Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 401/2015 vom 29.06.2015

EU-Verträglichkeit von Gebührenordnungen für freie Berufe

Die Europäische Kommission hat am 18. Juni 2015 gegen sechs Mitglieder, darunter Deutschland, Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Die Kommission wirft Deutschland u.a. vor, dass die Gebührenordnung für Architekten und Ingenieure und damit die HOAI — ebenso wie Gebührenordnungen für die Steuerberater — gegen das EU-Recht verstößt. Insbesondere würden gesetzliche Mindestsätze der EU-Dienstleistungsrichtlinie zuwiderlaufen und die Dienstleistungsfreiheit im EU-Binnenmarkt behindern.

Im Hinblick auf die Gebührenordnungen und damit auch die deutsche HOAI macht die EU-Kommission geltend, dass die dort verbindlich vorgesehene Einhaltung der Mindestsätze nicht zur Sicherung hoher Qualitätsstandards nötig sei. Stattdessen verhindere die HOAI, dass die „Verbraucher“ (Anmerkung: Hierzu gehören im Bereich der HOAI in der Regel „nur“ die öffentlichen Hände und damit auch die Kommunen), die Leistungen zu günstigeren Preisen in Anspruch nehmen können. Die Kommission fordert daher die entsprechenden Mitgliedstaaten auf, die verbindlichen Mindestpreise für Architekten, Ingenieure und Steuerberater in Deutschland aufzuheben.

Weiteres Vorgehen

Mit dem jetzt erfolgten Aufforderungsschreiben gegenüber der Deutschen Bundesregierung hat die EU-Kommission den ersten Schritt in einem Vertragsverletzungsverfahren vorgenommen. Das Aufforderungsschreiben stellt ein offizielles Auskunftsersuchen dar. Jetzt hat Deutschland zwei Monate Zeit, um auf die Argumente der Kommission zu reagieren und die Mindestsätze der HOAI gegenüber der Kommission zu rechtfertigen. Ist die EU-Kommission von den Argumenten Deutschlands nicht überzeugt, kann sie den Europäischen Gerichtshof anrufen und Deutschland verklagen. Im vorliegenden Fall hatte es zwischen der Bundesregierung und der EU-Kommission bereits im Vorfeld intensive Gespräche gegeben.

Anmerkung

Da die EU-Kommission jetzt ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat, ist davon auszugehen, dass die deutsche Regierung bisher in ihren Gesprächen keine überzeugenden Argumente für die Beibehaltung der HOAI in ihrer jetzigen Form vorbringen konnte. Somit muss davon ausgegangen werden, dass die Bundesregierung an einer Flexibilisierung der bisherigen Vorgaben der HOAI nicht vorbeikommt. Als zu vernehmendes Angebot der deutschen Seite steht im Raum, die Gebührenordnung nur noch auf Inländer anzuwenden oder zu erlauben, dass die Mindestgebühren in besonderen Fällen unterschritten werden dürfen. Ob hiermit aber den Bedenken der EU-Kommission Rechnung getragen werden kann, bleibt abzuwarten.

Der DStGB hatte sich in der Vergangenheit zwar einerseits stets für die Durchführung eines Qualitätswettbewerbs bei der kommunalen Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen ausgesprochen. Dem entspricht es auch, dass die neuen EU-Richtlinien in Art. 67 Abs. 2b VRL vorsehen, dass insbesondere die Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals dann als Zuschlagskriterien gelten können, wenn die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann. Dies ist aber in der Regel bei der Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen der Fall.

Der DStGB hat aber andererseits betont, dass der die zwingenden Honorarvorgaben der HOAI und auch die Mindestsätze kritisch zu sehen sind. Insofern ist zum einen zu bedenken, dass Deutschland mit seiner Gebührenordnung für Architekten und Ingenieure in den 28 Mitgliedstaaten der EU nahezu allein dasteht und umgekehrt nicht gerade behauptet werden kann, dass etwa in den skandinavischen Ländern oder den Benelux-Staaten schlechter oder mit geringerer Qualität geplant oder gebaut wird.

Zum anderen ist die HOAI trotz ihrer Vorgabe eines verbindlichen Preisrechts ein Regelungswerk, das nahezu nur gegenüber den öffentlichen Auftraggebern und damit auch den Kommunen zur Anwendung gebracht wird. Demgegenüber wird die HOAI von privaten Auftraggebern in ihrer stringenten Form oftmals kaum oder nicht angewandt. Die zwingende Kopplung einer qualitätsvollen Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen an das Preisrecht der HOAI und auch an die Mindestsätze ist daher in der jetzt vorgegebenen stringenten Form nicht ohne weiteres nachvollziehbar.

Az.: II/1 603-11

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