Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 165/2013 vom 13.02.2013

EU-Binnenmarktausschuss zur Vergabe- und Konzessionsrichtlinie

Der federführende Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz des EU-Parlaments hat am 24.01.2013 über die „EU-Konzessionsrichtlinie“ und damit über die Kompromissanträge für den Berichtsentwurf des französischen Berichterstatters Philippe Juvin (EVP) abgestimmt. Bereits am 18.12.2012 hatte der Ausschuss über die EU-Richtlinie zum allgemeinen Vergaberecht des belgischen Berichterstatters Marc Tarabella (S&D) abgestimmt.

Die kommunalen Spitzenverbände und der VKU hatten vor der Abstimmung am 24. Januar in einem Schreiben vom 09.01.2013 an alle deutschsprachigen Mitglieder der binnenmarkt- und wettbewerbsrelevanten Ausschüsse des EU-Parlaments nochmals ihre Positionen zur EU-Konzessionsrichtlinie dargelegt. Aufgrund dieser Forderung und der am 24.01.2013 erfolgten mehrheitlichen Abstimmung im Binnenmarktausschuss (IMCO) lässt sich auf Basis der bisher nur englisch-sprachig vorliegenden Texte folgendes zusammenfassen:

1. Rettungsdienste (Zivil- und Katastrophenschutz) und Kommunalkredite vom Anwendungsbereich der Richtlinien ausgenommen


Als Erfolg für die kommunale Seite kann angesehen werden, dass von den Parlamentariern in den Beratungen sowohl am 18.12.2012 als auch vom 24.01.2013 eine Bereichsausnahme von der allgemeinen Richtlinie und auch von der Konzessionsrichtlinie für (Notfall-)Rettungs­dienste des Zivil- und Katastrophenschutzes vorgenommen wurde. Insoweit hatten bereits die kommunalen Spitzenverbände stets in ihren Schreiben darauf hingewiesen, dass die bestehenden kommunalen Rettungsdienststrukturen nicht durch eine einseitig am Kriterium der Wirtschaftlichkeit orientierte Ausschreibung ausgehöhlt werden dürfen.

Aus Art. 8 Abs. 5 i. V. m. Erwägungsgrund 13b (neu) ergibt sich nunmehr das „energency ambulance services, which should be defined as separate from patient transport ambulance services“  auch künftig „nur“ dem EU-Primärrecht, nicht aber dem EU-Vergaberecht, unterfallen sollen. Wie der Wortlaut der Norm aber zeigt sind in Abgrenzung zur „Notfallrettung“ die allgemeinen Dienste des „Krankentransports“ von der der Richtlinie und damit vom Vergaberecht erfasst. 

Im Übrigen sind in beiden Richtlinien nunmehr die Kommunalkredite ausgenommen worden. Dies ist uneingeschränkt positiv.

2. Interkommunale Zusammenarbeit und In-House-Vergaben 

Sowohl in Bezug auf die allgemeine EU-Vergaberichtlinie als auch in Bezug auf die Konzessionsrichtlinie haben die Parlamentarier bezüglich des zweiten „Teckal-Kriteriums“ einer „wesentlichen Tätigkeit für den oder die öffentlichen Auftraggeber“ festgelegt, dass dieses Kriterium nur im Falle einer Erwirtschaftung von mindestens achtzig Prozent des Gesamtumsatzes in Bezug auf den Auftrags- beziehungsweise Konzessionsgeber vorliegt.

Im Übrigen soll die horizontale interkommunale Zusammenarbeit für öffentliche Aufträge unter folgenden Bedingungen ausschreibungsfrei möglich sein:

  • Die Vereinbarung begründet eine echte Zusammenarbeit zwischen den beteiligten öffentlichen Auftraggebern oder Vergabestellen mit dem Ziel, ihre öffentlichen Aufgaben gemeinsam wahrzunehmen und umfasst wechselseitige Rechte und Pflichten der Parteien zum Zwecke der Erbringung einer gemeinsamen öffentlichen Dienstleistung.
  • Die Vereinbarung wird nur durch Überlegungen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Interesse bestimmt.
  • Es besteht keine private Beteiligung an den involvierten öffentlichen Auftraggebern oder Vergabestellen, mit Ausnahme von privaten Beteiligungen, die gesetzlich vorgeschrieben sind in Übereinstimmung mit den Verträgen und die keinen Einfluss auf die Entscheidungen der kontrollierenden Behörden oder Einheit ausübt.

