Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 342/2011 vom 06.06.2011

Bundesrat für kommunale Position beim Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz

In seiner 883. Sitzung am 27.05.2011 hat der Bundesrat eine Stellungnahme zum Kabinettsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts (30.3.2011) beschlossen. Der Bundesrat folgt in zentralen Punkten der  Kritik der kommunalen Spitzenverbände, was mit Nachdruck zu begrüßen ist.  Abgelehnt wird durch den Bundesrat insbesondere der Vorschlag der Bundesregierung, gewerbliche Abfallsammlungen bei Privathaushalten nach Art eines öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers grundsätzlich in dauerhaft festen Konkurrenzstrukturen zu erlauben. Die entsprechende Begründung des Bundesrates wird nachfolgend wiedergegeben:

„Nach der Vorlage soll einer gewerblichen Sammlung von Abfällen künftig nicht mehr entgegenstehen, dass die Durchführung der Sammeltätigkeit auf Grundlage vertraglicher Bindungen zwischen dem Sammler und der privaten Haushaltung in dauerhaften Strukturen erfolgt. Dies steht jedoch im Widerspruch zu der vorgesehenen Regelung in § 17. Ausweislich der Begründung zu dieser Vorschrift soll die Reichweite der Überlassungspflichten gegenüber der bisherigen Rechtslage nicht verändert werden. Zur bisherigen Rechtslage hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 18.06.2009 (7 C 16/08) festgestellt, dass eine Einbeziehung Dritter bei der Verwertung von Haushaltsabfällen einschließlich getrennt bereitgestellter verwertbarer Fraktionen nicht in Betracht kommt, da die Erzeuger oder Besitzer von Abfällen aus privaten Haushaltungen gerade nicht zur Verwertung und Beseitigung verpflichtet sind (vgl. Rn. 22 des Entscheidungsumdrucks).

Eine vertragliche Bindung zwischen gewerblichem Sammler und privater Haushaltung würde jedoch, auch wenn die Initiative formal von Seiten des Sammlers erfolgt, im Ergebnis eine Drittbeauftragung durch den privaten Haushalt in anderem Gewand darstellen. Da darüber hinaus selbst eine gewerbliche Sammlung energetisch verwertbarer Abfälle nicht grundsätzlich ausgeschlossen wäre, birgt die vorgesehene Regelung im Entwurf der Bundesregierung die Gefahr, dass die Überlassungspflichten an die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nahezu vollständig ausgehöhlt werden könnten. Das geltende Recht in der Auslegung des Begriffs der gewerblichen Sammlung durch das Bundesverwaltungsgericht ist auch — bezogen auf den besonderen Kontext der Überlassungspflichten — europarechtskonform.

Das Europarecht räumt den Mitgliedstaaten ausdrücklich eigene Spielräume für die regionale und lokale Selbstverwaltung ein (Artikel 4 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union — EUV). Außerdem verpflichtet der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union dazu, dass die Europäische Union und die Mitgliedstaaten für Aufgaben von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse die Grundsätze und Bedingungen, vor allem wirtschaftlicher oder finanzieller Art, so gestalten, dass deren Funktionsfähigkeit gewährleistet ist (Artikel 14 AEUV, ex-Artikel 16 EGV). Neuerdings ist hier sogar die Europäische Union zum Handeln verpflichtet (Artikel 14 Satz 2 AEUV — seit 01.12.2009); es wird in Bezug auf diese Anerkennung der Daseinsvorsorge auch von einem "Vertragsstrukturgrundsatz und Unionsstrukturprinzip" gesprochen (Knauff, EuR 2010, S. 725 ff).

Diese Anforderungen bedeuten, dass auf mitgliedstaatlicher Ebene die Instrumente der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger mit ihrem besonderen Aufgabenprofil nicht unverhältnismäßig geschwächt werden dürfen. Auch das Protokoll Nummer 26 zum Lissabon-Vertrag über die Dienste von allgemeinem Interesse erkennt eine Verantwortung der Mitgliedstaaten bei Daseinsvorsorgeleistungen an und nennt dabei auch die Qualität, Bezahlbarkeit und den universellen Zugang der Nutzerrechte (Artikel 1 letzter Spiegelstrich). Die EU-Grundrechte-Charta erkennt seit 01.12.2009 ebenfalls den Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse an (Artikel 6 EUV i.V.m. Artikel 36 GRC).

Wegen dieser grundsätzlichen Vorgaben müssen auch die Sonderregeln des europäischen Rechts zur Warenverkehrsverkehrsfreiheit (Artikel 28 ff./34, 36 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union — AEUV) und die speziellen Wettbewerbsregeln (Artikel 101 ff./106 AEUV) im Lichte des besonderen Stellenwerts der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse ausgelegt werden.

Aber auch durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs wurde den Mitgliedstaaten ein weiter Gestaltungsspielraum im Sinne einer Vertretbarkeitskontrolle eingeräumt, was die Rechtfertigung von Dienstleistungsmonopolen nach Artikel 106 Absatz 2 AEUV angeht (jüngst, EuGH, Urteil vom 06.10.2009 — T-8/06). Beim Bereich der Hausmüllentsorgung als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse ist anerkannt, dass diese durchaus auch durch öffentliche Einrichtungen wahrgenommen werden darf (EuGH, Urteil vom 10.11.1998 — C-360/96 Arnheim). Um die Erfüllung dieser — im Gemeinwohl liegenden — Aufgaben zu wirtschaftlich annehmbaren Bedingungen zu ermöglichen, können Beschränkungen des Wettbewerbs auch im Bereich wirtschaftlich einträglicher Gebiete zulässig sein (EuGH, Urteil v. 19.05.1993 —
C-320/91 — Corbeau). Auch das Argument, bei "höherwertigen" konkurrierenden Angeboten anderer Anbieter müsse Wettbewerb erlaubt werden (EuGH, v. 27.04.1994 — C-393/92 — Almelo), kann nicht verfangen, da die Angebote der gewerblichen Sammler generell nicht im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse liegen, denn sie sind nur zeitlich und räumlich begrenzt und die Privaten übernehmen auch nicht die sonstigen Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers (Entsorgungsplanung, Entsorgungssicherheit, Abfallberatung etc.); insofern ist das Angebot des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers in jedem Fall als höherwertiger zu betrachten.“

Die Bundesrats-Drucksache 216/11(B) steht unter www.bundesrat.de (Suche nach Stichwort „KrWG“) zum Download bereit. Die Geschäftsstelle wird über den weiteren Fortgang berichten.

Az.: II/2 31-02 qu/qu

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