Mitteilungen - Verband Intern

StGB NRW-Mitteilung 594/1998 vom 05.11.1998

Erwartungen der Städte und Gemeinden an Bundestag und Bundesregierung

Eckpunkte des Deutschen Städte- und Gemeindebundes vom 1.10.1998

1. Wer bestellt, muß bezahlen! Das Konnexitätsprinzip einführen!

2. Die Städte und Gemeinden am Gesetzgebungsverfahren wirksam beteiligen!

3. Mit einer Gemeindefinanzreform die Zukunft der Städte und Gemeinden sichern!

4. Standards und Bürokratie abbauen! Schlanker Staat nur mit schlanken Gesetzen!

5. Die kommunale Selbstverwaltungshoheit in den Europäischen Verträgen absichern!

6. An der nationalen Umsetzung des Stabilitätspaktes die Kommunen beteiligen!

7. Durch eine aktive Arbeitsmarktpolitik und durch eine Entlastung bei den Sozialhilfekosten die Kommunen stärken!

8. Den ländlichen Raum erhalten und entwickeln!

9. Das Energiewirtschaftsrecht kommunalfreundlich gestalten!

10. Ohne Städte und Gemeinden keine wirkungsvolle Umweltpolitik!

Starke Städte und Gemeinden sind eine Garantie dafür, daß Bürgerinnen und Bürger ihr Lebensumfeld eigenverantwortlich gestalten können. In einem Europa der Regionen wird gerade dieser Ansatz der kommunalen Selbstverwaltung weiter an Bedeutung gewinnen: Städte und Gemeinden stehen den Bürgerinnen und Bürgern am nächsten, sie schaffen Identität und Orientierung; auf sie richten sich aber auch große Erwartungen auf dem Weg in das nächste Jahrhundert. Die Städte und Gemeinden nehmen ihre Verantwortung entschlossen wahr.

Diesen Erwartungen werden nur starke Städte und Gemeinden genügen können, die sich der örtlichen Gemeinschaft verpflichtet fühlen und die in der Lage sind, den in sie gesetzten Erwartungen gerecht zu werden. Das setzt inhaltliche und finanzielle Gestaltungsspielräume voraus! Die Städte und Gemeinden sehen es als gemeinsame Aufgaben des Bundes und der Länder an, diese Spielräume zu sichern und auszubauen!

Bundestag und Bundesregierung müssen dieser Aufgabe gerecht werden! Die Städte und Gemeinden brauchen die Unterstützung des Bundes in politischer, rechtlicher und finanzieller Hinsicht. Das gilt besonders für die Kommunen in den neuen Bundesländern. Das nationale Programm "Aufbau Ost" ist auch in den nächsten Jahren unabdingbar.

Die Städte und Gemeinden erwarten vom Bundestag und der Bundesregierung insbesondere:

STÄDTE UND GEMEINDEN STÄRKEN!

1.Wer bestellt, muß bezahlen! Das Konnexitätsprinzip einführen!

Eine den kommunalen Interessen verpflichtete Bundesregierung muß das Konnexitätsprinzip einführen: Bund und Ländern muß es verfassungsrechtlich untersagt sein, weiterhin Aufgaben auf die Kommunen zu übertragen, ohne daß diesen die dafür erforderlichen Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden.

Städte und Gemeinden machen immer wieder die Erfahrung, daß staatliche Ebenen durch den Erlaß oder die Änderung von Vorschriften zusätzliche Aufgaben auf die Kommunen übertragen, ohne sich mit den finanziellen Folgen zu befassen. Um diese Großzügigkeit auf Kosten Dritter zu vermeiden, bedarf es einer Konnexität zwischen Aufgaben- und Finanzverantwortung. Derjenige Gesetzgeber, der den Kommunen kostenträchtige Aufgaben überträgt, muß auch für deren Finanzierung geradestehen.

2.Die Städte und Gemeinden am Gesetzgebungsverfahren wirksam beteiligen!

Eine Vielzahl der Bundesgesetze und entsprechender Verordnungen müssen auf der kommunalen Ebene umgesetzt werden. Städte und Gemeinden dürfen deshalb bei der Entstehung der Gesetze nicht länger abseits stehen.

