Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 253/2017 vom 28.02.2017

EuGH zu grenzüberschreitendem Interesse bei Unterschwellenvergabe

Der EuGH hat mit Urteil vom 06.10.2016 (Rs. C-318/15) entschieden, dass auch Vergaben im Unterschwellenbereich den allgemeinen Grundsätzen des AEU-Vertrags unterliegen, sofern an dem Auftrag ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse besteht. Ein solches Interesse muss sich positiv aus einer konkreten Beurteilung der Umstände des fraglichen Auftrags ergeben. 

Im zugrunde liegenden Fall hatte ein öffentlicher Auftraggeber die Vergabe von Bauleistungen mit einem Auftragswert i.H.v. rund 1,16 Mio. Euro beabsichtigt. Er führte das Vergabeverfahren nach Maßgabe der nationalen Vorschriften für die Vergabe von Aufträgen unterhalb der EU-Schwellenwerte durch. Danach kann der Auftraggeber Angebote ab Erreichen eines bestimmten prozentualen Preisabschlags wegen Unauskömmlichkeit automatisch von der Ausschreibung ausschließen.

Ein Bieter reichte dagegen Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht ein. Das Gericht vertrat die Auffassung, dass der nationalen Regelung des automatischen Ausschlusses von ungewöhnlich niedrigen Angeboten die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit entgegenstehen könnten, sofern der zu vergebende Bauauftrag ein grenzüberschreitendes Interesse aufweist. Es legte diese Frage dem EuGH vor und wies darauf hin, dass sich ein grenzüberschreitendes Interesse am Auftrag zumindest nicht ausschließen lasse, da der Ort der Leistungserbringung weniger als 200 km von der Grenze zum nächstgelegenen EU-Mitgliedstaat entfernt liege. 

Der EuGH wies das Vorabentscheidungsersuchen als unzulässig zurück. Grund dafür ist, dass das vorlegende Gericht keinerlei Angaben gemacht hat, die es dem Gerichtshof ermöglichen, über die Frage eines eindeutigen grenzüberschreitenden Interesses am Auftrag zu befinden. In diesem Zusammenhang stellt der EuGH fest, dass ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse nicht hypothetisch aus bestimmten Gegebenheiten abgeleitet werden kann, die abstrakt für ein solches Interesse sprechen könnten.

Vielmehr muss sich das grenzüberschreitende Interesse aus einer konkreten Beurteilung der Umstände des fraglichen Auftrags ergeben. Allein der Umstand, dass der Leistungsort 200 km von der Grenze zu einem anderen EU-Mitgliedstaat entfernt liegt, begründet ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse nicht. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil vorliegend der Auftragswert nicht einmal ein Viertel des maßgeblichen EU-Schwellenwerts erreicht hatte. 

Anmerkung 

Der EuGH macht deutlich, dass er im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens weder gewillt noch in der Lage ist, in der Sache zu entscheiden, wenn ihm das vorlegende Gericht nicht die dafür notwendigen Informationen zur Verfügung stellt. Gleichwohl erinnert er in der Entscheidung an seine bisherige Spruchpraxis, wonach auch für die Vergabe von Aufträgen unterhalb der EU-Schwellenwerte die allgemeinen Grundsätze des AEU-Vertrags, insbesondere jene der Gleichbehandlung und der Transparenz, gelten.

Auch die objektiven Kriterien, die auf ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse hinweisen können, hat der Gerichtshof in den beiden zitierten Entscheidungen konkretisiert. Dazu gehören insbesondere ein gewisses Volumen des fraglichen Auftrags in Verbindung mit dem Leistungsort, die technischen Merkmale des Auftrags oder Besonderheiten der zu beschaffenden Waren. Entscheidend für die Beantwortung der Frage nach einem grenzüberschreitenden Interesse am zu vergebenden Auftrag ist aber, dass der Auftraggeber sämtliche konkreten Umstände des Einzelfalls berücksichtigt, zueinander ins Verhältnis setzt und das Ergebnis sorgfältig dokumentiert.

Az.: 21.1.1.1-001/001

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