Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 235/2003 vom 21.02.2003

EuGH-Urteile zum Abfallrecht

Der Europäische Gerichtshof hat am 13.02.2003 mit zwei Urteilen zum Abfallrecht den Anstoß für eine erneute abfallpolitische Diskussion sowohl auf EG-Ebene als auch auf der Bundesebene gegeben. Im einzelnen:

1. Rechtssache C-458/00: Klageverfahren der Kommission gegen Luxemburg

Der Europäische Gerichtshof hat in einem Vertragsverletzungsverfahren (C-458/00) gegen Luxemburg entschieden, dass die Abfallverbrennung von Hausmüll u. ä. Abfällen in einer Müllverbrennungsanlage mit Energierückgewinnung ein Beseitigungsverfahren darstellen kann. Nach dem EuGH stellt die Verbrennung von Abfällen nur dann eine Verwertungsmaßnahme dar, wenn ihr Hauptzweck darin besteht, die Abfälle für einen sinnvollen Zweck, nämlich zur Energieerzeugung einzusetzen und dadurch eine Primärenergiequelle ersetzt wird, die sonst für diesen Zweck hätte eingesetzt werden müssen. Vor diesem Hintergrund bestehe der Hauptzweck der Verbrennung von Abfällen in einer Abfallbeseitigungsanlage nicht in der Verwertung der Abfälle, selbst wenn die Wärme, die bei der Verbrennung erzeugt werde, ganz oder teilweise zurückgewonnen werde. Eine solche Energierückgewinnung entspreche zwar dem Ziel natürliche Rohstoffquellen zu erhalten. Wenn die Rückgewinnung der durch die Verbrennung erzeugten Wärme jedoch nur einen Nebeneffekt einer Maßnahme darstelle, deren Hauptzweck die Abfallbeseitigung sei, stehe sie der Einstufung dieser Maßnahme als Beseitigungsmaßnahme nicht entgegen. Gleichwohl können sich dennoch – so der EuGH – Anhaltspunkte für eine Einstufung als Verwertung ergeben. Ein solcher Anhaltspunkt könne etwa darin bestehen, dass die fraglichen Abfälle für eine Anlage bestimmt gewesen seien, deren Betrieb ohne die Versorgung mit Abfällen unter Verwendung einer Primärenergiequelle hätte fortgesetzt werden müssen.

2. Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland („Belgische Zementfabrik“)

In dem Klageverfahren der Kommission gegen Deutschland (C-228/00) geht der Europäische Gerichtshof von einer Abfallverwertung aus und teilt die Rechtsauffassung Deutschlands nicht, wonach es als Abfallbeseitigung anzusehen sei, wenn unterschiedliche Abfälle als Ersatzbrennstoff aufbereitet werden und in Belgische Zementöfen verbrcht werden (Verbrennung von Abfällen in einem industriellen Prozess). Der Europäische Gerichtshof stellt hier klar, dass die Hauptverwendung des Abfalls als Brennstoff oder andere Mittel der Energieerzeugung nach der Richtlinie ein Abfallverwertungsverfahren darstellt. Der Begriff der Hauptverwendung in der Richtlinie impliziere, dass das dort genannte Verfahren im Wesentlichen dazu diene, die Abfälle für einen sinnvollen Zweck, nämlich die Energieerzeugung, einzusetzen. Die Verbrennung von Abfällen stelle daher eine Verwertungsmaßnahme dar, wenn der Hauptzweck darin bestehe, die Abfälle für einen sinnvollen Zweck, nämlich zur Energieerzeugung einzusetzen und dadurch eine Primärenergiequelle zu ersetzen, die sonst für diesen Zweck hätte eingesetzt werden müssen. Wenn diese Voraussetzungen gegeben seien, komme es auf andere Kriterien wie den Heizwert der Abfälle (darauf hatten sich insbesondere die deutschen Behörden bezogen), den Schadstoffgehalt der verbrannten Abfälle oder die Frage der Vermischung der Abfälle nicht an. Die Bundesrepublik Deutschland habe daher gegen die Verordnung des Rates zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft verstoßen, da sie unberechtigte Einwände gegen bestimmte Verbringungen von Abfällen in andere Mitgliedstaaten zur Hauptverwendung als Brennstoff erhoben habe.

Insgesamt kann aus der Sicht der Geschäftsstelle des StGB NRW in Übereinstimmung mit dem DStGB zu den Urteilen des Europäischen Gerichtshofes zur Zeit folgendes angemerkt werden:

Die Urteile des Europäischen Gerichtshofs tragen nicht umfassend zur Klärung bestehender offener Rechtsfragen bei. Es wird zwar durch das Luxemburg-Urteil klargestellt, dass Hausmüll, der in Müllverbrennungsanlagen verbrannt wird, grundsätzlich Abfall zur Beseitigung darstellt und in die kommunale Überlassungspflicht fällt. Gleichwohl kann aus dem Urteil nur abgeleitet werden, dass eine Verbrennung von Abfällen dann eine Beseitigungsmaßnahme ist, wenn die Rückgewinnung der durch die Verbrennung erzeugten Wärme nur einen Nebeneffekt der Abfallentsorgungsmaßnahme darstellt und der Hauptzweck der Abfallentsorgungsmaßnahme nicht darin besteht, eine Primärenergiequelle zu ersetzen.

Da jedoch das EuGH-Urteil in Sachen „Belgische Zementfabriken“ eine Verbrennung von Abfällen auf geringem ökologischem Standard als Verwertung ansieht, ist es jedenfalls unverzichtbar bei den Abgas-Vorgaben schnellstens eine Angleichung der Standards für industrielle Mitverbrennungsanlagen an die hohen Standards der kommunalen Müllverbrennungsanlagen und damit eine Novellierung des Bundesimmissionsschutzrechts herbeizuführen. Die Kommunen benötigen für ihre Müllverbrennungsanlagen weiterhin dringend Rechts-, Kosten- und Planungssicherheit. Anderenfalls sind die Bürger wegen weiter wegbrechender Abfallmengen und daraus resultierend steigender Müllgebühren die Leittragenden. Denn in der Vergangenheit sind Müllverbrennungsanlagen mit strengen Abgaswerten nicht deshalb gebaut worden, damit Abfälle nunmehr in industriellen Anlagen mit geringeren Abgas-Vorgaben billiger mit verbrannt werden können.

Az.: II/2 31-02 qu/g

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