Die Bundespolitik beschließt, die Kommunen führen es aus. Um diesen Ansatz zu durchbrechen bedarf es einer gesetzlichen Regelung, mit der sichergestellt wird, daß bei Gesetzesvorlagen und Entwürfen von Rechtsverordnungen sowie vor Stellungnahmen des Bundes zu Entwürfen von EU-Verordnungen und EU-Richtlinien, die wesentliche Belange von Gemeinden und Gemeindeverbände berühren, die Kommunalen Spitzenverbände in das Gesetzgebungsverfahren (bereits im Entwurfsstadium) einbezogen werden. Dazu gehört zwingend ein eigenständiger Konsultationsmechanismus mit klaren und verbindlichen Festlegungen über die förderale Zuordnung von finanziellen Lasten gesetzlicher Regelungen. Unverzichtbar ist auch die Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände am Vermittlungsverfahren.

3.Mit einer Gemeindefinanzreform die Zukunft der Städte und Gemeinden sichern!

Eine Steuerreform darf nicht ohne eine abgestimmte Reform der Gemeindefinanzen erfolgen. Das Verhältnis von Aufgaben- und Finanzausstattung muß endlich wieder in Übereinstimmung gebracht werden.

Die Situation der kommunalen Haushalte gefährdet die kommunale Selbstverwaltung. Es muß sichergestellt werden, daß durch die Reform die Städte und Gemeinden entsprechend ihren Aufgaben eine eigene angemessene Finanzausstattung erhalten. Diese muß zwingend auch Mittel für freie Selbstverwaltungaufgaben einbeziehen. Ein wesentlicher Baustein der Gemeindefinanzreform sollte die Sicherung und Revitalisierung der Gewerbesteuer sein.

4.Standards und Bürokratie abbauen! Schlanker Staat nur mit schlanken Gesetzen!

Die Städte und Gemeinden erwarten vom Bundesgesetzgeber den konsequenten Abbau von unnötiger Bürokratie. Zudem muß bei allen Aktivitäten des Gesetzgebers eine Kostenfolgenabschätzung unter Einschluß der kommunalen Aufwendungen durchgeführt werden. Dies gilt insbesondere auch für die Regelungen auf europäischer Ebene.

Das vorhandene Regelungssystem muß auf seine Notwendigkeit untersucht werden. In diesem Zusammenhang wird z. B. die Abschaffung des Abwasserabgabengesetzes gefordert. Diese Regelungen erzeugen überflüssige, teure Bürokratie, belasten die Gebührenzahler ohne einen entsprechenden ökologischen Gewinn. Die Städte und Gemeinden erwarten vom Bundesgesetzgeber, überflüssige Regelungen ersatzlos zu streichen.

5.Die kommunale Selbstverwaltungshoheit in den Europäischen Verträgen absichern!

Die Verankerung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts in Art. 28 GG hat sich bewährt und ist Garant für effektive dezentrale Strukturen in Deutschland. In der sich erweiternden EU muß dieser Verfassungsgrundsatz ebenfalls verankert werden. Nur so läßt sich der Grundsatz der Subsidiarität europaweit umsetzen.

6.An der nationalen Umsetzung des Stabilitätspaktes die Kommunen beteiligen!

Der Bund hat sich im Rahmen der Europäischen Union zur Einhaltung der Kriterien "Schuldenstand" und "Defizit" verpflichtet. Weil die Kommunen von der Höhe der Verschuldungskontingente ihrer Länder unmittelbar in ihrer Haushaltswirtschaft betroffen sind, ist eine Einbeziehung der Kommunen in die Verhandlungen über die innerstaatliche Umsetzung des Stabilitätspaktes unerläßlich.

ARBEITSMARKT UND SOZIALPOLITIK NEU GESTALTEN!

7.Durch eine aktive Arbeitsmarktpolitik und durch eine Entlastung bei den Sozialhilfekosten die Kommunen stärken!

- Trotz der beschäftigungspolitischen Verantwortung von Bund und Ländern leisten die Städte und Gemeinden durch innovative Beschäftigungskonzepte einen Beitrag zum Abbau der Arbeitslosigkeit. Es ist sinnvoller, Arbeit zu finanzieren als Arbeitslosigkeit zu verwalten. Ohne Bund und Länder aus ihrer Pflicht zu entlassen, ist eine Strategie erforderlich, in der eine Arbeitsteilung zwischen primär zuständigem Bund und Ländern und der kommunalen Beschäftigungspolitik abgestimmt wird.

