Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 80/2024 vom 30.01.2024

BVerwG zur Aufgabe der Kanalanschluss-Beitragserhebung

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat mit Urteil vom 17.10.2023 (9 CN 3/22) entschieden, dass eine Gemeinde die Erhebung von Kanalanschlussbeiträgen für die öffentliche Abwasseranlage (für die Zukunft) zwar aufgeben kann und von einer Beitrags- zu einer reinen Gebührenfinanzierung mit unterschiedlich hohen (gespaltenen) Gebührensätzen für Grundstücke, für die Kanalanschlussbeiträge gezahlt wurden, und Grundstücke, für die keine Beiträge gezahlt wurden, übergehen kann.

Es ist aber nicht gerechtfertigt, Grundstücke mit dem höheren Gebührensatz für Grundstücke zu belasten, die keine Beiträge gezahlt haben (im entschiedenen Fall: 4,35 € statt 3,30 €), wenn Anschlussbeiträge wegen hypothetischer Festsetzungsverjährung nicht mehr erhoben werden konnten. Dieses verstößt insbesondere gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes gemäß Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG).

Bei Anschlussbeiträgen handelt es sich – so das BVerwG - um Abgaben, die der einmaligen Abgeltung der durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung gebotenen wirtschaftlichen Vorteile dienen, während Gebühren ein Entgelt für die tatsächliche Inanspruchnahme der Einrichtung in einem bestimmten Zeitraum darstellen. Hat sich die Gemeinde für eine Beitragserhebung entschieden, dürfen die betroffenen Grundstückseigentümer gemäß Art. 2 i. V.m. Art. 20 Abs. 3 GG darauf vertrauen, dass die Deckung des Herstellungsaufwandes über Gebühren im Umfang der Beitragserhebung unterbleibt. Diese Berücksichtigung erfolgt bei der Gebührenkalkulation dadurch, dass im Rahmen der sog. kalkulatorischen Verzinsung von langlebigen Anlagegütern (wie z.B. den öffentlichen Kanälen) der Anteil der Herstellungskosten aus Kanalanschlussbeiträgen abzusetzen ist (sog. Abzugskapital), der nach dem Satzungsrecht der Gemeinde durch Anschlussbeiträge finanziert werden soll (§ 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KAG NRW). Der Hintergrund hierfür ist, dass die Gemeinde insoweit bereits Einnahmen (Finanzmittel) durch Kanalanschlussbeiträge erhält, welche sie nicht durch Eigen- und/oder Fremdkapital (Kredite) finanzieren muss. Damit ist – so das BVerwG - eine Doppelbelastung und eine Beeinträchtigung der geschützten Vertrauensposition ausgeschlossen.

Die Geschäftsstelle weist ergänzend auf Folgendes hin:

Es ist durch Gemeinde sorgfältig zu prüfen, ob die Erhebung von Kanalanschlussbeiträgen für die Zukunft aufgegeben wird. Dieses ist zwar – so das BVerwG – möglich. Das OVG NRW hatte allerdings bereits im Jahr 1980 entschieden, dass dieses zwangsläufig zur Folge hat, dass sog. gespaltene Gebührensätze eingeführt werden müssen und zwar für diejenigen Grundstücke, für die Kanalanschlussbeiträge in der Vergangenheit gezahlt worden sind, und für solche Grundstücke, für die keine Beiträge gezahlt wurden bzw. in der Zukunft gezahlt werden (OVG NRW, Urteil vom 17.09.1980 – 2 A 1653/79 -, GemHH 1982, S. 69; OVG NRW, Urteil vom 30.05.1989 – 2 A 2920/84 -, NWVBl. 1990, S. 99 f.).

Zugleich sind wenige Veranlagungsfälle pro Jahr kein Grund den Kanalanschluss-Beitrag abzuschaffen, denn für eine Veranlagung wird definitiv eine Kanalanschluss-Beitragssatzung als Rechtsgrundlage weiterhin benötigt.

