Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 405/2003 vom 23.04.2003

EU-Beschwerdeverfahren wegen § 13 KrW-/AbfG

Nach Mitteilung des Deutschen Städte- und Gemeindebundes läuft bei der Europäischen Kommission (Generaldirektion Umwelt) ein Beschwerdeverfahren (Nr. 2000/4769) zur Vereinbarkeit des § 13 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) mit dem Europäischen Recht. Das Bundesumweltministerium hat mit Schreiben vom 07. April 2003 die Bundesländer über das Beschwerdeverfahren bei der EU-Kommission in Kenntnis gesetzt und darum ersucht, Auskunft über die jeweiligen Landesabfallgesetze und kommunalen Abfallsatzungen zu geben. Im Einzelnen: Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG sind die privaten Haushaltungen abweichend von § 5 Abs. 2 (Pflicht zur Verwertung von Abfällen) und § 11 Abs. 1 KrW-/AbfG (Pflicht zur Beseitigung von Abfällen) zwingend verpflichtet, ihre Abfälle den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern (in: Nordrhein-Westfalen: kreisangehörige Städte und Gemeinden für das Einsammeln und Befördern der Abfälle; Landkreise für die Entsorgung der Abfälle) zu überlassen, soweit sie zu einer Verwertung nicht in der Lage sind oder diese nicht beabsichtigen. Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG gilt, dass für Abfälle, die durch gewerbliche Sammlung einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt werden, keine Abfallüberlassungspflicht an die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger besteht, wenn der gewerbliche Sammler den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung nachweist und keine überwiegende öffentliche Interessen der gewerblichen Sammlung entgegenstehen.

Der Europäischen Kommission (Generaldirektion Umwelt) liegt eine anonyme Beschwerde vor, wonach in einer nicht genannten deutschen Stadt einem gewerblichen Sammler die Sammlung von Altpapier aus privaten Haushaltungen unter Hinweis auf die Abfallüberlassungspflicht nach § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG untersagt worden sei. Der gewerbliche Sammler wollte das gesammelte Altpapier zur Verwertung in die Niederlande verbringen. Mangels weiterer Anhaltspunkte durch den Beschwerdeführer beabsichtigt die EU-Kommission nicht, in diesem Fall ein Verfahren wegen des Verstoßes gegen das EU-Gemeinschaftsrecht anzustrengen. Dieser Einzelfall führte jedoch zu einer Überprüfung der deutschen Rechtslage hinsichtlich der Vorschriften zur Sammlung von Abfällen zur Verwertung aus privaten Haushaltungen durch die EU-Kommission. Nach dieser Prüfung kommt die EU-Kommission zu der Beurteilung, dass in Deutschland EU-rechtswidrige Ausfuhrhindernisse für Abfälle zur Verwertung aus privaten Haushaltungen bestehen könnten. Es wird in diesem Zusammenhang auf das Urteil des EuGH v. 23. Mai 2000 (sog. „Kopenhagen-Urteil“ – C-209/98) hingewiesen, wonach eine Gemeindesatzung, welche zugelassene Zwischenhändler daran hindert, sich an der Einsammlung von Abfällen zu beteiligen, um diese in anderen Mitgliedstaaten zu verkaufen, ein Ausfuhrhindernis darstellt, so dass ein Verstoss gegen Art. 29 EG-Vertrag (Warenverkehrsfreiheit) vorliegt. Weiterhin könne auch ein Verstoss gegen die Verordnung (EWG) Nr. 259/93 des Rates vom 01. Februar 1993 (sog. EG-Abfallbringungsverordnung) vorliegen. Nach Auffassung der EU-Kommission könnten die Vorschriften des § 13 Abs. 1 KrW-/ AbfG insbesondere i.V.m. § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG einer rechtlichen Überprüfung hinsichtlich EG-Vereinbarkeit standhalten. Bei einer stichprobenartigen Überprüfung der Abfallsatzungen von Gebietskörperschaften seien in fast allen Bundesländern Vorschriften aufgefallen, wonach alle Abfälle von Privathaushalten ohne Ausnahme den lokalen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern überlassen werden müßten. Daraus ergibt sich nach der EU-Kommission der Eindruck, dass viele deutsche Kommunen die Ausfuhr von Abfällen aus privaten Haushalten, insbesondere von Abfällen zur Verwertung, aktiv behindern würden, wenn nicht sogar verhindern würden. Die EU-Kommission möchte deshalb von der Bundesrepublik Deutschland nähere Darlegungen erhalten und hat hierzu eine Frist von 2 Monaten gesetzt.