Zusätzlich ist eine umfassende Sozialhilfereform mit einer Entlastung bei den Sozialhilfekosten durch den Bund erforderlich.

Ursachen der Sozialhilfebedürftigkeit sind in zunehmenden Maße Gründe, die die Kommunen nicht zu verantworten haben (z.B. Arbeitslosigkeit). Geboten ist insbesondere eine deutliche Vereinfachung des Leistungsrechts.

- Die Städte und Gemeinden fordern den Bund und die Länder auf, die Kosten für Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge zu übernehmen. Sie erwarten von der Bundesregierung ein aktives Eintreten für eine gerechte Lastenverteilung auf europäischer Ebene.

- Die Kommunen sind mit der zunehmenden Verlagerung gesamt staatlicher Aufgaben finanziell überfordert. Ein Beispiel ist die Sicherstellung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz (20 Mrd. DM jährliche Betriebskosten). Die Städte und Gemeinden erwarten neben einer ausreichenden Finanzbeteiligung des Bundes eine Rückführung der Leistungsgesetze auf das sozialstaatlich Notwendige.

- Das Wohnungsbaurecht und die Wohnungsbauförderung sind sozial- und familienorientiert zu reformieren. Hierzu gehören eine verstärkte Eigentumsförderung, Standardlockerungen, eine Vereinfachung des Baurechts sowie die Stützung von kommunalen Bauförderprojekten.

INFRASTRUKTUREN ENTWICKELN!

8. Den ländlichen Raum erhalten und entwickeln!

Der Bund muß die große Bedeutung des ländlichen Raumes erkennen und sicherstellen, daß keine Abkoppelung von der allgemeinen wirtschaftichen Entwicklung erfolgt. Die Überlegungen müssen auch auf Europäischer Ebene Berücksichtigung finden. Die bisherigen Vorschläge der AGENDA 2000 sind völlig unzureichend. Sollte die Förderung der ländlichen Gebiete, wie von der Kommission beabsichtigt, künftig mit anderen Bereichen zusammengefaßt werden, ist zu befürchten, daß die Strukturprobleme der Ballungsgebiete mehr Aufmerksamkeit erhalten, als die der ländlichen Räume.

Ländliche Gebiete prägen das Bild Deutschlands. Der Erhalt der grundlegenden Infrastruktur (ÖPNV, Krankenhäuser, Energieversorgung, Post und Telekommunikationsdienste) ist unabdingbare Voraussetzung für eine Teilhabe an der wirtschaftlichen Entwicklung und damit der Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse.

KOMMUNALFREUNDLICHES ENERGIE- WIRTSCHAFTSRECHT!

9. Das Energiewirtschaftsrecht kom-munalfreundlich gestalten!

Die vorhandenen Spielräume bei der Umsetzung des Europäischen Energiewirtschaftsrechts müssen im Interesse kommunaler Unternehmen genutzt werden. Es bedarf einer stärkeren Orientierung der Bundespolitik an den Interessen der Kommunalwirtschaft!

Die wirtschaftliche Betätigung der Städte und Gemeinden ist ein wesentliches Element kommunaler Selbstverwaltung. Das muß der Bund bei der Umsetzung von Europäischem Recht beachten. Die Zusage der Bundesregierung, das Aufkommen aus der Konzessionsabgabe zu sichern, wird eingefordert.

UMWELT SCHÜTZEN, KOSTEN SENKEN!

10. Ohne Städte und Gemeinden keine wirkungsvolle Umweltpolitik!

Der Bund geht immer mehr dazu über, die umweltpolitischen Spielräume der Kommunen einzuschränken. Damit droht die unverzichtbare Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger verloren zu gehen. Erforderlich sind einfache, vollzugsfähige Regelungen und der Verzicht auf überflüssige Bürokratie.

Beispielhaft können genannt werden: Eine Vereinfachung des Abfall- und des Wasserrechts. Neue Rücknahmesysteme, z.B. bei Elektronikschrott, können effektiv nur unter Beteiligung der Kommunen geschaffen werden.

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