Für Dienstleistungskonzessionen ist darüber hinaus zu beachten, dass die beteiligten öffentlichen Auftraggeber oder Vergabestellen umsatzbezogen nicht mehr als zwanzig Prozent des sich aus der Erfüllung der Vereinbarung ergebenden Umsatzes auf dem offenen Markt ausüben.

Im Bereich der allgemeinen EU-Vergaberichtlinie ist ferner positiv zu vermerken, dass eine zusätzliche Ausnahmeregelung zugunsten der horizontalen interkommunalen Zusammenarbeit durchgesetzt wurde. Demnach soll die EU-Richtlinie keine Anwendung finden auf Vereinbarungen zwischen mehreren öffentlichen Auftraggebern oder Gruppen von Auftraggebern, die im Rahmen einer internen institutionellen Verwaltungsorganisation eines Mitgliedsstaates entsprechend des anwendbaren nationalen Rechts zusammenarbeiten, bei denen die Zuständigkeit oder aber die öffentliche Aufgabenerledigung zwischen den Parteien übertragen wird.

Diese Konstellation ermöglicht einer Kommune die Erledigung einer öffentlichen Aufgabe für eine andere Kommune. Beispielhaft sei auf die in der Praxis klassischen Fälle der interkommunalen Zusammenarbeit wie beim Winterstreudienst, Gehälterabrechnungen oder dem Betrieb eines Bauhofs hingewiesen. Die vorstehende Präzisierung wurde leider im Bereich der Konzessionsrichtlinie nicht umgesetzt. Insoweit besteht hier noch Nachbesserungsbedarf.

3. Wasserdienstleistungen und Vergaberecht

a) Wahlfreiheit der Kommunen bleibt erhalten

Eine vollständige — ähnlich wie bei den (Notfall-)Rettungsdienst­lei­stungen und den Kommunalkrediten— von den kommunalen Spitzenverbänden und dem VKU primär geforderte Ausnahme des Wasserbereichs aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie ist von den Abgeordneten mehrheitlich nicht beschlossen worden. Jedoch bleibt es nach wie vor bei der Wahlfreiheit, ob eine Kommune die Aufgabe der Wasserversorgung selbst oder durch eine vergaberechtsfreie In-House-Vergabe bzw. durch eine reine und dann auch vergaberechtsfreie interkommunale Zusammenarbeit mit anderen Kommunen durchführt.

b) „Wesentlichkeitskriterium“

In der Diskussion am 24.01.2013 stand maßgeblich das sogenannte „Wesentlichkeitskriterium“ als zweite Voraussetzung neben dem „Kontrollkriterium“ (In-house-Geschäfte) für die Vergaberechtsfreiheit im Mittelpunkt. Danach sollen künftig grundsätzlich bei einer Tätigkeit einer Einrichtung im Bereich der Wasserversorgung ab 20 % des Geschäfts außerhalb der eigenen Grenzen (Gemeinde, Zweckverband, - gemeinsames - kommunales Unternehmen) die  Dienstleistungen ausgeschrieben werden.

Insoweit hat der binnenmarktpolitische Sprecher der EVP-Fraktion, MdEP Dr. Andreas Schwab, in einem Schreiben vom 24.01.2013 an den Präsidenten des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Christian Schramm, auf eine neue Formulierung in dem Erwägungsgrund 14a hingewiesen. Hierin heißt es:

„Recital14a (neu): (…) Indeed, under Article 11, for an affiliated undertaking to be exempted, 80% of its average total turnover has to derive from its activities with members of the economic group they belong to, directly to them or to citizens on behalf of them.
(…)”

Kritisch an dieser Formulierung ist zu sehen, dass danach die Bürgerschaft (Citizens) zwar zu dem Wasserversorgungsbereich (Gemeinde, Zweckverband, Kommunalunternehmen etc.) gerechnet wird, dies aber zumindest nach dem Wortlaut nicht für die Versorgung der örtlichen Wirtschaft mit Wasserversorgungsleistungen durch die „kommunale Einrichtung“ gelten soll. Dies ist nicht hinnehmbar, da auch der jeweilige kommunale Wasserversorger für die örtliche Wirtschaft und nicht nur für die jeweilige Bürgerschaft die Aufgabe der Daseinsvorsorge wahrnimmt. Insoweit bedarf es einer Klarstellung.

