Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 508/2007 vom 03.07.2007

Bundesverwaltungsgericht zur energetischen Verwertung

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 26.04.2007 (Az.: 7 C 7.06) grundlegende Aussagen dazu gemacht, unter welchen Voraussetzungen in einer Müllverbrennungsanlage eine energetische Verwertung von Abfällen und keine Abfallbeseitigung durch schlichte Abfallverbrennung stattfindet.

Nach Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat die Hauptanwendung von Abfällen zur Energieerzeugung drei Voraussetzungen:

Die Abfallverbrennung muss erstens mit ihrem Hauptzweck dazu bestimmt sein, die Abfälle zur Energieerzeugung einzusetzen. Ein Einsatz zur Energieerzeugung ist anzunehmen, wenn zweitens thermische Energie erzeugt und der gewonnene Energie-Überschuss tatsächlich genutzt wird. Es muss also mehr Energie entstehen, als bei der Verbrennung verbraucht wird, und der Überschuss muss als Verbrennungswärme oder Elektrizität genutzt werden. Bei dem Verbrennungsvorgang muss der größere Teil der Abfälle verbraucht und der größere Teil der freigesetzten Energie zurück gewonnen und genutzt werden. Nur dann ist die Abfallverbrennung ein Mittel zum Zweck der Schonung natürlicher Roststoffreserven. Anderenfalls liegt eine thermische Behandlung, also schlechthin Abfallbeseitigung durch schlichte Abfallverbrennung, vor.

Ob die Abfälle vermischt wurden, ist nach dem BVerwG für die Abgrenzungsfrage (energetische Verwertung oder schlichte Abfallverbrennung als Vorgang der Abfallbeseitigung) ebenso wie für die Bestimmung des Hauptzwecks der Abfallentsorgungsmaßnahme unerheblich. § 4 Abs. 4 Satz 3 KrW-/AbfG ist nach dem BVerwG europarechtskonform dahin auszulegen, dass als „einzelner Abfall“ auch ein Abfallgemisch zu verstehen ist, gleichgültig ob es bereits vermischt angefallen ist oder nachträglich hergestellt wurde. Ein Abfallgemisch ist Abfall zur Verwertung, wenn es als solches überwiegend verwertbar ist und der Verwertung zugeführt wird.

Auf der Grundlage dieser Maßstäbe hat das BVerwG klargestellt, dass eine schlichte Abfallverbrennung und damit eine Beseitigung von Abfällen in einer Müllverbrennungsanlage vorliegt, wenn die Rückgewinnung der durch die Verbrennung erzeugten Wärme nur einen Nebeneffekt einer Maßnahme (zur Abfallentsorgung) darstellt, deren Hauptzweck die Abfallbeseitigung ist. Gleichwohl weist das BVerwG darauf hin, dass eine energetische Verwertung von Abfällen in einer Verbrennungsanlage unter Energieerzeugung für anlagenexterne Zwecke von vornherein nicht ausgeschlossen ist. Der Europäische Gerichtshof (Urteil 13.2.2003 Rs. C-458/00, MVA Straßburg, NVwZ 2003, S. 457) hätte – so das BVerwG - nicht vorrangig auf verfahrensbezogene Kriterien abgestellt, wenn die Abgrenzung von Beseitigung und Verwertung allein vom Widmungszweck der Anlage vorzunehmen wäre. Allerdings genügt es nach dem EuGH nicht, dass durch den Einsatz von Abfall der erzielte Energieüberschuss als Strom in das Netz eingespeist wird und damit Primärenergie in anderen Kraftwerken ersetzt wird. Abfälle werden in einer Verbrennungsanlage verwertet, wenn deren Betrieb mangels Versorgung mit Abfällen unter Verwendung eines Primärenergieträgers oder durch Zukauf von Abfällen fortgesetzt werden müsste. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Betreiber der Abfallverbrennungsanlage auch in dem Fall zur Energielieferung verpflichtet ist, dass er über keinen Abfall verfügt und darum seiner Lieferungsverpflichtung durch Einsatz von Primärenergie nachkommen muss.

