Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 478/2009 vom 20.08.2009

Bundesverwaltungsgericht zu gewerblichen Abfallsammlungen

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hatte mit Urteil vom 18.6.2009 (Az.: 7 C 16.08) entschieden, dass private Haushalte ihren Hausmüll einschließlich seiner verwertbaren Bestandteile (wie z.B. das Altpapier) grundsätzlich den Städten und Gemeinden als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger überlassen müssen. Insbesondere sind private Haushalte nach dem BVerwG nicht befugt sind, Dritte (wie z.B. private Entsorgungsunternehmen) mit der Verwertung von Abfällen  zu beauftragen. Nunmehr liegt die Urteilsbegründung vor (abrufbar unter das Intranet des StGB NRW — Rubrik: Fachinfo und Service, Umwelt, Abfall, Abwasser). Das BVerwG stellt klar und eindeutig heraus, dass nach der Systematik und der Entstehungsgeschichte des § 13 Abs. 1 Satz 1 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) nur eine Eigenverwertung von Abfällen (z.B. durch Eigenkompostierung) die Abfallüberlassungspflicht des privaten Haushalts gegenüber der Stadt/Gemeinde entfallen lässt. Der Bundesgesetzgeber habe in § 13 i.V.m. § 15 KrW-/AbfG eine Grundentscheidung zu Gunsten der öffentlich-rechtlichen Entsorgung durch die Städte/Gemeinden getroffen. Deshalb seien auch die Ausnahmeregelungen von der Abfallüberlassungspflicht (§ 13 Abs. 2 und Abs. 3 KrW-/AbfG) im Hinblick auf den Regelfall der Abfallüberlassung an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger eng auszulegen. Dabei ist nach dem BVerwG zu beachten, dass der Bundesgesetzgeber in § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG gerade bei den privaten Haushaltungen gesetzlich geregelt hat, dass diese keine Pflicht zur Verwertung von Abfällen (§ 5 Abs. 2 KrW-/AbfG) und keine Pflicht zur Beseitigung von Abfällen (!§ 11 Abs. 1 KrW-/AbfG) trifft, weil nach dem Gesetzeswortlaut ausdrücklich eine Abfallüberlassungspflicht gesetzlich festgelegt worden ist. Deshalb scheide - so das BVerwG -  auch eine Beauftragung Dritter (§ 16 Abs. 1 KrW-/AbfG) aus (so auch bereits: VGH Mannheim, Urteil vom 21.7.1998 — Az.: 10 S 2614/97 — NVwZ 1998, S. 1200f.). Für diese Auslegung spricht nach dem BVerwG, dass anderenfalls für die gesetzlich geregelten Ausnahmetatbestände von der Abfallüberlassungspflicht (§ 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KrW-/AbfG — gemeinnützige Abfallsammlungen und § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3  KrW-/AbfG — gewerbliche Abfallsammlungen) kein praktischer Anwendungsbereich mehr verbleiben würde und die in diesen Ausnahmetatbeständen geregelten Voraussetzungen praktisch ins Leere laufen würden. Auch bei einer engen Auslegung des § 13 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 KrW-/AbfG im Sinne einer Eigenverwertung von Abfällen durch den privaten Haushalt selbst, ergibt sich nach dem BVerwG ein breiter Anwendungsbereich, weil etwa die Selbstkompostierung von Bioabfällen durch den privaten Haushalt kompostierbare Abfälle betrifft, die einen erheblichen Anteil bei den Abfällen aus privaten Haushalten ausmacht (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.12.2000 — Az.: 11 C 7.00). Schließlich stellt das BVerwG heraus, dass gerade die Entsorgung von Abfällen aus privaten Haushaltungen in einer geordneten und jederzeit nachprüfbaren Weise erfolgen muss, weil die privaten Haushalte mit einer umweltgerechten Entsorgung vielfach überfordert wären. Dieses öffentliche Interesse an einer geordneten Abfallentsorgung schließt ein nicht kontrollierbares Überlassen von Verwertungsabfällen an Dritte aus (so auch: VGH Mannheim, Urteil vom 21.7.1998 — Az.: 10 S 2614/97 — NVwZ 1998, S. 1200f.)..