c) Übergangsfrist bis 2020 für Mehrspartenstadtwerke

Für die ca. 800 in Deutschland als sogenannte Mehrspartenstadtwerke betriebenen Stadtwerke ist das vorgeschlagene Wesentlichkeitskriterium (80 % der Tätigkeiten in den „eigenen Grenzen“) dann nicht zu erfüllen, wenn diese Stadtwerke — wie häufig — vor allem auch Aufgaben der liberalisierten Energieversorgung mit übernehmen. Insoweit übertrifft der Umsatz, der mit der liberalisierten Energieversorgung erzielt wird, den Umsatz bei der Wasserversorgung regelmäßig um ein Mehrfaches.

Hier hat die Abstimmung im EU-Binnenmarktausschuss keine inhaltlichen Verbesserungen gebracht. Insoweit soll die oben unter b) wiedergegebene Neuregelung (14a neu) auch nur für eine Übergangszeit bis 2020 gelten, um den Mehrspartenunternehmen die Möglichkeit zu geben, ihre innere Struktur an die Voraussetzungen der Richtlinie anzupassen. Bis dahin wären die auf dem Gebiet der eigenen Kommunen tätigen Mehrspartenunternehmen vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen und müssen sich bis 2020 neu organisieren (Herausnahme des Wasserbereichs in eine eigene Sparte). Dennoch bleibt auch die bis 2020 vorgesehene Regelung zu eng, weil sie vom Wortlaut nur die eigene Bürgerschaft,  nicht aber die lokale Wirtschaft erfasst.

4. Weiteres Vorgehen

Inwieweit im weiteren Verfahren ein sogenanntes Trilog zwischen dem EU-Ministerrat, der EU-Kommission und dem Parlament stattfindet ist noch nicht entschieden. Der Termin für die Plenarsitzung im EU-Parla­ment zu den Richtlinien wird voraussichtlich im Mai 2013 sein.

5. Kurzbewertung

Die Wahl der Kommunen, die Aufgabe der Wasserversorgung eigenständig oder durch ihre eigenen Unternehmen vergaberechtsfrei unter Beachtung der Wesentlichkeitskriterien (80 % zu 20 %) durchzuführen, wird durch die Konzessionsrichtlinie nicht berührt. Allerdings sind die bis 2020 formal geforderten und auch vorzunehmenden Ausgründungen der Wassersparte aus den Mehrspartenunternehmen (Stadtwerken) als rein organisatorischer Akt nicht nachvollziehbar.

Gleichzeitig darf sich der Richtlinienvorschlag nicht von den weiteren Voraussetzungen einer vergaberechtsfreien interkommunalen Kooperation, wie sie insbesondere durch die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache „Stadtreinigung Hamburg“ vorgegeben worden sind, entfernen. Dies gilt auch für dem jetzt vorgeschlagenen neuen Erwägungs­grund 14a der Richtlinie mit seiner Begrenzung auf die „Bürger“. Positiv ist demgegenüber die von den kommunalen Spitzenverbänden geforderte Herausnahme der (Notfall-)Rettungsdienste sowie der Kommunalkredite aus dem Anwendungsbereich des Vergaberechts.

6. Hinweis auf eine europäische Bürgerinitiative „Wasser ist ein Menschenrecht“

Hinzuweisen bleibt noch ergänzend auf eine aktuelle und auch über die Medien bekannt gewordene „europäische Bürgerinitiative“ (EBI) „Wasser ist ein Menschenrecht“. Diese primär aus der Verbrauchersicht herrührende Initiative geht weit über die Diskussion der EU-Konzessionsrichtlinie hinaus. Mit einigen ihrer Ziele („Wasser ist vom Geltungsbereich der Binnenmarktvorschriften auszunehmen, Wasser ist nicht zu liberalisieren, öffentlich-öffentliche Partnerschaften sind zu fördern, Wasser ist keine Handelsware“) stimmt die Initiative zwar mit den kom­mu­nalen Forderungen überein.

Dennoch hat die Initiative mit ihren Gesamtzielen, den konkreten Initiatoren und auch vom Ansatz her (Verbraucherschutz) einen gegenüber den ureigenen kommunalen Belangen anderen Hintergrund. Zwecks näherer Information wird auf die Homepage der „Bürgerinitiative“ http://www.right2water.eu/de/node/37/view verwiesen.

Az.: II/1 608-50

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