Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 445/2000 vom 05.08.2000

Bundesverwaltungsgericht zu Abfallgemischen

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat mit Urteil vom 15. Juni 2000 (Az.: 3 C 4.00) die neue Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes bestätigt (siehe hierzu: Mitt.NWStGb 2000 Nr. 86, S.37f.). Das BVerwG stellt in seiner Entscheidung klar, daß Abfallgemische, die sowohl "Abfälle zur Beseitigung" wie auch "Abfälle zur Verwertung" enthalten, keinesfalls generell als "Abfälle zur Beseitigung" zu gelten haben. Nach den Grundregeln des § 4 Abs. 1 KrW-/AbfG seien nämlich Abfälle in erster Linie zu vermeiden, in zweiter Linie (stofflich oder energetisch) zu verwerten und erst in dritter Linie zu beseitigen. Dieser Vermeidungs- bzw. Entsorgungsreihenfolge widerspräche die Annahme, bei der Kategorie der "Abfälle zur Beseitigung" handele es sich um eine Auffangkategorie für sämtliche Abfälle, bei denen mit einer Verwertung (noch) nicht konkret begonnen worden sei. Auch aus den Trennungsgeboten für "Abfälle zur Verwertung" untereinander (§ 5 Abs. 2 Satz 4 KrW-/AbfG) unter für "Abfälle zur Beseitigung" untereinander (§ 11 Abs. 2 KrW-/AbfG) kann nach dem BVerwG nicht etwas anderes entnommen werden. Aus dem Nebeneinander dieser beiden Vorschriften müsse zwar abgeleitet werden, daß sie sich in erster Linie mit zu Abfällen gewordenen Sachen befassen, die einerseits zwar sämtlich einer Verwertung, aber unterschiedlichen Verwertungsformen und andererseits zwar sämtlich einer Beseitigung, aber unterschiedlichen Beseitigungsformen zugänglich sind. Wenn es aber das Gesetz für möglich halte, daß Abfallbesitzer ihre Grundpflichten zur gemeinwohlverträglichen Entsorgung dadurch zuwiderhandeln können, daß sie "Abfälle zur Verwertung" oder "Abfälle zur Beseitigung" jeweils untereinander unzulässig vermischen, so dürfe nicht angenommen werden, daß das Gesetz die unzulässige Vermischung von "Abfällen zur Verwertung" und "Abfällen zur Beseitigung" ohne rechtliche Sanktion lassen wolle. Insoweit stellt das BVerwG klar, daß der "herrschenden" Meinung gefolgt wird, wonach sanktionsbedürftig auch die unzulässige Vermischung von Abfällen beider Kategorieren ist, soweit dadurch für beide Abfallkategorien oder zumindestens im Hinblick auf eine Abfallkategorie der Grundpflicht zur gemeinwohlverträglichen Entsorgung zuwidergehandelt wird (vgl. statt vieler: Kunig/Paetow/ Versteyl, KrW-/AbfG, Kommentar, 1. Auflage 1998, § 11 Rz. 11). Gleichwohl ist nach dem BVerwG das "interkategoriale Getrennthaltungsgebot" zwischen "Abfällen zur Beseitigung" einerseits und "Abfällen zur Verwertung" anderseits - ebenso wie die gesetzlichen Trennungsgebote i.S.d. § 5 Abs. 2 Satz 4 und 11 Abs. 2 KrW-/AbfG – nur ein "relatives". Dementsprechend sei bereits in dem Beschluß vom 29.04.1999 (Az.: BVerwG 7 C 22.98 - entschieden worden, (sowohl das Abfallgesetz 1986 als auch) das KrW-/AbfG kenne kein generelles Vermischungsverbot. Vielmehr könne ein Getrennthalten nur dann verlangt werden, wenn das Vermischen von Abfällen nach den konkreten Umständen gegen die Grundpflicht des Erzeugers oder Besitzers zur gemeinwohlverträglichen Entsorgung verstoßen wurde. Dies gelte zumindest solange, als nicht Rechtsverordnungen des Bundes Getrennthaltungspflichten (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 bzw. 12 Abs. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG) vorgeben, was bislang nicht geschehen sei. Solange eine Vermischung aber als zulässig zu gelten habe, sei Beurteilungsgegenstand für das Tatbestandsmerkmal "Abfälle zur Beseitigung" das Abfallgemisch und nicht der einzelne Abfall, aus dem es entstanden sei. Bestehen danach – so das BVerwG - keine Anhaltspunkte dafür, daß der Abfallbesitzer gegen die Grundpflicht zur gemeinwohlverträglichen Entsorgung von Abfällen verstößt, so kann er selbst unter der Voraussetzung, daß einzelne bewegliche Sachen bereits die Eigenschaft von "Abfall zur Beseitigung" gewonnen haben, diese mit anderen Abfällen mit dem Ziel vermischen, daß Gemisch insgesamt zunächst der Verwertung und - mit den Blick auf den noch verwertungsfähigen Rest - der Beseitigung zuführen. Damit sei sämtlichen im Gesetz zum Ausdruck kommenden Zielen insbesondere den Zielen der gemeinwohlverträglichen Entsorgung durch Verwertung einerseits und Beseitigung andererseits sowie der in § 4 Abs. 1 KrW-/AbfG ausgedrückten Reihenfolge genügt. Etwas anderes ist – so das BVerwG - dann in Betracht zu ziehen, wenn die gewählte Entsorgungsstrategie entweder nicht im Einklang mit dem Grundsatz des § 5 Abs. 5 KrW-/AbfG stünde, wonach der Beseitigung dann der Vorrang vor der Verwertung gebührt, wenn sie die umweltverträglichere Lösung darstellt, oder wenn der gewählten Entsorgungsstrategie des Abfallbesitzers/-erzeugers der Vorwurf zu machen wäre, "Etikettenschwindel" zu betreiben. Dieser Vorwurf sei dann berechtigt, wenn der quantitative oder substantielle Anteil an verwertungsfähigem Abfall bei den in Rede stehenden Abfallgemischen sehr gering sei, so daß angenommen werden müsse, die gewählte Art und Weise der Entsorgung diene vorrangig dem Zweck, der Abfallüberlassungspflicht gegenüber den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern zu entgehen. Diese Anhaltspunkte sah das BVerwG im zum entscheidenden Fall aber nicht als gegeben, weil das Abfallgemisch zu 75 % aus verwertungsfähigen Abfällen bestand.

