Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 335/2005 vom 12.04.2005

Bundesverfassungsgericht gibt Kontenabrufverfahren frei

Das so genannte Kontenabrufverfahren kann nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23.03.2005 planmäßig zum 01.04.2005 in Kraft treten. Dadurch haben auch Kommunen ab diesem Datum die Möglichkeit, bestimmte Stammdaten der Antragsteller abzufragen. Dies betrifft nach einem Anwendungserlass des Bundesfinanzministeriums insbesondere die Bereiche Wohngeld, soziale Wohnraumförderung und Sozialhilfe. Das Arbeitslosengeld II ist dagegen ausdrücklich ausgeschlossen.

Grundlage für diese Ausweitung des Kontenabrufverfahrens ist das vom Gesetzgeber am 23. Dezember 2003 verabschiedete „Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit“ (Steueramnestiegesetz). Dadurch wurden in § 93 der Abgabenordnung die neuen Absätze 7 und 8 eingefügt, die Behörden und Gerichten die Möglichkeit eröffnen, über das Bundesamt für Finanzen (BfF) Konteninformationen aus den nach § 24 c Kreditwesengesetz (KWG) zu führenden Kontenzentraldateien abzurufen. Bei den Kontoinformationen handelt es sich um Stammdaten der Bankkunden, wie Name, Geburtsdatum, Anschrift sowie Zahl der Konten und die zuständigen Kreditinstitute. Nicht dagegen kann der Kontostand bzw. der Stand eines Depots abgefragt werden. Dies kann erst dann erfolgen, wenn sich auf Grund der Stammdaten der Verdacht einer Straftat ergibt.

In dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht lehnte dies den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem das In-Kraft-Treten des Gesetzes zum 01.04.2005 hätte verhindert werden können, ab. Die Antragsteller sind der Auffassung, dass das Gesetz verfassungswidrig sei, weil es unter anderem gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) verstoße. Die Antragsteller rügen insbesondere die Regelung in § 93 Abs. 8 Abgabenordnung, wonach für die Inanspruchnahme des Kontenabrufverfahrens lediglich erforderlich ist, dass auf der Grundlage eines Gesetzes zu entscheiden ist, dass an die „Begriffe des Einkommensteuergesetzes“ angeknüpft wird. Diese Regelung sei zu unbestimmt und unverhältnismäßig. Weiterhin rügen sie, dass für den Betroffenen keine Rechtsschutzmöglichkeit gegen den Kontenabruf bestehe, da er von dem Verfahren nicht in Kenntnis gesetzt würde.

Seine ablehnende Entscheidung begründet das Bundesverfassungsgericht damit, dass die von den Antragstellern gerügten Rechtsverletzungen durch einen Anwendungserlass des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 10.03.2005 (Gz. IV A 4 S 0062 – 1/05) deutlich abgeschwächt sind.

In dem Anwendungserlass werden u. a. die Schutzvorkehrungen für die Betroffenen konkretisiert. So wird darin betont, dass ein Abruf der Kontenstammdaten nur anlassbezogen und zielgerichtet und unter Bezugnahme auf eindeutig bestimmte Personen zulässig ist. Der Erlass schreibt ferner vor, dass den Betroffenen zunächst Gelegenheit zu geben ist, selbst Auskunft über ihre Konten und Depots zu erteilen und entsprechende Unterlagen vorzulegen, es sei denn, der Ermittlungszweck würde dadurch gefährdet.

