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StGB NRW-Mitteilung 81/2022 vom 02.02.2022

Bundesverfassungsgericht: Auch Politiker müssen nicht alle Äußerungen gegen sich akzeptieren

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 19. Dezember 2021 (1 BvR 1073/20) im Fall „Künast“ deutlich gemacht, dass Politikerinnen und Politiker gegen Beschimpfungen insbesondere im Netz nicht wehrlos sind. Zum konkreten Sachverhalt sei auf die unter  https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/bvg22-008.html abrufbare Pressemitteilung Nr. 8/2022 vom 02. Februar 2022 des Gerichts verwiesen. Im Konkreten ging es um die Frage, nach welchen Kriterien Äußerungen Dritter die Annahme einer Beleidigung begründen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Voraussetzungen einer sachgerechten Abwägung konkretisiert und insoweit zugleich die Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit aufgezeigt.

Zunächst sei auf eine zentrale Botschaft des Bundesverfassungsgerichts hingewiesen. Diese lautet: „Gegenüber einer auf die Person abzielenden, insbesondere öffentlichen Verächtlichmachung oder Hetze setzt die Verfassung allen Personen gegenüber äußerungsrechtliche Grenzen und nimmt hiervon Personen des öffentlichen Lebens und Amtsträgerinnen und Amtsträger nicht aus. Dabei liegt insbesondere unter den Bedingungen der Verbreitung von Informationen durch „soziale Netzwerke“ im Internet ein wirksamer Schutz der Persönlichkeitsrechte von Amtsträgerinnen und Amtsträgern sowie Politikerinnen und Politikern über die Bedeutung für die jeweils Betroffenen hinaus im öffentlichen Interesse, was das Gewicht dieser Rechte in der Abwägung verstärken kann. Denn eine Bereitschaft zur Mitwirkung in Staat und Gesellschaft kann nur erwartet werden, wenn für diejenigen, die sich engagieren und öffentlich einbringen, ein hinreichender Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte gewährleistet ist.“

Zu den konkreten Anforderungen an die Abwägung führt das Bundesverfassungsgericht aus: „Das bei der Abwägung anzusetzende Gewicht der Meinungsfreiheit ist umso höher, je mehr die Äußerung darauf zielt, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten, und umso geringer, je mehr es hiervon unabhängig lediglich um die emotionalisierende Verbreitung von Stimmungen gegen einzelne Personen geht. Bei der Gewichtung der durch eine Äußerung berührten grundrechtlichen Interessen ist zudem davon auszugehen, dass der Schutz der Meinungsfreiheit gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen ist und darin unverändert seine Bedeutung findet. In die Abwägung ist daher einzustellen, ob die Privatsphäre der Betroffenen oder ihr öffentliches Wirken mit seinen - unter Umständen weitreichenden - gesellschaftlichen Folgen Gegenstand der Äußerung ist und welche Rückwirkungen auf die persönliche Integrität der Betroffenen von einer Äußerung ausgehen können. Allerdings bleiben die Gesichtspunkte der Machtkritik und der Veranlassung durch vorherige eigene Wortmeldungen im Rahmen der öffentlichen Debatte in eine Abwägung eingebunden und erlauben nicht jede auch ins Persönliche gehende Beschimpfung von Amtsträgerinnen und Amtsträgern oder Politikerinnen und Politikern.“

Anmerkung der Geschäftsstelle:

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist ausdrücklich zu begrüßen. Insbesondere die Begründung entspricht den langjährigen Argumenten des Verbandes, wonach Politikerinnen und Politiker auch auf der kommunalen Ebene vor Hass, Beleidigungen und Übergriffen durch den Staat geschützt werden müssen. Es bleibt zu hoffen, dass sich Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte diese klaren Leitlinien des Bundesverfassungsgerichts für künftige Fälle stets vergegenwärtigen und daher entsprechende Grenzüberschreitungen verfolgen und urteilen. Zugleich bleibt zu hoffen, dass sich auch die Gesellschaft bewusst ist, dass auch die Wahrnehmung kommunaler Ehrenämter zugunsten der Gesellschaft und damit letztendlich der Keimzelle der Demokratie keine Selbstverständlichkeit ist und auch dementsprechend schützenswert ist.

Az.: 14.0.35-002

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