Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 194/2015 vom 02.03.2015

EU-Handelskommissarin zu Abkommen TTIP und CETA

Auf einer Konferenz im Willy-Brandt-Haus diskutierte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel mit EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström unter dem Motto „Transatlantischer Freihandel - Chancen und Risiken“. Gabriel betonte, dass der Freihandel nicht das Recht auf kommunale Selbstverwaltung in irgendeiner Weise einschränken dürfe. Handelskommissarin Malmström versicherte, dass Ziel der Abkommen nicht die Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen sein werde und dass es jederzeit möglich sein müsse, einmal privatisierte Dienstleistungen in den öffentlichen Bereich zurückzuholen.

Unterdessen wurde eine Positionierung der sozialdemokratischen EU-Handelsminister zu privaten Schiedsgerichten publik, wonach bei derartigen Abkommen private Schiedsgerichte durch einen Handelsgerichtshof ersetzt werden sollen. Dies wird sowohl für das bereits ausverhandelte Abkommen CETA mit Kanada als auch für das derzeit verhandelte TTIP-Abkommen mit den Vereinigten Staaten angestrebt.

Wesentliche Aussagen

Bundeswirtschaftsminister Gabriel warb gleich zu Beginn seiner Rede für das TTIP-Abkommen. Er machte deutlich, dass die in dem Abkommen vereinbarten Standards Vorbild für eine künftige Welthandels-Architektur sein können. Gabriel hob hervor, dass es allerdings keinen Angriff auf existierende Regeln geben dürfe. In diesem Sinne dürften Verbraucherschutzrechte, Arbeitnehmerrechte, Umweltstandards sowie soziale Rechte nicht unter Druck gesetzt werden. Dies bezog er auch ausdrücklich auf das Recht auf kommunale Selbstverwaltung. Dies dürfe durch Freihandelsabkommen nicht in irgendeiner Art eingeschränkt werden.

Zu dem Thema hatte Gabriel bereits anlässlich einer Sitzung des beim Bundeswirtschaftsministerium existierenden Beirates zum TTIP Stellung bezogen. Er erklärte, dass es für den Bereich der Daseinsvorsorge eine besondere Regelung geben werde, die eine weitere Marktöffnung gegenüber den USA ausschließe. Das bedeutete, dass keine Verpflichtung zur Privatisierung geschaffen werde und die Kommunen auch dort, wo keine Monopole bestehen, unverändert ihre Aufgaben wahrnehmen können. Auch der Spielraum für künftige Maßnahmen - etwa für Rekommunalisierungen im Bereich der Daseinsvorsorge - bleibe erhalten.

Gabriel hob des Weiteren hervor, dass die Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten (ISDS) ein Instrument der Vergangenheit sei, das nicht ohne Weiteres in die Zukunft übertragbar sei. Vor diesem Hintergrund verwies er auf den Vorstoß der sozialdemokratischen Handelsminister (dazu siehe im Einzelnen unten).

Malmström verwies darauf, dass öffentliche Dienstleistungen durch die Handelsabkommen keinem Privatisierungszwang unterliegen würden. Dies gelte auch für den Fall einer erfolgten Privatisierung: Hier müsse die Rückholbarkeit einer öffentlichen Dienstleistung in den öffentlichen Bereich sichergestellt sein. Mit Blick auf die bekannt gewordenen Vorschläge zum ISDS sagte sie, dass diese auf einer Linie mit dem seien, was derzeit innerhalb der Europäischen Kommission diskutiert werde.

Der Vorsitzende des Handelsausschusses des Europäischen Parlaments, Bernd Lange, verwies auf eine bereits existierende Resolution des Europäischen Parlaments gegen den Investorenschutz aus dem Jahr 2011. Mit Blick auf das bereits ausverhandelte CETA-Abkommen mit Kanada machte Lange deutlich, dass er auch diesbezüglich noch Nachbesserungsmöglichkeiten sehe, da dies Abkommen „noch nicht fertig und noch nicht unterschrieben“ sei. In diesem Zusammenhang verwies er auf das ACTA-Abkommen, das vom Europäischen Parlament abgelehnt worden ist. Eine mögliche Kompromisslinie könne sein, Handelsabkommen auf die Themen zu beschränken, über die ein Konsens hergestellt werden kann.