In seiner Entscheidung betont das Gericht außerdem, dass durch die im Anwendungserlass vorgesehenen Informationspflichten gegenüber den Betroffenen sichergestellt wird, dass diesen nicht die Möglichkeit der Inanspruchnahme eines effektiven Rechtschutzes abgeschnitten wird. Nach den weiteren Ausführungen des Gerichts ist es als ausreichend anzusehen, dass der Anwendungserlass des BMF nur die Finanzbehörden und das Bundesamt für Finanzen und nicht die Behörden bindet, die die Auskunft ersuchen. Die Beachtung der Bestimmungen des Erlasses wird dadurch sichergestellt, dass diese Behörden ihr Ersuchen an Finanzbehörden als „ersuchte“ Behörden i. S. d. § 93 Abs. 8 AO richten müssen, die ihrerseits an den Anwendungserlass gebunden sind. Weiterhin stellt das Gericht fest, dass die in § 93 Abs. 8 AO vorgesehene Anknüpfung eines anderen Gesetzes an „Begriffe des Einkommensteuergesetzes“ für einen Rückgriff auf den Kontenabruf auch durch den Anwendungserlass und die darin unter Bezugnahme auf entsprechende Gesetze genannten Anwendungsbereiche so weit eingegrenzt werden, dass eine einstweilige Anordnung nicht erlassen werden muss. Im Ergebnis kommt das Gericht deshalb innerhalb der im einstweiligen Rechtschutzverfahren vorzunehmenden Folgenabwägung zu dem Ergebnis, dass die befürchteten Nachteile für die Betroffenen nicht so schwerwiegend seien, dass es den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigen würde.

Gleichwohl ist zu betonen, dass eine Entscheidung des Gerichts in dem laufenden Verfassungsbeschwerdeverfahren in der Hauptsache offen ist. Insoweit sind insbesondere die Ausführungen des Gerichts beachtenswert, in denen es betont, dass in dem Verfassungsbeschwerdeverfahren u. a. zu prüfen sein wird, ob die angegriffenen Regelungen den Anforderungen der Gesetzesbestimmtheit und der Verhältnismäßigkeit gerecht werden. Hierbei ist zu bedenken, dass das Gericht in der Hauptsache die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes prüfen wird und dass diese bekanntlich nicht im Erlasswege geheilt werden kann.

Für Kommunen bedeutet die Entscheidung, dass sie in den Bereichen, die im Anwendungserlass genannt sind, das Kontenabrufverfahren ab dem 01.04.2005 nutzen können. Dies betrifft insbesondere die Auskunftsmöglichkeiten für
die Bereiche Sozialhilfe, soziale Wohnraumförderung und Wohngeld. In dem Erlass ist dagegen ausdrücklich das Arbeitslosengeld II ausgenommen. Bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes II sei zwar das „Einkommen“ des Antragstellers zu berücksichtigen, dieser Begriff werde aber abweichend vom EStG definiert (§ 11 SGB II). Es liege somit kein Anknüpfen an Begriffe des EStG vor. Diese rein formale Argumentation übersieht allerdings, dass es bei der Entscheidung über Gewährung von Arbeitslosengeld II im Interesse einer ordnungsgemäßen Sachentscheidung ebenso erforderlich ist, die Möglichkeit des Kontenabrufs zu eröffnen. Denn Einkommen und Vermögen werden im Rahmen des Arbeitslosengeldes II angerechnet. Im Übrigen knüpft auch das SGB II bei Einnahmen aus Kapitalvermögen in Anlehnung an § 82 SGB XII an die Begriffe des Einkommensteuerrechts an. Es ist nicht nachvollziehbar, dass das Bundesfinanzministerium im Erlasswege verschiedene Einkommensbegriffe definiert, um so zu einem Ausschluss verschiedener Regelungsbereiche aus dem Kontenabrufverfahren zu gelangen. Im Gesetz jedenfalls findet die Differenzierung, die dieser Definition des Einkommensbegriffs zugrunde liegt, jedenfalls keine Grundlage. Insofern ist in diesem Punkt eine andere Auslegung der Abgabenordnung, als im Erlass vorgesehen, zu fordern.

Der Anwendungserlass des BMF vom 10.03.2005 kann im Internet unter www.bundesfinanzministerium.de abgerufen werden. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23.03.2005, Az: 1 BvR 2357/04 und 1 BvQ 2/05, ist abrufbar unter www.bundesverfassungsgericht.de.

Az.: IV/1 971-00

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