Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 674/2016 vom 12.09.2016

Bundesverwaltungsgericht zu Abfallentsorgungsanlagen als Nebeneinrichtung

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat mit Beschluss vom 03.03.2016 (Az.: 7 B 44.15) die Beschwerde gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster (OVG) zurückgewiesen. Das OVG hatte zuvor entschieden, dass auch bei Abfallentsorgungsanlagen, die als Teil oder Nebeneinrichtung einer sonstigen genehmigungsbedürftigen Anlage errichtet werden, eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung erforderlich ist, im Rahmen derer im Sinne des § 4 Abs. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) eine Sicherheitsleistung angeordnet werden kann.

Der Rechtsvorgängerin der Klägerin wurde im Mai 1995 eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Änderung einer bestehenden Anlage zur Herstellung von Zementklinker und Zement erteilt. Gegenstand dieser Genehmigung war die Errichtung und Inbetriebnahme eines Abfalllagers für Reifen und Reifenschnitzel, die sodann in der Produktion des Zementwerks energetischen und stofflich verwertet werden sollten.

Die Beklagte erlegte der Klägerin eine Sicherheitsleistung in Höhe von 280.000 Euro auf. Dies begründete sie mit § 17 Abs. 4a S. 1 BImSchG. Danach soll die zuständige Behörde bei immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Abfallentsorgungsanlagen im Sinne des § 4 Abs. 1 BImSchG eine Sicherheitsleistung anordnen. Die Klägerin ging erfolglos gegen den Bescheid vor und legte später Berufung ein. Diese war ebenfalls erfolglos, in der Begründung des Berufungsurteils heißt es: Auch ein — isoliert betrachtet genehmigungsbedürftiges — Abfalllager, das nur eine Nebenanlage einer weiteren immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage darstellt, ist eine Abfallentsorgungsanlage im Sinne des § 17 Abs. 4a S. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 S. 1 BImSchG. Dies ergebe sich aus der Auslegung der Normen. Somit sei die entscheidende Behörde im Regelfall angehalten, eine Sicherheitsleistung anzuordnen. Ein Ausnahmefall liege hier nicht vor.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Entscheidung des OVG, die Revision nicht zuzulassen, hat hier keinen Erfolg. Das BVerwG hat die Entscheidung des OVG Münster, dass auch Abfallentsorgungsanlagen als Nebenanlagen genehmigungsbedürftig im Sinne des BImSchG sind, bestätigt. Das BVerwG pflichtet dem OVG Münster darin bei, dass eine — selbstständig betrachtete — genehmigungsbedürftige Nebenanlage eine von § 17 Abs. 4a S. 1 BImSchG erfasste „Abfallentsorgungsanlage im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 1 BImSchG“ darstellt. Die Anordnung der Sicherheitsleistung sei somit gerechtfertigt.

Dafür sprechen nach Ansicht des BVerwG bereits Wortlaut und Systematik der einschlägigen Regelung. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbedürftigkeit einer Anlage im Sinne des BImSchG ergibt sich im jeweiligen Einzelfall aus § 4 Abs. 1 S. 3 BImSchG in Verbindung mit der 4. Verordnung zur Durchführung des BImSchG. Dies gilt auch für ortsfeste Abfallentsorgungsanlagen. Insofern kommt es nicht darauf an, ob die Anlage ein eigenständiger Betrieb ist oder als Nebenanlage zu einer anderen immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage betrieben wird. Insofern enthalte § 1 Abs. 4 der 4. Bundesimmissionsschutzverordnung lediglich einen klarstellenden Verfahrenshinweis, dass nur ein einziger genehmigender Bescheid für die gesamte Anlage benötigt wird. Nichtsdestotrotz müsse jeder Anlagenteil eigenständig geprüft und genehmigt werden.

Auch die Entstehungsgeschichte des § 17 Abs. 4a S. 1 BImSchG spricht für diese Auslegung, so das BVerwG. Der Gesetzgeber wollte damit klarstellen, dass zur Sicherung der sich aus § 5 Abs. 3 BImSchG ergebenden Verpflichtung auch eine Sicherheitsleistung in angemessener Höhe auferlegt werden kann. Dies gilt für die Anlagenarten, bei den eine Annahme und Lagerung von Abfällen erfolgt und damit typischerweise die Gefahr der Annahme solcher Abfälle ohne Verwertungsabsicht und hinreichendem Verwertungskonzept gegeben ist (vgl. BT-Drs. 14/4926 S. 6). Insofern knüpfe § 17 Abs. 4a S. 1 BImSchG an eine zuvor bestehende Rechtslage an, so das BVerwG.

Auch die teleologische Auslegung des § 17 Abs. 4a S. 1 BImSchG stütze die Auslegung, die das OVG Münster vorgenommen habe. Denn Sinn und Zweck der Vorschrift sei, die öffentliche Hand bei Zahlungsunfähigkeit eines Betreibers einer Abfallentsorgungsanlage nicht die zum Teil erheblichen Sicherungs-, Sanierungs- und Entsorgungskosten tragen zu lassen. Hier bestehe bei Abfallentsorgungsanlagen ein besonderes Insolvenzrisiko, das über das übliche Risiko hinausgehe. Dies folge aus dem negativen Marktwert, den Abfälle in der Regel haben. Denn im Unterschied zu produzierenden Betrieben erhalte der Betreiber einer Abfallentsorgungsanlage sein Entgelt dafür, dass er Abfälle annehme. Das besondere Kostenrisiko der öffentlichen Hand im Falle der Insolvenz eines solchen Anlagenbetreibers soll durch die Anordnung der Sicherheitsleistung vermieden werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.03.2008, Az. 7 C 44/07; Bundesverwaltungsgerichtsentscheidung 131, 11 Rn. 30 = UPR 2008, 318).

Das OVG Münster hat insoweit ausgeführt, dass das Risiko einer erheblichen Kostenlast für die öffentliche Hand im Insolvenzfall nicht nur bei reinen Abfallentsorgungsanlagen, sondern auch dann besteht, wenn die Abfallentsorgungsanlage als Nebenanlage zu einer weiteren Anlage im Sinne des BImSchG betrieben wird.

Anmerkung

Aus kommunaler Sicht ist die Entscheidung des BVerwG zu begrüßen. Im Falle einer Insolvenz eines Betreibers einer Abfallentsorgungsanlage spielt es für die Abwicklung keine Rolle, ob die Lagerung und Entsorgung von Abfällen in einer Haupt- oder in einer Nebenanlage stattfindet. Die Sicherungs-, Sanierungs- und Entsorgungskosten entstehen unabhängig von der Art des Betriebs in einer Haupt- oder Nebenanlage.

Für die öffentliche Hand ist es insofern elementar, für diesen Fall abgesichert zu sein. Die Anordnung einer Sicherheitsleistung für diesen Fall muss damit auch unabhängig von der Art des Betriebs der Abfallentsorgungsanlage möglich sein. Durch diese zu Recht erfolgte Auslegung des § 17 Abs. 4a S. 1 BImSchG können Kommunen ihre berechtigten Interessen wahren und sich auch bei Abfallentsorgungsanlagen, die als Nebenanlagen betrieben werden, durch Anordnung einer Sicherheitsleistung schützen.

Az.: 25.0.4-004/001

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