Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 495/2015 vom 04.08.2015

Bundesverfassungsgericht zu Immissionsschutz und Geflügelmastanlage

Soll eine Anlage zur Hähnchenmast in der Nähe von Wohnbebauung errichtet werden, kann der Einbau einer Abluftbehandlungsanlage zur Vermeidung einer zusätzlichen Belastung der Nachbarschaft durch Bioaerosole auch dann geboten sein, wenn die Abluftbehandlung in der Geflügelhaltung aus wirtschaftlichen Gründen noch nicht dem Stand der Technik entspricht. Das hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 23.07.2015 entschieden (Az.: 7 C 10.13). Das Verwaltungsgericht muss die Erforderlichkeit dieser Vorsorgemaßnahme jetzt erneut prüfen.

Im zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Landkreis Oldenburg dem Kläger eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von zwei Hähnchenmastställen mit insgesamt 84.900 Plätzen erteilt. Aus Gründen der Vorsorge hat er dem Kläger aufgegeben, eine Abluftbehandlungsanlage einzubauen, um auf einem 250 Meter entfernt liegenden Wohngrundstück eine Bioaerosol-Zusatzbelastung zu verhindern.

Das VG Oldenburg verpflichtete den Beklagten, dem Kläger die Genehmigung ohne die Anordnung zu erteilen. Es sei nicht geklärt, ob die Anlage überhaupt zu einer zusätzlichen Bioaerosol-Belastung des Wohngrundstücks führe. Unabhängig hiervon sei die Anordnung unverhältnismäßig. Abluftreinigungsanlagen entsprächen in der Geflügelhaltung noch nicht dem Stand der Technik. Der Beklagte habe auch nicht dargelegt, dass die Ställe mit der Abluftbehandlung wirtschaftlich betrieben werden könnten. Zudem sei der Verdacht, dass Bioaerosole aus gewerblichen Tierhaltungen die Gesundheit von Nachbarn gefährden könnten, mit erheblichen Unsicherheiten verbunden.

Urteil aufgehoben

Das BVerwG hat das Urteil aufgehoben und die Sache an das VG zurückverwiesen. Zwar beruhe die Annahme, dass die Abluftbehandlung in der Geflügelhaltung noch nicht dem Stand der Technik entspricht, weil sie wirtschaftlich noch nicht allen Anlagenbetreibern unabhängig vom Standort ihrer Anlage zumutbar ist, auf Tatsachenfeststellungen des VG, an die der Senat gebunden ist. Wenn die Geflügelställe in der Nachbarschaft zu Wohnbebauung errichtet werden sollen, könne die Abluftbehandlung aber eine im Einzelfall erforderliche und wirtschaftlich zumutbare Vorsorgemaßnahme sein. Das könne nicht ausgeschlossen werden, ohne zu ermitteln, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang es auf den Wohngrundstücken anlagebedingt zu einer relevanten Zusatzbelastung durch Bioaerosole kommt.

Das BVerwG hat mit der vorstehenden Entscheidung die Grundlagen der Verhältnismäßigkeitsprüfung im Falle immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen präzisiert. Demnach ist es erforderlich, einzelfallbezogen zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang es auf Wohngrundstücken anlagebedingt zu relevanten Belastungen — hier durch Bioaerosole — kommen kann. Mithin ist dem Schutzgut der menschlichen Gesundheit im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit eine besondere Bedeutung beizumessen, die im Einzelfall besondere Vorsorgemaßnahmen erforderlich machen kann.

Az.: II/1 620-00 be-ko

ICON/icon_verband ICON/icon_staedtebau ICON/icon_recht ICON/icon_finanzen ICON/icon_kultur ICON/icon_datenverarbeitung ICON/icon_gesundheit ICON/icon_verkehr ICON/icon_bau ICON/icon_umwelt icon-gemeindeverzeichnis icon-languarge icon-link-arrow icon-login icon-mail icon-plus icon-search