Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 615/2016 vom 30.08.2016

Bundesverfassungsgericht zum so genannten Einheimischen-Rabatt

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte sich im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde mit der Preisgestaltung eines kommunal betriebenen Freizeitbades zu beschäftigten. Der Kläger hatte gerügt, dass er benachteiligt sei, weil die Einwohner der Gemeinde einen Rabatt auf den regulären Preis erhielten. Das Bundesverfassungsgericht gab dem Kläger Recht und stellte fest, dass diese Preisgestaltung gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße.

Die 3. Kammer des zweiten Senates des Bundesverfassungsgerichtes hat auf die Verfassungsbeschwerde eines österreichischen Staatsbürgers gegen die gegen ihn ergangenen erst- und zweitinstanzlichen Urteile bezüglich der Preisgestaltung eines von einem Fremdenverkehrsverband in Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) betriebenen kommunalen Freizeitbades beschlossen, dass diese ihn in seinen Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG verletzen.

Die Urteile wurden aufgehoben und die Sache an das erstinstanzliche Amtsgericht zurückverwiesen. Hintergrund Der Kläger besuchte im September 2005 das vom Fremdenverkehrsverband betriebene Freizeitbad. Die Mitglieder des Fremdenverkehrsverbandes sind ein Landkreis und fünf Gemeinden. Die Einwohner der fünf Gemeinden erhalten in dem in Rede stehenden Freizeitbad einen Rabatt von einem Drittel auf den regulären Preis. Der Kläger erhob vor dem Amtsgericht Klage auf Rückzahlung des Differenzbetrages und Feststellung, dass er auch künftig nur den ermäßigten Betrag zu zahlen habe.

Das Amtsgericht wies die Klage mit der Begründung ab, dass kein Anspruch auf Zahlung des Differenzbetrages bestehe. Der mit dem Freizeitbad geschlossene Vertrag verstoße nicht gegen ein gesetzliches Verbot i. S. d § 134 BGB. Ein Verstoß gegen EU Recht (Art. 56 AEUV) könne nicht vorliegen, weil das Freizeitbad keine Grundrechtsverpflichtete sei, da es rein privat organisiert ist und keine Hoheitsbefugnisse ausübe, sondern einer reinen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehe, welche mit Leistungen im Bereich der Daseinsvorsorge nicht vergleichbar ist.
Der Kläger legte gegen das Urteil des Amtsgerichtes Berufung beim Oberlandesgericht München ein. Diese wurde mit Urteil vom 16. Januar 2008 zurückgewiesen.

BVerfG-Beschluss

Das BVerfG stellt in seinem Beschluss klar, dass die Bindung der öffentlichen Gewalt an die Grundrechte nicht abhängig ist von der gewählten Organisations- oder Handlungsform. Eine juristische Person des Privatrechts unterliegt der unmittelbaren Grundrechtsbindung, wenn sie von der öffentlichen Hand beherrscht wird oder in deren Alleineigentum steht. Im konkreten Fall steht das Freizeitbad im Alleineigentum des Fremdenverkehrsverbandes, der eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist. An der unmittelbaren Grundrechtsbindung der GmbH bestehen demnach keine Zweifel.

Die Ungleichbehandlung ist im konkreten Fall nicht gerechtfertigt. Der Wohnsitz allein ist kein legitimer Grund für eine Bevorzugung, es bedarf vielmehr noch weiterer hinreichender Sachgründe, die untrennbar mit dem Wohnort zusammenhängen, um eine Bevorzugung zu rechtfertigen. Ein solches legitimes Ziel kann etwa die Versorgung mit wohnortnahen Bildungsangeboten, die Verursachung eines höheren Aufwandes durch Auswärtige, die Konzentration von Haushaltsmitteln auf die Aufgabenerfüllung gegenüber Gemeindeeinwohnern oder ein Lenkungszweck sein, der vor der Verfassung Bestand hat.

Im kommunalen Bereich bedürfen nach der Rechtsprechung des BVerfG nichtsteuerliche Abgaben zur Wahrung des Grundsatzes der Belastungsgleichheit, der aus der abgabenrechtlichen Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes folgt und die durch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie gewährleistete Finanzhoheit der Gemeinden (Art. 28. Abs. 2 Satz 1 GG) begrenzt, einer über den Zweck der Einnahmeerzielung hinausgehenden besonderen sachlichen Rechtfertigung. Als solche sind neben der Kostendeckung auch Zwecke des Vorteilsausgleichs, der Verhaltenslenkung sowie soziale Zwecke anerkannt.

Verfolgt eine Gemeinde durch die Privilegierung Einheimischer das Ziel, knappe Ressourcen auf den eigenen Aufgabenbereich zu beschränken, Gemeindeangehörigen einen Ausgleich für besondere Belastungen zu gewähren, Auswärtige für einen erhöhten Aufwand in Anspruch zu nehmen oder soziale und kulturelle Belange der örtlichen Gemeinschaft zu fördern und die dadurch den kommunalen Zusammenhalt zu stärken, kann dies mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sein.

Diese legitimen Ziele lagen hier nicht vor. Der Fremdenverkehrsverband hat als satzungsgemäße Aufgabe die Förderung des Fremdenverkehrs, wozu er insbesondere Einrichtungen wie das Freizeitbad betreibt. Dieses sei auf Gewinnerzielung und Förderung des Tourismus und damit explizit auf Überregionalität und nicht auf die Erfüllung kommunaler Aufgaben im engeren Sinne ausgerichtet.

Der Kläger wurde ferner in seinem Grundrecht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) verletzt. Ein Verstoß liegt nicht nur vor, wenn ein Gericht fälschlicherweise nicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV eine entscheidungserhebliche Frage an den EuGH vorlegt, sondern auch, wenn bewusst die bestehende EuGH Rechtsprechung ignoriert und bei der Entscheidungsfindung nicht beachtet wird. Diesbezüglich hat sich das OLG hinsichtlich des materiellen Unionsrechts nicht hinreichend kundig gemacht.

Bewertung

Bei der Betrachtung des Beschlusses sind insbesondere die im Urteil aufgeführten Rechtfertigungsgründe für eine Ungleichbehandlung zu beachten. Die Kommunen müssen hier das Spannungsfeld zwischen ihrer Aufgabenerfüllung im sozialen und kulturellen Bereich erfüllen und gleichzeitig die Haushaltslage bei unterfinanzierten kommunalen Einrichtungen im Blick behalten. Um den Bürgern die kostengünstige Teilnahme an defizitär arbeitenden Einrichtungen zu ermöglichen, kann eine unterschiedliche Preisgestaltung zwischen Gemeindebürgern und Auswärtigen gerechtfertigt sein. Weitere Rechtfertigungsgründe sind die Versorgung mit wohnortnahen Bildungsangeboten, die Verursachung eines höheren Aufwandes durch Auswärtige und die Konzentration von Haushaltsmitteln auf die Aufgabenerfüllung gegenüber Gemeindeeinwohnern.

Eine Rechtfertigung nach den vom BVerfG aufgestellten Kriterien ist dann schwerlich möglich, wenn die Einrichtung, wie im vorliegenden Fall, bewusst um auswärtige Benutzer wirbt.
Der Beschluss ist auf der Website des Bundesverfassungsgerichtes http://www.bundesverfassungsgericht.de/ unter Entscheidungen mit dem Aktenzeichen 2 BvR 470/08 abrufbar.

Az.: 28.5-000/001 we

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