Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 105/2001 vom 05.02.2001

Bundesverwaltungsgericht zum naturschutzrechtlichen Artenschutz

Das Bundesverwaltungsgericht (BverwG) hat mit Urteil vom 11. Januar 2001 (Az.: 4 C 6.00) entschieden, daß der naturschutzrechtliche Artenschutz im Prinzip auch in bebauten Ortslagen gilt. Jedoch hindert er nicht schlechthin die nach § 34 Baugesetzbuch (BauGB) im Innenbereich zulässige Bebauung einer Baulücke, die im Laufe der Jahre mit Sträuchen und Bäumen zugewachsen ist und auf welcher heimische Vögel nisten und brüten.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Auf einem Teil eines ca. 3.300 qm großen Grundstücks in Magdeburg sollte ein dreigeschossiges Polizeidienstgebäude errichtet werden. Die Baugenehmigung wurde erteilt, jedoch wenig später auf Anweisung des Regierungspräsidiums wieder zurückgenommen. Zur Begründung für die Rücknahme der Baugenehmgiung wurde unter anderem ausgeführt: Auf dem alten Villengrundstück mit einem seit über 60 Jahren verwilderten Baumbestand und den angrenzenden durchgrünten Grundstücken seien 23 Brutvogelarten festgestellt worden. Durch die Ausführung des Bauvorhabens würden die Nist-, Brut- oder Zufluchtstätten dieser Vögel beschädigt oder zerstört. Dieses sei nach § 20 f Abs. 1 Nr. 1 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) auch innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile verboten. Das Polizeidienstgebäude wurde an anderer Stelle errichtet.

Das Bundesverwaltungsgericht hat der Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Rücknahmebescheides in bezug auf die Baugenehmigung stattgegeben. Zur Begründung wird ausgeführt: Der besondere Artenschutz für wild lebende Tiere gelte innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile nur beschränkt. Das Bauen in den schon bebauten Ortsteilen sei ein zugelassener Eingriff in Natur und Landschaft. Jedoch sei es verboten, bei der Ausführung solcher Vorhaben Tiere der besonders geschützten Art "absichtlich" zu beeinträchtigen. Damit trage das BNatSchG, soweit es um heimische Vogelarten geht, der europäischen Vogelschutz-Richtlinie Rechnung. Das Bundesverwaltungsgericht versteht den Begriff "absichtlich" in einem objektivierenden Sinn. Nicht entscheidend sei, ob die Beschädigung oder Zerstörung der Nist- und Brutstätten einziger oder Hauptzweck einer Handlung sei. Das Gesetz verlange, daß auch bei einer nach den baurechtlichen Vorschriften zulässigen Bebauung eines Grundstücks die Beeinträchtigung der Vögel auf das Unvermeidbare beschränkt werde. Das bedeutet, daß die baurechtlichen Bebauungsmöglichkeiten nicht ohne weiteres bis zum Äußersten ausgeschöpft werden dürfen. Die Bauaufsichtsbehörde hat vielmehr, wenn die Bauabsichten des Investors den artenschutzrechtlichen Anforderungen nicht entsprechen, die erforderlichen Anordnungen zu treffen, z.B. im Hinblick auf die Art und das Maß der Bebauung, die überbaubare Grundstücksfläche, die Erhaltung oder Neuanpflanzung von Bäumen und Sträuchern mit Nist- und Brutmöglichkeiten, die Bauausführung außerhalb der Brutzeiten und ähnliches. Dies alles hatte die Behörde – so das Bundesverwaltungsgericht - bei der Rücknahme der Baugenehmigung nicht bedacht. Der Rücknahmebescheid war deshalb rechtswidrig.

Ob die Baugenehmigung für das Polizeigebäude in dem beantragten Umfang uneingeschränkt hätte erteilt werden dürfen, hatte das Bundesverwaltungsgericht nicht zu entscheiden. Der tragende Grund für die Rücknahmeentscheidung der Behörde, das Grundstück könne wegen des Artenschutzes überhaupt nicht mit einem solchen Gebäude bebaut werden, war rechtswidrig und hat die Behörde daran gehindert, Erwägungen über die Möglichkeit einer Teilrücknahme der Baugenehmigung oder darüber anzustellen, ob diese nachträglich in anderer Weise, etwa durch Auflagen beschränkt werden konnte.

Az.: II/2 60-00

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