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StGB NRW-Mitteilung 282/1996 vom 20.06.1996

EUGH-Urteil zu Haftungsansprüchen gegen einen Mitgliedstaat

Der EUGH hat unter dem 05.03.1996, 96 C 145/01, eine bedeutende Entscheidung zu Haftungsansprüchen gegen Mitgliedstaaten der EU für Schäden, die dem einzelnen durch diesem Staat zuzurechnende Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, gefällt. Seine besondere Bedeutung liegt darin, daß durch die Entscheidung verschuldensunabhängige Direkthaftungsansprüche einer Einzelperson gegen den Mitgliedstaat wegen des Unterlassens der Umsetzung von EG-Recht begründet werden können.

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 05.03.1996 wird nachfolgend wegen seiner besonderen Bedeutung wörtlich wiedergegeben:

"1. Der Grundsatz, daß die Mitgliedstaaten zum Ersatz der Schäden verpflichtet sind, die dem einzelnen durch diesen Staaten zuzurechnende Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, ist auch dann anwendbar, wenn der zur Last gelegte Verstoß dem nationalen Gesetzgeber zuzuschreiben ist.

2. Ist ein Verstoß eines Mitgliedstaates gegen das Gemeinschaftsrecht dem nationalen Gesetzgeber zuzurechnen, der auf einem Gebiet tätig wird, auf dem er im Hinblick auf normative Entscheidungen über einen weiten Ermessensspielraum verfügt, so hat der Geschädigte einen Entschädigungsanspruch, sofern die verletzte gemeinschaftsrechtliche Vorschrift bezweckt, ihm Rechte zu verleihen, der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und zwischen diesem Verstoß und dem dem einzelnen entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht. Unter diesem Vorbehalt hat der Staat die Folgen des durch den ihm zuzurechnenden Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht entstandenen Schadens im Rahmen des nationalen Haftungsrechts zu beheben, wobei die im anwendbaren nationalen Recht festgelegten Voraussetzungen nicht ungünstiger sein dürfen als bei entsprechenden innerstaatlichen Ansprüchen; auch dürfen diese Voraussetzungen nicht so ausgestaltet sein, daß die Erlangung der Entschädigung praktisch unmöglich oder übermäßig erschwert ist.

3. Das nationale Gericht kann im Rahmen des von ihm angewandten nationalen Rechts den Ersatz des Schadens nicht davon abhängig machen, daß den staatlichen Amtsträger, dem der Verstoß zuzurechnen ist, ein Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) trifft, das über den hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht hinausgeht.

4. Der von den Mitgliedstaaten zu leistende Ersatz der Schäden, die sie dem einzelnen durch Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht verursacht haben, muß dem erlittenen Schaden angemessen sein. Soweit es auf diesem Gebiet keine Gemeinschaftsvorschriften gibt, ist es Sache der nationalen Rechtsordnung jedes Mitgliedstaats, die Kriterien festzulegen, anhand deren der Umfang der Entschädigung bestimmt werden kann, wobei diese Kriterien nicht ungünstiger sein dürfen als bei entsprechenden, auf nationales Recht gestützten Ansprüchen; auch dürfen sie keinesfalls so ausgestaltet sein, daß die Entschädigung praktisch unmöglich oder übermäßig erschwert ist. Eine nationale Regelung, die den ersatzfähigen Schaden generell auf die Schäden beschränken würde, die an bestimmten, besonders geschützten individuellen Rechtsgütern entstehen, wobei der entgangene Gewinn des einzelnen ausgeschlossen wäre, ist unvereinbar mitdem Gemeinschaftsrecht. Im übrigen muß besonderer Schadenersatz wie der im englischen Recht vorgesehene exemplarische Schadensersatz gewährt werden können, wenn er, gestützt auf das Gemeinschaftsrecht - gegebenenfalls auch in Form einer Klage - geltend gemacht wird, sofern ein solcher, auf nationales Recht gestützter Schadensersatz zugesprochen würde.

5. Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zum Ersatz der Schäden, die dem einzelnen durch diesen Staaten zuzurechnende Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, kann nicht auf die Schäden beschränkt werden, die nach Erlaß eines Urteils des Gerichtshofes, in dem der zur Last gelegte Verstoß festgestellt wird, eingetreten sind."

Az.: I/1 05-21 wi/gt

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