Die Geschäftsstelle weist auf folgendes hin: Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juni 2000 (Az.: 3 C 4.00) ist bedauerlich, weil dem Grundsatz der Gebietsbezogenheit der Abfallentsorgung (§ 15 Abs. 1 KrW-/AbfG) zu wenig Beachtung geschenkt worden ist. Denn wenn Abfallgemische zunächst der Verwertung zugeführt dürfen, dann folgt hieraus, daß die darin enthaltenen "Abfälle zur Beseitigung" im Zweifelsfall nicht demjenigen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger angedient werden, in dessen Zuständigkeitsgebiet sie erstmalig entstanden sind, sondern dort entsorgt werden, wo die Verwertungsanlage steht. Damit wird dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsprinzip und dem Grundsatz der Gebietsbezogenheit der Abfallentsorgung in § 15 KrW-/AbfG die Grundlage entzogen. Ein Lichtblick ist zumindest, daß nach dem BVerwG Abfallgemische nicht grundsätzlich der Abfallüberlassungspflicht gegenüber den Städten und Gemeinden entzogen sind. Denn der verwertungsfähige Abfall in dem Abfallgemisch muß einen erheblichen Anteil haben und durch den Abfallbesitzer/-erzeuger muß ein entsprechendes Verwertungsverfahren nachgewiesen werden, aus dem hervorgeht, daß das Abfallgemisch als Ganzes als Verwertungsabfall anzusehen ist. Eine Abfallüberlassungspflicht besteht bei Abfallgemischen dann, wenn Anhaltspunkte für eine eine sog. "Etikettenschwindelei" vorliegen. Der Vorwurf der "Etikettenschwindelei" ist dann berechtigt, wenn der Anteil an verwertungfähigem Abfall bei dem in Rede stehenden Abfallgemisch sehr gering ist, so daß angenommen werden muß, die gewählte Art und Weise der Entsorgung diene vorrangig dem Zweck, der Abfallüberlassungspflicht gegenüber den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern zu entgehen. Diese Beurteilung ist eine Frage des konkreten Einzelfalles. Aus dem Urteil des BVerwG kann nicht entnommen werden, daß Abfallbesitzer/-erzeuger, die keine privaten Haushalte sind, künftig überhaupt kein Restmüllgefäß der jeweiligen Gemeinde vorhalten müssen. Denn das BVerwG weist darauf hin, daß nach § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG für die Erzeuger/Besitzer von Abfällen aus anderen Herkunftsbereichen eine Abfallüberlassungspflicht an die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger für "Abfälle zur Beseitigung" besteht. Im übrigen haben – so das BVerwG - private Haushaltungen nach § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG die Pflicht, sämtliche Abfälle, d.h. "Abfälle zur Beseitigung" und "Abfälle zur Verwertung" den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern zu überlassen, soweit sie zu einer Verwertung nicht in der Lage sind oder diese nicht beabsichtigen. Dies sei bereits mit Urteil vom 25. August 1999 - Az.: BVerwG 7 C 27.98 - NVWZ 2000, S. 71, S. 72) klargestellt worden.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, daß z.Zt. auf Hinwirken der kommunalen Spitzenverbände und auf Veranlassung der 54. Umweltministerkonferenz (UMK) der Bundesländer daran gearbeitet wird, das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz in bezug auf die Abfallüberlassungspflicht gegenüber den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern zu ändern. Dabei geht es insbesondere darum, eine Abfallüberlassungspflicht für hausmüllähnliche Gewerbeabfälle unabhängig von der Einstufung als "Abfall zur Beseitigung" und "Abfall zur Verwertung" gegenüber den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern gesetzlich zu verankern. Ein abgestimmter Vorschlag zur Änderung des Gesetzes soll zur 55. UMK im Oktober 2000 vorliegen.

Az.: II/2 31-02-7

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