Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 354/2015 vom 18.05.2015

Bundesverfassungsgericht zum Planungsschadensrecht

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 16.12.2014 (1 BvR 2142/11) zum Planungsschadensrecht Stellung genommen. Die Entscheidung befasst sich mit der entschädigungsrechtlichen Reduktionsklausel nach Ablauf der siebenjährigen Plangewährleistungspflicht. Die Entscheidung des BVerfG hat Bedeutung für die Frage der von den Kommunen zu leistenden Entschädigungshöhe bei der Überplanung von unbebauten Baulandflächen und betrifft eine Verfassungsbeschwerde der Enteignungsbehörde des Landes Berlin gegen ein Urteil des BGH v. 07.07.2011 (III ZR 156/10).

Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine Entscheidung auf dem Gebiet des Planungsschadensrechts, mit der der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung zur "isolierten" eigentumsverdrängenden Planung fortentwickelt hatte. Das von der Entscheidung betroffene Grundstück wurde in den Geltungsbereich eines förmlich festgesetzten Sanierungsgebiets als Standort für eine öffentliche Grünfläche einbezogen.

Die Grundstückseigentümer verlangten daraufhin die Entziehung des Eigentums zugunsten der Stadt Berlin gegen eine Entschädigung auf der Basis von Baulandpreisen. Die unabhängige Enteignungsbehörde des Landes Berlin setzte hierzu nur eine Entschädigung von 105.500 Euro für die auf dem Grundstück tatsächlich ausgeübte Nutzung als unbebaute Baulücke fest, da das Baugesetzbuch nach einem Zeitraum von 7 Jahren ungenutzter Baulandqualität nur noch eine Entschädigung der Nutzung vorsieht, die tatsächlich auf dem Grundstück ausgeübt wird.

Hintergrund dieser Sieben-Jahres-Frist ist die im Jahre 1976 in das Baugesetzbuch (seinerzeit Bundesbaugesetz) eingeführte Regelung zur Beschränkung der Entschädigung bei Planungsschäden gegenüber der bis dahin geltenden zeitlich unbeschränkten Plangewährleistung. Hierzu heißt es in der Bundestags-Drucksache 7/2496 auf Seite 29: "Da nach dem Bundesbaugesetz die Planungsschäden uneingeschränkt entschädigt werden, die Planungsgewinne den Eigentümern aber weitgehend verbleiben, ...hat diese Rechtslage dazu geführt, dass - allgemein gesprochen - die Gewinne 'privatisiert', die Verluste aber 'sozialisiert' werden." Die Einführung der Sieben-Jahres-Frist wurde wie folgt begründet: „Nach Ablauf der Frist stellt sich die eröffnete Möglichkeit der Nutzung im enteignungsrechtlichen Sinne nachträglich als eine nicht ausgenutzte Chance dar, die als solche nicht (mehr) zu entschädigen ist" (BT Drucks 7/2496, S. 56).

In mehreren Fällen, in denen die Enteignungsbehörde des Landes Berlin die daraufhin gesetzlich normierte Reduktion der Entschädigung von der zulässigen auf die ausgeübte Nutzung zur Anwendung brachte, hob der Bundesgerichtshof die Entscheidungen der Enteignungsbehörde auf und begründete dies damit, dass in Fällen einer "isolierten" eigentumsverdrängenden Planung aufgrund der vom Grundgesetz geschützten Eigentumsgarantie die Enteignungsentschädigung nach derjenigen Grundstücksqualität bemessen werden müsse, die das enteignete Grundstück vor der es herabzonenden Ausweisung im Bebauungsplan besessen habe, unabhängig vom Ablauf der siebenjährigen Plangewährleistungspflicht.

Das erstinstanzliche Landgericht Berlin erhöhte auf Basis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die vom Land Berlin zu leistende Entschädigung auf 225.000 Euro, da es bei Planung einer Grünfläche eine Übernahme durch Berlin und trotz der Regelung im Baugesetzbuch den Baulandpreis für maßgeblich hielt. Das zweitinstanzliche Kammergericht hob auf die Berufung der Enteignungsbehörde das landgerichtliche Urteil auf und stellte die Entscheidung der Enteignungsbehörde wieder her.

Auf die dagegen erhobene Revision durch die Grundstückseigentümer hob der Bundesgerichtshof wiederum das Urteil des Kammergerichts auf und verpflichtete das Land Berlin trotz Ablaufs der Sieben-Jahres-Frist zur Zahlung einer Entschädigung auf Basis der zulässigen Baulandqualität für die bis dahin unbebaute Fläche. Der Bundesgerichtshof stützt seine Rechtsprechung auf das im Grundgesetz geschützte Eigentumsgrundrecht. Dieses garantiere dem Grundstückseigentümer eine Entschädigung nach Baulandpreisen selbst dann, wenn das für Zwecke der öffentlichen Daseinsvorsorge in Anspruch genommene Grundstück mehr als 7 Jahre nicht baulich genutzt worden sei.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung diese vermeintlich "verfassungskonforme" Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für verfassungswidrig erklärt, bevor nicht das Bundesverfassungsgericht selbst eine Entscheidung über die Gültigkeit oder Nichtgültigkeit der Reduktionsklausel nach Ablauf der siebenjährigen Plangewährleistungspflicht gesprochen hat. Hierzu führt es auf der letzten Seite seiner Entscheidung aus: "Es ist zumindest möglich, dass das Bundesverfassungsgericht die gesetzliche Regelung als verfassungsgemäß erachtet und die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz festgestellt hätte (wie etwa in den Fällen BVerfGE 77, 370; 78, 104). An diese Entscheidung mit Gesetzeskraft (§ 31 Abs. 2 BVerfGG) wäre der Bundesgerichtshof dann für sein abschließendes Urteil gebunden gewesen, hätte die Reduktionsklausel also nicht unangewendet lassen können."

Baulandflächen, die über 7 Jahre lang nicht bebaut wurden, müssen deshalb nach dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegenwärtig nicht nach Baulandpreisen entschädigt werden, sondern, solange das Bundesverfassungsgericht die entschädigungsrechtliche Reduktionsklausel des Baugesetzbuches nicht für verfassungswidrig erklärt hat, nach dem Wert der Nutzung, die auf ihnen tatsächlich ausgeübt wird. Der Bundesgerichtshof hat die Gelegenheit erhalten, seine Auffassung zur Verfassungswidrigkeit des aus seiner Sicht anzuwendenden Gesetzesrechts zu überprüfen und für den Fall, dass er an seiner bisherigen Überzeugung festhält, über eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG in Verbindung mit § 80 BVerfGG zu beschließen.

Az.: II gr-la

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