Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 398/2011 vom 18.08.2011

EuGH zu Erschließungsmaßnahmen als öffentlichem Bauauftrag

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 26.05.2011 (C-306/08) zur Einordnung von Erschließungsmaßnahmen als öffentlicher Bauauftrag Stellung genommen. Dem Urteil zufolge führen Bauleistungen, soweit sie lediglich von untergeordneter Bedeutung sind und somit nicht den Hauptinhalt eines Vertrags ausmachen, nicht zu einer Einordnung von Erschließungsmaßnahmen als öffentlicher Bauauftrag.

Wenn ein Vertrag zugleich Elemente eines öffentlichen Bauauftrags und Elemente eines öffentlichen Auftrags anderer Art aufweist, bestimmt der Hauptgegenstand des Vertrags, welche Rechtsvorschriften über öffentliche Aufträge Anwendung finden, so der EuGH.

Im zugrunde liegenden Sachverhalt ging es um eine spanische Regelung zur Umsetzung von Förderungsmaßnahmen für die Stadtentwicklung. Das spanische Recht sieht zwei Verfahren zur Erschließung von Grundstücken vor: Bei der unmittelbaren Durchführung werden sämtliche Arbeiten und Investitionen durch öffentliche Mittel finanziert und von der Verwaltung und ihren Einrichtungen durchgeführt. Beim mittelbaren Durchführungsverfahren wird hingegen ein Dritter mit der Erschließungsaufgabe beauftragt. Diesem Erschließungsträger obliegen dabei neben der Errichtung der Bauwerke insbesondere auch stadtplanerische sowie Finanzierungsaufgaben. Die EU-Kommission war der Auffassung, dass die Auftragsvergabe an den Erschließungsträger im Rahmen des mittelbaren Durchführungsverfahrens als öffentlicher Bauauftrag ausschreibungspflichtig war.

Entscheidung:

Der EuGH ist dieser Rechtsauffassung entgegengetreten. Zwar erfordere die Erschließung eines oder mehrerer Grundstücke Bauarbeiten, wie zum Beispiel die Herstellung von Fahrbahnen. Jedoch habe die Kommission vorliegend nicht hinreichend nachgewiesen, dass die baulichen Komponenten den Hauptgegenstand der Beauftragung des Erschließungsträgers bilden. Denn die Erschließung von Grundstücken im Wege eines mittelbaren Durchführungsverfahrens umfasse neben der Errichtung des Bauwerks auch Tätigkeiten, die nicht als „Bauarbeiten“ im Sinne der EU-Vergaberichtlinien qualifiziert werden könnten. Ein Vertrag, der zugleich Elemente eines Bauauftrags und Elemente eines öffentlichen Auftrags anderer Art aufweise, sei nach der Rechtsprechung des EuGH nach den Regeln zu vergeben, die auf den Hauptgegenstand des Vertrags Anwendung finden. Dabei sei auf die wesentlichen, vorrangigen Verpflichtungen abzustellen, die den Auftrag als solchen prägen, und nicht lediglich auf die Verpflichtungen bloß untergeordneter oder ergänzender Art.

Anmerkung:

Der EuGH hat mit der vorliegenden Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung zur Abgrenzung von öffentlichen Bauaufträgen konsequent fortgeführt.

Die wesentlichen Aussagen der Entscheidung finden sich auch im deutschen Vergaberecht in § 99 Abs. 7 S. 2 GWB wieder. Danach gilt ein öffentlicher Auftrag, der sowohl Dienst- als auch Bauleistungen umfasst, als Dienstleistungsauftrag, sofern die Bauleistungen im Verhältnis zum Hauptgegenstand lediglich Nebenarbeiten darstellen (Wesentlichkeitstheorie). In der kommunalen Praxis sollte allerdings im Einzelfall geprüft werden, ob es sich um einen Dienstleistungsauftrag oder gar um eine Dienstleistungskonzession handelt. Auf Dienstleistungskonzessionen ist nach derzeitiger Rechtslage nicht das förmliche Vergaberecht anzuwenden, sondern es sind die allgemeinen Vergabegrundsätze (insbesondere Transparenz und Nichtdiskriminierung) zu beachten.

Die Entscheidung kann im Internet unter www.dstgb-vis.de  abgerufen werden.

Az.: II gr-ko

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