Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 657/1998 vom 20.11.1998

Energiewirtschaftsgesetz: Verbesserungen angemahnt

Mit nachstehend wiedergegebenem Schreiben hat sich die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände an den neuen Bundesminister für Wirtschaft gewandt und kommunalfreundliche Änderungen des Energiewirtschaftsgesetzes angemahnt:

"Sehr geehrter Herr Bundesminister,

zu Ihrer Berufung in die Bundesregierung als Bundesminister für Wirtschaft möchten wir Ihnen herzlich gratulieren und Ihnen viel Erfolg bei Ihrer zukünftigen Arbeit wünschen. Wir verbinden diese Wünsche mit der Hoffnung, daß wir in Ihnen in der neuen Bundesregierung einen Fürsprecher für kommunale Interessen finden.

Insbesondere für den Bereich der Energiewirtschaft und das im April 1998 in Kraft getretene Gesetz zur Neuregelung der Energiewirtschaft haben die Städte, Gemeinden und Kreise immer wieder darauf aufmerksam gemacht, daß die kommunalen Belange nur unzureichend berücksichtigt wurden. Trotz einiger Erfolge, die die Kommunen in zähen Verhandlungen mit der alten Bundesregierung erzielen konnten, führt das neue Recht zu gravierenden Veränderungen und schwerwiegenden negativen Folgen für die kommunale Selbstverwaltung, die kommunale Wirtschaft und die kommunalen Finanzen.

Vor diesem Hintergrund haben wir in der Vergangenheit den SPD-Gesetzentwurf zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts unterstützt: die Aufgaben der Regelungskompetenz für die örtliche Energieversorgung, die unbefristete Aufnahme des Alleinabnehmersystems und die Regelungen zum Umweltschutz haben wir als Zeichen für die Verankerung kommunaler Interessen gewertet. Die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag und einige Bundesländer haben gegen das geltende Energierecht, auch aufgrund der Verletzung des Selbstverwaltungsrechts der Kommunen Verfassungsklage erhoben.

Wir hoffen daher, daß die neue Bundesregierung eine Novellierung des Energierechts, die für die Kommunen von entscheidender Bedeutung ist, kurzfristig auf den Weg bringen wird. Der Zeitdruck ergibt sich aus den aktuellen Strukturveränderungen auf dem Energiemarkt, die im Zeitablauf immer weniger beeinflußbar sein werden.

Aus kommunaler Sicht sollten folgende Punkte bei einer Novellierung des Energierechts Berücksichtigung finden:

  • Es muß im Gesetz verankert werden, daß die Aufgabe einer ordentlichen, gesicherten und auch umweltverträglichen Energieversorgung als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge in den durch Artikel 28 Abs. 2 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich gewährleisteten Aufgabenbestand der Gemeinden fällt. Die Städte sind demnach nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die Versorgung ihrer Gemeindegebiete mit Energie zu regeln. So sieht das Energierecht zwar eine an sich wettbewerbsfremde Anschluß- und Versorgungspflicht vor, jedoch nicht das Recht, die örtliche Energieversorgung zu gestalten. Vor diesem Hintergrund sollten Bedingungen geschaffen werden, die es den Stadtwerken ermöglichen, die allgemeine Versorgungspflicht gegenüber den im Wettbewerb uninteressanten Tarifkunden zu angemessenen Bedingungen zu erfüllen.

 

  • Als ein Instrument zur Umsetzung der örtlichen Regelungskompetenz für die Energieversorgung hat die kommunale Seite nach langen Verhandlungen erreicht, die Netzzugangsalternative Alleinabnehmersystem im Gesetz zu verankern. Im Vergleich zum verhandelten Netzzugang sind die Regelungen des Alleinabnehmersystems jedoch nicht gleichberechtigt. Insbesondere wurde das Alleinabnehmersystem befristet aufgenommen, so daß die in der europäischen Binnenmarktrichtlinie Strom eröffneten Möglichkeiten für das Alleinabnehmersystem nicht ausgeschöpft wurden. Darüber hinaus sind bei Inanspruchnahme des Alleinabnehmersystems für die Stadtwerke umsatzsteuerliche Probleme zu erkennen, so daß dringender Nachbesserungsbedarf besteht.

