Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 286/2012 vom 07.05.2012

EU zur Freistellung kommunaler Energiewirtschaft vom Vergaberecht

Die EU-Kommission hat am 24. April 2012 einen Antrag auf Freistellung vom Vergaberecht für Energieversorgungsunternehmen, die als öffentliche Auftraggeber qualifiziert werden, positiv entschieden und damit eine erhebliche Erleichterung bei Beschaffungsvorgängen im Zusammenhang mit der Stromerzeugung aus konventionellen Quellen ermöglicht. Ab sofort sind alle Aufträge, die die Erzeugung und den Erstabsatz dieses Stroms betreffen, von der Anwendung des EU-Vergaberechts befreit. Als aus konventionellen Quellen erzeugter Strom gilt dabei der Strom, der nicht unter das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) fällt. Mit der Entscheidung entfallen für die betroffenen Unternehmen kosten- und zeitintensive Verfahren und Prüfungen bei der Vergabe von Aufträgen.

Hintergrund für die Freistellung ist eine Initiative des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) bei der EU-Kommission. Der BDEW hatte die Freistellung der Energieversorgungsunternehmen in Deutschland vom Vergaberecht für öffentliche Auftraggeber bei der Errichtung, dem Kauf und dem Betrieb von Stromerzeugungsanlagen sowie beim Stromgroßhandel beantragt. Im Folgenden wird eine Information des BDEW in dieser Sache wiedergegeben:

„Die EU-Kommission hat nun entschieden, dass die so genannte Sektorenrichtlinie (2004/17/EG) nicht für solche Aufträge zur Anwendung kommt, die von öffentlichen Auftraggebern vergeben werden und die Erzeugung und den Erstabsatz von aus konventionellen Quellen erzeugtem Strom in Deutschland ermöglichen sollen (Amtsblatt der Europäischen Union L 114/21 vom 26.4.2012). Sie ist mit ihrem Beschluss der Argumentation des BDEW-Antrags in ganz wesentlichen Teilen gefolgt. Mit dem BDEW-Antrag sollte erreicht werden, dass Energieversorgungsunternehmen, die als öffentliche Auftraggeber qualifiziert werden, bei der Vergabe von Aufträgen im Zusammenhang mit Stromerzeugungsanlagen nicht mehr dem strengen Regime des EU-Vergaberechts unterliegen. Damit entfallen kosten- und zeitintensive Verfahren und Prüfungen.

Im Unterschied zu kommunal dominierten Energieversorgern unterliegen Energieversorgungsunternehmen mit privatwirtschaftlicher Struktur nicht den Vorschriften des Vergaberechts. Die Befreiung öffentlicher, insbesondere kommunaler Unternehmen trägt somit auch zur Vereinheitlichung der Wettbewerbsbedingungen auf dem Stromerzeugungsmarkt bei.

Die Freistellung vom EU-Vergaberecht erfasst die gesamte Kette - von der Planung über die Errichtung und den Betrieb bis hin zum Rückbau einer Stromerzeugungsanlage. So sind ab sofort auf den genannten Leistungsstufen beispielsweise Auftragsvergaben im Zusammenhang mit Gaskraftwerken, Kohlekraftwerken oder sonstigen klassisch stromgeführten Kraftwerken vom EU-Vergaberecht befreit. Gleiches gilt für die Vergabe von Wartungsarbeiten, sonstigen Hilfstätigkeiten, (naturschutzrechtlichen) Begutachtungen und der Materialbeschaffung im Zusammenhang mit solchen Kraftwerken.

Da die Freistellung tätigkeitsbezogen ist, profitieren von ihr nicht nur die so genannten Sektorenauftraggeber, das heißt, private Unternehmen, die entweder durch öffentliche Auftraggeber beherrscht werden oder besondere und ausschließliche Rechte innehaben, sondern beispielsweise auch kommunale Unternehmen, soweit sie eine Sektorentätigkeit ausüben. Etwas anderes gilt nur in den Fällen, in denen etwa kommunale Unternehmen über das EU-Recht hinaus an haushaltsrechtliche Regelungen gebunden sind, die ihrerseits Ausschreibungspflichten vorsehen.

Der BDEW hatte seinen Antrag umfassend, das heißt, auch unter Einbeziehung der dem EEG unterfallenden Stromerzeugungsanlagen, gestellt. Die EU-Kommission hat in ihrem Beschluss indessen klargestellt, dass sie einstweilen nur die Voraussetzungen für eine Freistellung im Zusammenhang mit Aufträgen zur Erzeugung von Strom aus konventionellen Quellen sieht. Für ihren Beschluss definiert sie den „aus konventionellen Quellen erzeugten Strom“ als „Strom, der nicht unter das EEG fällt“, und zwar zunächst unabhängig von der Vergütung.

Der Begriff „erneuerbare Energien“ umfasst dabei ausweislich der Entscheidung der Kommission im Sinne des EEG und zu den darin festgelegten Bedingungen auch Wasserkraft. Hintergrund dieser Abgrenzung ist, dass nach Ansicht der EU-Kommission Anlagen, die dem EEG unterfallen, gegenwärtig noch keinem hinreichenden Wettbewerb unterliegen. Durch den Einspeisevorrang und die feste Einspeisevergütung gebe es keine Konkurrenz zu den konventionellen Stromerzeugungsanlagen, sodass es keinen einheitlichen Wettbewerbsmarkt gebe. Sie folgt damit der Argumentation des Bundeskartellamtes.

Der BDEW und die EU-Kommission wollen sich gemeinsam über eine Anwendungshilfe verständigen, um bei der praktischen Umsetzung der Freistellungsentscheidung ein Höchstmaß an Rechtssicherheit zu erzielen. Vorab hat der BDEW in einem FAQ-Katalog einige wesentliche Hintergrundfragen zu der Freistellungsentscheidung beantwortet.

Da die EU-Kommission ihrer Entscheidung die Annahme zweier getrennter Märkte zu Grunde gelegt hat, besteht für den BDEW die Möglichkeit, insbesondere bei Fortsetzung des positiven Trends einer Direktvermarktung von Strom aus EEG-Anlagen, zu einem späteren Zeitpunkt eine Befreiung auch für diese Anlagen zu beantragen.

Zudem wird der BDEW prüfen, für welche sonstigen Tätigkeitsfelder der Energie- und Wasserwirtschaft eine Befreiung vom EU-Vergaberecht in Betracht kommt.

Der Entscheidung der EU-Kommission vorausgegangen ist die vom BDEW im Jahr 2010 ergriffene Initiative, die Voraussetzungen und die Erfolgsaussichten einer Freistellung zu prüfen. Hierzu hatten die Lenkungskreise Recht und Betriebswirtschaft des BDEW zunächst eine Projektgruppe eingerichtet. Die Arbeiten der Projektgruppe wurden im Folgenden durch Rechtsanwalt Robert Klotz, mittlerweile Partner der Kanzlei Mayer Brown in Brüssel, unterstützt, der im Rahmen eines Gutachtens noch einmal die Erfolgsaussichten für einen Befreiungsantrag dargestellt hat. Auf der Grundlage der Vorarbeiten der Projektgruppe fanden sodann intensive Gespräche mit der EU-Kommission, dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Bundeskartellamt statt. Auf diese Weise konnte der BDEW die einzelnen Beteiligten bereits frühzeitig für sein Vorhaben gewinnen und dem Antrag zum Erfolg verhelfen.“

Der Beschluss der Europäischen Kommission kann im Internet unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2012:114:0021:0027:DE:PDF abgerufen werden.

Az.: II/3 811-00/1

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