Aus Sicht der Geschäftsstelle des StGB NRW ist die Beschwerde bei der EU-Kommission bezogen auf das Bundesland Nordrhein-Westfalen nicht nachvollziehbar. Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG kann ein privates Abfallentsorgungsunternehmen als gewerblicher Sammler Abfälle zur Verwertung aus privaten Haushaltungen einsammeln. Voraussetzung hierfür ist, dass für die gewerbliche Sammlung von z.B. Altpapier gegenüber den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern (Stadt/Gemeinde und Landkreis) der Nachweis einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung des eingesammelten Altpapiers erbracht wird und keine überwiegend öffentlichen Interessen entgegenstehen. Dabei sind die in § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG angesprochenen überwiegenden öffentlichen Interessen dahin zu verstehen, dass durch eine gewerbliche Sammlung von Abfallen zur Verwertung wie z.B. Altpapier bestehende kommunale Sammelsysteme für Altpapier im Interesse einer flächendeckenden kommunalen Grundversorgung und sozialverträglichen Gestaltung der Abfallgebühren nicht beeinträchtigt werden dürfen. Diese Sichtweise findet sich jedenfalls in einem Beschluß des Verwaltungsgerichtes Frankfurt vom 23.5.1997 (Az.: 9 G 1205/97 (V), NVWZ-1998, S. 167 f.) wieder. Nach dem VG Frankfurt findet die freie wirtschaftliche Betätigung privater Entsorgungsunternehmen ihre Grenze darin, dass die öffentliche Hand durch die entsorgungspflichtigen Körperschaften vom Grundsatz her jederzeit auch zukünftig in der Lage sein muss, eine ordnungsgemäße Abfallverwertung und -beseitigung sicherzustellen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Altpapierverwertung auch Erlöse abwerfen kann und damit die Kosten der Abfallentsorgung insgesamt vermindert werden können. In diesem Zusammenhang könnten gewerbliche Sammlungen zumindestens dann überwiegende öffentlichen Interessen i.S.d. § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG entgegenstehen, wenn durch sie eine flächendeckende, jederzeit verfügbare und dauerhafte öffentliche Abfallentsorgung nicht mehr gewährleistet werden kann, d.h. die Funktionsfähigkeit der kommunalen Abfallentsorgungseinrichtung beeinträchtigt wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die kommunale Abfallentsorgung für jedes Grundstück zu gewährleisten ist, auch wenn dieses nicht "verkehrs- und kostengünstig" gelegen ist, d.h. der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger muss eine geordnete Abfallentsorgung für sein gesamtes Zuständigkeitsgebiet zu vertretbaren und zumutbaren Kosten für die Benutzer gewährleisten (vgl. Kunig in: Kunig/Paetow/Versteyl, KrW-/AbfG, Kommentar, 2. Aufl. 2003 § 13 Rz. 37; Schink, NVWZ 1997, S. 435 ff., S. 442; Queitsch, Abfallrechtliche Praxis 1999, S. 91 ff., S. 95). Insgesamt ist danach eine gewerbliche Sammlung z.B. von Altpapier durch einen privaten Abfallunternehmer nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG erst dann möglich, wenn neben dem Nachweis der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung gegenüber der Stadt/Gemeinde und dem zuständigen Landkreis auch keine überwiegenden öffentlichen Interessen entgegenstehen. Ist dieses insgesamt nicht der Fall, so entfällt die Abfallüberlassungspflicht nach § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG auch für private Haushaltungen.
Diese Regelungssystematik findet sich auch in § 7 der Muster-Abfallsatzung des StGB NRW (Stand: 17.9.2002) unter der Überschrift „Ausnahmen vom Benutzungszwang“ und unter Hinweis auf § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG wieder. Von daher ist kein gewerblicher Abfallsammler gehindert, eine gewerbliche Abfallsammlung zu betreiben, wenngleich sich wenige Abfallbesitzer/-erzeuger (z.B. Grundstückseigentümer, Mieter, Pächter) z.B. gegen Entgelt bereit finden werden, ein Altpapiergefäß eines gewerblichen Sammlers in Benutzung zu nehmen, wenn sie bei der Stadt/Gemeinde die Altpapiererfassung „kostenfrei“ (aber abgerechnet über die Einheitsgebühr bezogen auf das Restmüllgefäß) erhalten. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 10.11.1998 (Rechtssache Arnhem C – 360/96) ausdrücklich herausgestellt hat, dass das Abholen und die Behandlung von Haushaltsabfällen unbestreitbar eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe sei. Daher gehöre diese Aufgabe zu denjenigen Aufgaben, die ein Staat von Behörden wahrnehmen lassen könne oder auf die der Staat einen entscheidenden Einfluss behalten möchte.

Vor diesem Hintergrund bittet die Geschäftsstelle die Mitgliedsstädte/-gemeinden, bis zum 30. April 2003 ihre Abfallentsorgungssatzungen zu übersenden, damit diese gegebenfalls zwecks weiterer Prüfung an die EU-Kommission weitergeleitet werden können.

Az.: II/2 31 - 02

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