 

  • Im Gesetzgebungsverfahren entsprach die Sicherung des Konzessionsabgabenaufkommens der Städte dem Willen aller im Bundestag vertretenen Fraktionen. Die Konzessionsabgabe mit einem Gesamtvolumen von 6,41 Mrd. DM (1997) trägt wesentlich zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben bei und ist gerade angesichts der leeren kommunalen Kassen von entscheidender Bedeutung. Bereits im Gesetzgebungsverfahren wurde deutlich, daß mit den Regelungen im neuen Energierecht das Konzessionsabgabevolumen nicht hinreichend gesichert werden kann. So zeigt sich, daß u. a. die Konzessionsabgabe dadurch reduziert wird, daß bei Bündelung der Stromabnahme im Tarifkundenbereich Sondervertragskunden mit entsprechend niedriger Konzessionsabgabenzahlung entstehen. Darüber hinaus hat die Bündelung der Tarifkunden zur Folge, daß aufgrund der Definition der Konzessionsabgabe im Energiewirtschaftsgesetz ("Einräumung des Rechts zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchem"), die "Bündler" nicht als Letztverbraucher angesehen werden, so daß keine Konzessionsabgabe zu entrichten ist. Hier bedarf es sowohl eindeutiger gesetzlicher Regelungen, aber auch einer Änderung der Konzessionsabgabenverordnung.

 

  • Wir halten außerdem eine Vorrangregelung für die Kraft-Wärme- Kopplung, die von der europäischen Richtlinie nicht nur ausdrücklich erlaubt wird, sondern auch zukünftig verstärkt gefördert werden soll, für erforderlich. Dies entspricht auch dem Tenor der Koalitionsvereinbarung zur Sicherung der zukunftsfähigen Energieversorgung. Eine Vorrangregelung ist auch notwendig, um erhebliche stranded Investments insbesondere bei den Stadtwerken zu vermeiden und ihren Ausbau nicht zu behindern. Neben der ökologischen Bedeutung der Kraft-Wärme-Kopplung ist die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung auch zur Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen wichtig. Die Mehrkosten sollten auf alle Netzbetreiber umgelegt werden. Vergleichbares sollte für den Bereich der regenerativen Energienutzung überlegt werden.

 

  • Aus ökologischen Gründen und zur Umsetzung der örtlichen Regelungskompetenz für die Energieversorgung sind zudem Ausnahmen vom Recht der kommunalen Wegenutzung vorzusehen, so z. B. wenn die Versorgung des Letztverbrauchers über bestehende Leitungsnetze möglich ist oder wenn die Energieversorgung dem örtlichen Energieversorgungskonzept widerspricht.

 

  • In anderen Mitgliedstaaten der europäischen Union wird von der allgemeinen Übergangsregelung der EU-Binnenmarktrichtlinie Strom Gebrauch gemacht. In der Bundesrepublik Deutschland nicht, obwohl wegen seiner differenzierten Versorgungsstruktur ein großer Anpassungsbedarf besteht. Wir fordern daher nationale Übergangsregelungen, die auch den weniger finanzkräftigen, aber leistungsfähigen kommunalen Unternehmen die Chance einräumt, sich auf den Wettbewerb einzustellen.

Wir hoffen darauf, daß die neue Bundesregierung die für die kommunale Selbstverwaltung und die Kommunalfinanzen wichtigen Belange in ihre Überlegungen einbezieht, und in einer entsprechenden Novellierung des Energiewirtschaftsrechts umsetzt. Wir würden uns freuen, wenn in einem Gespräch Gelegenheit besteht, konkrete Vorschläge zur Umsetzung der kommunalen Forderungen zu erläutern."

Az.: G/3 811-00

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