In Anknüpfung hieran ist nach dem BVerwG auch der Ausnahmetatbestand der gewerblichen Abfallsammlung (§ 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG) eng auszulegen. Gewerbliche Sammlungen von Abfällen sind nach dem BVerwG keine Tätigkeiten die dadurch gekennzeichnet sind, dass sie auf vertraglichen Grundlagen beruhen, d.h. in regelmäßig dauerhaften Strukturen wiederkehrende Entsorgungsleistungen erbracht werden. Gewerbliche Abfallsammlungen sind nach dem BVerwG vielmehr nur ein allgemeines, auf freiwilliger Basis beruhendes Angebot der unentgeltlichen Überlassung verwertbarer Abfälle. Der Sammlungsbegriff in § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG schließt nach dem BVerwG damit gerade Tätigkeiten aus, die auf der Grundlage vertraglicher Bindungen zwischen den sammelnden Unternehmen und den privaten Haushalten, in dauerhaft festen Strukturen abgewickelt werden. Dieses ergibt sich auch aus der Entstehungsgeschichte, wonach der Bundesgesetzgeber bei den gewerblichen Sammlungen lediglich gelegentliche Abfallsammlungen vor Augen hatte (BT-Drucksache 10/5656, S. 55f.). Es habe — so das BVerwG — keine Absicht des Bundesgesetzgebers bestanden, ein Einfallstor zur Etablierung paralleler privater Entsorgungs- und Verwertungsstrukturen beim Hausmüll zu schaffen.

Nach dem BVerwG ist ferner der Begriff der „überwiegenden öffentlichen Interessen“ in § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG, die einer gewerblichen Sammlung von verwertbaren Abfällen entgegenstehen können, nicht zu eng im Sinne einer notwendigen Existenzgefährdung des Entsorgungssystems des öffentlichen-rechtlichen Entsorgungsträgers auszulegen. Auf der Grundlage des traditionellen öffentlichen Entsorgungssystems der Städte, Gemeinden und Landkreise für Hausmüll, welches mit hohem Aufwand und öffentlichen Mitteln flächendeckend errichtet worden sei, können überwiegende öffentliche Interessen einer gewerblichen Sammlung auch bereits dann entgegenstehen, wenn diese Sammlung nach ihrer konkreten Ausgestaltung mehr als nur geringfügige Auswirkungen auf die Organisations- und Planungssicherheit des öffentlich-rechtliche Entsorgers nach sich zieht. Ob diese Schwelle überschritten ist, lässt sich nach dem BVerwG nur anhand der jeweiligen Einzelumstände feststellen. Dabei kann auch von Bedeutung sein, ob der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger zu einer wesentlichen Änderung und Anpassung seiner Entsorgungsstruktur gezwungen würde, z.B. durch die Vorhaltung von Personal für den Fall, dass der gewerbliche Sammler infolge veränderter Marktbedingungen seine Tätigkeit einstellt und der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger deshalb möglicherweise unvermittelt zur Übernahme der Entsorgungstätigkeit genötigt sein sollte. Ebenso seien Auswirkungen dann anzunehmen, wenn die Ausschreibungen von Entsorgungsleistungen erschwert bzw. Ausschreibungsverfahren unterlaufen würden. Auch die Beeinträchtigung eines flächendeckenden bestehenden Systems zur Erfassung von gebrauchten Verkaufsverpackungen (Duales System nach § 6 Abs. 3 Verpackungsverordnung) können nach dem BVerwG einer gewerblichen Sammlung entgegenstehen.

Schlussendlich weist das BVerwG darauf hin, dass der vorstehenden Auslegung der §§ 13  Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG weder das Grundgesetz noch das Europäische Gemeinschaftsrecht entgegenstehen. Insbesondere sei es europarechtlich und nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zulässig, dass Abholen und die Behandlung von Haushaltsabfällen als eine im Allgemeininteresse liegende öffentliche Aufgabe ( der Daseinsvorsorge) anzusehen, die ein Mitgliedsstaat der Europäischen Union von Behörden wahrnehmen lassen könne (Art. 86 Abs. 2 EG). Angesichts zu erwartender Funktionsstörungen bei einer Freigabe des Wettbewerbs im Markt um Abfälle aus privaten Haushaltungen sei eine Aufgabenzuweisung an die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger gerechtfertigt. Die kontinuierliche und verlässliche Aufgabenerfüllung der Hausmüllentsorgung durch öffentliche Entsorgungsträger setzt ein Mindestmaß an Planbarkeit voraus, das bei einem ungehinderten Zugriff privater Dritter nicht gewährleist wäre (EuGH, Urteil vom 23.5.2000 — Rs. C-209/98, Kopenhagen — Slg. 2000. I 3743 Rn. 78f., 81). Es könne — so das BVerwG - auch dahin stehen, ob ein Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit (Art. 29 EG) vorliegt, denn ein solcher Eingriff wäre zur Aufrechterhaltung einer Aufgabe der Daseinsvorsorge im Bereich der Abfallentsorgung aus privaten Haushaltungen nach Art. 86 Abs. 2 EG ebenfalls gerechtfertigt.  

Az.: II/2 31-02 qu/qu

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