Außerdem gilt im Kanalanschlussbeitragsrecht der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2013 – Az.: 15 A 2170/12 - ; OVG NRW, Beschluss vom 15.07.1997 – Az.: 15 A 1660/96 – NWVBl. 1998, S. 21). Es gibt im Wasser- und Kanalanschluss-Beitragsrecht deshalb keine nochmalige Herstellung/Erneuerung/Verbesserung, weil der Anlagenbegriff im Gegensatz zum Erschließungs- und Straßenbau-Beitragsrecht („die einzelne Straße“) weiter zu fassen ist („die gesamte Abwasseranlage“) und regelmäßig nicht die gesamte öffentliche Abwasseranlage im gesamten Gemeindegebiet auf einmal erneuert wird. Die Rechtsfolge ist, dass die Erneuerung bzw. Sanierung einzelner öffentlicher Kanäle keine beitragsfähige Maßnahme ist, sondern als Instandhaltungs- bzw. Sanierungsmaßnahme über die Schmutz- und Niederschlagsgebühr als Benutzungsgebühr zu refinanzieren ist (vgl. Unkel in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Loseblatt-Kommentar, Stand: September 2023, § 8 KAG Rz. 529; Schneider/Rohde/Queitsch in: Hamacher/Lenz/Menzel/Queitsch, KAG NRW, Loseblatt-Kommentar, Stand: August 2020, § 8 Rz. 72).

Die Erhebung von Kanalanschluss-Beiträgen setzt allerdings stets einen eigenen Herstellungs-Aufwand der Gemeinde voraus. Anderenfalls entfällt die Möglichkeit der Beitragserhebung.

Laut dem OVG NRW (Beschluss vom 30.6.2008 – Az.:  15 B 699/06- ) ist die Erhebung von Kanalanschlussbeiträgen unzulässig, wenn die Gemeinde keinen eigenen Herstellungsaufwand mehr hat, weil sie die Aufgabe der Abwasserbeseitigung vollständig an einen Dritten abgegeben hat, denn der Aufwand muss bei der Gemeinde entstehen. Die Gemeinde muss – so das OVG NRW – stets das „Heft des Handelns in der Hand haben“, d.h. das Letzt-Entscheidungsrecht über den Kanal-Neubau muss in ihrer Hand liegen. Der Aufwand muss somit bei der Gemeinde entstehen, auf dessen Gebiet das Grundstück liegt (so: OVG NRW, Beschluss vom 21.8.2009 – Az.: 15 B 1048/09). Dieses ist nicht der Fall, wenn ein Grundstück in der Gemeinde A direkt über einen privaten Anschluss an das öffentliche Kanalnetz der Gemeinde B angeschlossen wird (so: OVG NRW, Beschluss vom 21.8.2009 – Az.: 15 B 1048/09). Auch eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung zwischen der Gemeinde A und der Gemeinde B reicht laut dem OVG NRW in diesem Fall nicht aus. Es genügt aber nach dem OVG NRW, wenn die Gemeinde A vor dem Grundstück auf ihrem Gebiet ein „kleines Stück“ öffentlichen Kanal baut und dieser dann in das Kanalnetz der Gemeinde B mündet. Ebenso ist die Beauftragung eines Dritten mit dem Kanalbau unschädlich, weil dieser im Auftrag der Gemeinde tätig wird und diese somit das „Heft des Handelns“ in der Hand hat.

Wird allerdings das öffentliche Kanalnetz gemäß § 52 Abs. 2 LWG NRW auf einen sondergesetzlichen Wasserverband gemäß § 52 Abs. 2 LWG NRW übertragen, ist die Erhebung von Kanalanschlussbeiträgen für die Zukunft als unzulässig anzusehen, wenn dieser zukünftig die neuen Kanäle baut und es müssen gespaltete Gebührensätze eingeführt werden. Diese Rechtsprechung gilt wiederum nicht, wenn die Gemeinde eine Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR, § 114 a GO NRW) als 100%iges „Tochterunternehmen“ gegründet hat, weil auch die Beitragserhebung auf eine AöR übertragen werden kann (§ 114 a Abs. 3 Satz 1 GO NRW) und die AöR berechtigt ist, Beiträge und Gebühren zu erheben (§ 1 Abs. 1 Satz 2 KAG NRW).

Az.: 24.1.2.1 qu

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