Höchstgebot einen offensichtlich spekulativen Charakter hat. Dies äußere sich dadurch, dass das Angebot deutlich über den sonstigen abgegebenen Preisgeboten und dem geschätzten Verkehrswert des Objektes liegt. Neben dem Verkauf an den Meistbietenden könne daher auch eine zulässige Methode ein Sachverständigengutachten sein. Es sei jedoch nicht ausgeschlossen, dass dieses Ergebnis auch mit anderen Methoden erreicht werden kann. In jedem Fall müssen die Bewertungsmaßstäbe nachvollziehbar dargelegt werden können.

Da der Gerichtshof nicht in der Lage sei festzustellen, ob die Anwendung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung tatsächlich zu einem Preis führen könne, der möglichst nahe beim Marktwert des fraglichen Grundstücks liegt, sei es Sache des vorlegenden Gerichts, eine solche Beurteilung im Ausgangsverfahren vorzunehmen.

Allein der Regelungszweck, Berufslandwirte vor zu hohen Anschaffungskosten bei der Erweiterung von zusätzlichen Grundstücken zu schützen, vermöge jedoch noch keine Ausnahme von Art. 107 Abs. 1 AEUV zu begründen, da die Beurteilung, ob es sich um eine staatliche Beihilfe handelt, nicht nach der Intention, sondern nach der Wirkung des Gesetzes vorgenommen wird.

Ergebnis des Urteils des EuGH ist folglich, dass, wenn das Angebot des Höchstbietenden im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung nach Ansicht der zuständigen örtlichen Behörde in einem groben Missverhältnis zu dem geschätzten Wert des Grundstücks steht, es keine unzulässige Beihilfe zugunsten eines Dritten darstellt, wenn der Staat den Verkauf des landwirtschaftlichen Grundstücks verbietet. Im konkreten Fall hat der BGH nun zu prüfen, ob der vom Landkreis und den vorinstanzlichen Gerichten ermittelte Preis aufgrund des eingeholten Gutachtens den aktuellen landwirtschaftlichen Verkehrswert abbildet.

Az.: II gr-ko

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