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, machte ebenfalls deutlich dass er auch im Fall des CETA-Abkommens noch die Möglichkeit für Verhandlungen bzw. Nachverhandlungen sehe. Auch er verwies in diesem Zusammenhang auf das abgelehnte ACTA-, aber auch auf das zwischenzeitlich vom EP abgelehnt SWIFT-Abkommen. Als größtes Problem bei den Handelsabkommen machte Schulz die mangelnde Transparenz aus. Diese gehe allerdings auf die ausdrückliche Positionierung der EU-Mitgliedstaaten zurück.

Öffentliche Dienstleistungen

In einem anschließenden speziellen „Hearing“ zu den Themen öffentliche Dienstleistungen und Kultur mit Marko Düerkop, dem Verhandlungsführer der EU-Kommission zum Dienstleistungsbereich beim TTIP, wurden die juristischen Feinheiten und Schwierigkeiten bei einem wirksamen Ausschluss der öffentlichen Daseinsvorsorge aus den Handelsabkommen offenbar: Zwar verwies Düerkop darauf, dass über die Annexe I und II des CETA-Abkommens ein Zwang zur Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen ausgeschlossen und die Rückholbarkeit von privatisierten Dienstleistungen ins öffentliche Regime möglich sei.

Allerdings wurde auch deutlich, dass ein erheblicher Interpretationsspielraum und damit auch erhebliche Rechtsunsicherheiten bei der Frage bestehen, ob die in dem Abkommen vorgesehenen Schutzmechanismen dies rechtlich absichern. Grund für die existierenden Unsicherheiten ist nicht zuletzt die komplizierte Systematik des CETA-Abkommens, die auch beim TTIP Abkommen zur Anwendung gelangen soll. Bisher galten die Verpflichtungen derartiger Abkommen nur für die darin explizit aufgezählten Bereiche (Positivlistenansatz). Dieser Ansatz wurde jedoch durch das CETA-Abkommen teilweise umgekehrt. CETA erstreckt sich vom Grundsatz her auf alle Bereiche, die nicht ausdrücklich davon ausgenommen sind (sog. Negativlistenansatz).

Zur damit verbundenen Frage, ob dadurch Dienstleitungen der Daseinsvorsorge ausreichend vor einem Zwang zur Privatisierung geschützt sind, tritt die Unsicherheit, ob die Abkommen künftige Entwicklungen im Bereich der Daseinsvorsorge behindern und eingrenzen. Neue gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen brauchen einen angepassten Rechtsrahmen, um auf verändernde technologische Entwicklungen reagieren zu können. In der Diskussion konnte der Zweifel nicht ausgeräumt werden, ob dies im Rahmen der im CETA-Abkommen vereinbarten Regeln möglich ist.

Vorschlag zu ISDS

In den Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) und mit den Vereinigten Staaten (TTIP) ist insbesondere die Frage umstritten, ob es neben der staatlichen Gerichtsbarkeit auch privater Schiedsgerichte bedarf und wenn ja, ob die dazu existierenden Regeln nicht einer Überarbeitung bedürfen. In diese Richtung geht nun ein Vorschlag der sozialdemokratischen EU-Handelsminister vom letzten Wochenende. Danach ist vorgesehen, dass an die Stelle von privaten Schiedsgerichten ein Investitionsgerichtshof tritt.

Die Richter sollen aus einem Pool von hochqualifizierten Juristen der Vertragsstaaten berufen werden und soweit möglich qualifizierte Berufsrichter und Wissenschaftler umfassen. Die Investoren müssen sich entscheiden, ob sie vor einem nationalen Gericht oder vor einem Schiedsgericht klagen. Auch soll das Prinzip gelten, dass die unterlegene Partei die Kosten des Verfahrens trägt, um die Zahl der Verfahren zu minimieren. Auch soll das Ändern von Gesetzen keinen Klagegrund darstellen. Es soll eine Berufungsmöglichkeit geben, wenn die Investoren in einem Verfahren Recht bekommen.

Az.: II/3 809-00

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