Eine Verwertung von Abfällen in einer Verbrennungsanlage kommt darüber hinaus in Betracht, wenn durch ihren Einsatz Primärenergie anlagenintern ersetzt wird, weil Abfälle in der Anlage unmittelbar (gezielt) zur Stützfeuerung eingesetzt werden. Zur Stützfeuerung werden heizwertreiche Abfälle in einer Abfallverbrennungsanlage eingesetzt, wenn sie dem in der Anlage zu verbrennenden Abfall im Bedarfsfall gesondert zugeführt werden, um den Verbrennungsprozess zu steuern und damit eine selbstgängige Verbrennung sicherzustellen.

Zur Annahme einer Verwertungsmaßnahme bedarf es dabei nach dem BVerwG keiner vollständigen Austauschbarkeit von Abfall und Primärenergie in dem Sinn, dass die Anlage auch bei Ausbleiben sämtlicher Abfälle mit Primärenergie weiter betrieben werden müsste (so aber: OVG Saarlouis, Urteil vom 22.8.2003 AS 30, 418, 424; VGH Bad.-Württ. Urteil vom 21.3.2006 – Az.: 10 S 790/03 – als Vorinstanz). Denn hierdurch würden – so das BVerwG - die Anforderungen an den Ersatz von Primärenergie in einer Abfallverbrennungsanlage überspannt. Eine solche Sichtweise hätte namentlich zur Folge, dass eine Abfallverwertung in einer Abfallverbrennungsanlage der Sache nach ausscheidet, weil Hauptzweck einer solchen Anlage definitionsgemäß die Abfallbeseitigung ist. Diese würde der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (Urteil 13.2.2003 Rs. C-458/00, MVA Straßburg, NVwZ 2003, S. 457) widersprechen, wonach eine Abfallverwertung grundsätzlich auch in einer Abfallverbrennungsanlage möglich sein kann.

Vor diesem Hintergrund nahm das BVerwG im dem entschiedenen Fall für die flüssigen Sonderabfälle eine energetische Verwertung in der (Sonderabfall-)Verbrennungsanlage an, weil diese flüssigen Sonderabfälle die das als Regelbrennstoff eingesetzte Heizöl im Rahmen ihrer Verfügbarkeit ersetzten. Die anderen heizwertreichen, festen Abfälle hingegen teilten nach dem BVerwG das rechtliche Schicksal der übrigen Abfälle, die in der Anlage beseitigt werden. Die (bloße) Verwendung eines geeigneten Abfallgemisches zu dem Zweck , eine Stützfeuerung mit Primärenergie entbehrlich zu machen, macht – so das BVerwG – den Vorgang der Abfallverbrennung nicht zu einer Verwertungsmaßnahme. Hauptzweck einer solchen Verwendung ist die möglichst wirtschaftliche Beseitigung sämtlicher Abfälle durch Verbrennung. Ebenso wenig ist nach dem BVerwG in der Vermischung der Abfälle zum Zweck ihrer bestmöglichen Verbrennung eine Verwertungsmaßnahme zu sehen. Die Vermischung der Abfälle stellt nur einen Zwischenschritt auf dem Weg zu ihrer umweltverträglichen Entsorgung dar (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.12.2006 – Az.: 7 C 4.06 – NVwZ 2007, S. 338). Das Ausnutzen guter Brenneigenschaften eines Abfallgemisches ist keine von der Abfallverbrennung zu unterscheidende Stützfeuerung, sondern eine Optimierung des Verbrennungsprozesses. Die Vermischung der Abfälle als eine der Verbrennung vorausgehende Maßnahme lässt sich damit selbst dann, wenn sie zu einer Einsparung von Primärenergie bei der Abfallverbrennung beiträgt, nicht als Maßnahme der Abfallverwertung einstufen. Anderenfalls wäre – so das BVerwG – jede Verbrennung eines aus heizwertarmen und heizwertreichen Abfällen bestehenden Abfallgemischs hinsichtlich der heizwertreichen Abfälle als Verwertungsmaßnahme anzusehen. Diese würde nach dem BVerwG der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (Urteil 13.2.2003 Rs. C-458/00, MVA Straßburg, NVwZ 2003, S. 457) widersprechen, der in der selbstgängigen Verbrennung regelmäßig heizwertreichen Hausmülls grundsätzlich einen Vorgang der Abfallbeseitigung sieht.

Az.: II/2 31-02 qu/ko

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