Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 395/2012 vom 23.07.2012

Bundesnetzagentur zur Netzübernahme durch Stadtwerke-Tochtergesellschaft in Lübeck

Die Bundesnetzagentur (BNetzA) verpflichtet in einem Streit um eine Konzessionsübernahme den ehemaligen Konzessionsnehmer zur Übertragung sämtlicher auf dem Gemeindegebiet befindlicher Mittelspannungsstromnetze an einen kommunalen Netzbetreiber. Darüber hinaus hat der ehemalige Netzbetreiber ein verbindliches Konzept für die Netzübertragung vorzulegen. Der Beschluss hatte den oftmals strittigen Umfang der Übertragung von „gemischt-genutzten“ Leitungen und Netzelementen im Rahmen der Konzessionsvergabe bzw. der kommunalen Netzentflechtung zum Gegenstand.

Sachverhalt

Zwischen dem ehemaligen Konzessionsinhaber und Netzbetreiber, Schleswig-Holstein Netz (SHN), und der Gemeinde Ratekau wurde im Jahr 1991 ein Konzessionsvertrag geschlossen, der Ende 2011 auslief. Die Gemeinde vergab die neue Konzession im Frühjahr 2010 an eine Tochter der Stadtwerke Lübeck. In den Verhandlungen über den Übergang des örtlichen Stromversorgungsnetzes stritten der ehemalige Netzinhaber und die Gemeinde über den Übergang von Verteilungsanlagen in der Mittelspannungsebene, die sowohl der regionalen als auch der überregionalen Versorgung dienen (sog. „gemischt-genutzte Anlagen“), sowie die Übergabe von Informationen über die Verteilungsanlagen im Gemeindegebiet und der Anlagen des Gesamtnetzes der SHN. Im Laufe des Verfahrens gab die SHN die Netzinformationen zum Niederspannungsnetz, nicht jedoch für die Mittelspannung heraus. Im März 2011 hatte die neue Konzessionärin, eine Stadtwerketochter, die Eröffnung eines Verfahrens gegen die SHN bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) beantragt. Sie begehrt die Übertragung aller im Gemeindegebiet gelegenen Verteilungsanlagen einschließlich der Mittelspannungsanlagen und verlangt vom ehemaligen Netzbetreiber Auskunftserteilung. Die SHN entgegnet dem erhobenen Anspruch, dass der neu abgeschlossene Konzessionsvertrag unter verschiedenen Mängeln leide und behauptet, der Vertrag sei wegen Verstoßes gegen § 19 GWB nichtig. Im Januar 2012 erhob die Stadtwerke-Tochter Regionalnetz Ostholstein Süd (RNOHS) zudem Klage beim Landgericht Kiel.

Gründe

Die 6. Beschlusskammer der BNetzA spricht der Stadtwerke-Tochter RNOHS einen Anspruch auf sämtliche im Gemeindegebiet gelegene Mittelspannungsleitungen gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung zu. Darüber hinaus verpflichtet sie SHN bis Ende Oktober ein verbindliches Netzentflechtungskonzept für die Netzübertragung vorzulegen, aus dem die genaue Aufteilung des gesamten überlassenen Verteilernetzes hervorgeht und für die Netzgrenzen geeignete Übergabe und ihre technische Umsetzung zu bestimmen. Die BNetzA entschied zunächst, dass sie für die Entscheidung über Ansprüche zur Datenherausgabe zuständig sei. Es bestehe keine ausschließliche Zuständigkeit der Zivilgerichte. Auch eine parallele Klage des Neukonzessionärs vor dem Landgericht, die teilweise dieselben Fragen betreffe, mache ein regulierungsbehördliches Verfahren nicht unzulässig.

Die Stadtwerke-Tochter könne entweder die Übereignung oder die Besitzverschaffung an den Anlagen im Konzessionsgebiet verlangen. Damit einhergehend gehe die selbstständige Nebenpflicht Auskunft über die Daten zu den überlassenen Anlagen herauszugeben. Die Auskunft erfasse sowohl die technischen Daten, als auch die Netzpläne, Kundendaten sowie die Kostenstruktur des übergehenden Netzes. Die SHN könne sich nicht auf etwaige Mängel des neuen Konzessionsvertrags zwischen der Gemeinde und der RNOHS berufen, da ein Rechtsmangel des neuen Vertrags in dem Verhältnis zwischen Alt- und Neukonzessionär nicht zu prüfen sei. Es sei nicht die Aufgabe des alten Konzessionsnehmers oder der Regulierungsbehörde im Rahmen eines Aufsichtsverfahrens zu überprüfen, ob die Konzessionsvergabe rechtlich fehlerfrei erfolgte. Notwendig, aber auch ausreichend sei, dass die Gemeinde ihre Auswahlentscheidung durch Abschluss eines neuen Konzessionsvertrags zum Ausdruck gebracht habe. Etwaige Mängel müssten im Rahmen des Rechtsverhältnisses zwischen Gemeinde und Neukonzessionär oder Gemeinde und unterlegenem Bewerber geprüft werden. Etwas anderes gelte lediglich im Falle offensichtlicher und schwerwiegender Mängel. Die Berufung der SHN auf einen Verstoß der Vergabeentscheidung der Gemeinde, bei der sie sich einseitig an fiskalischen Interessen orientiert habe, sei jedenfalls kein offensichtlicher Mangel. Dem Gesetzeswortlaut des § 46 Abs. 2 S. 1 EnWG sei nicht zu entnehmen, dass Voraussetzung für die Übereignung auch ein rechtlich einwandfreier Konzessionsvertrag sei. Dies entspreche auch dem Zweck des Übereignungsanspruchs, der den neuen Netzbetreiber tatsächlich und rechtlich in die Lage versetzen solle, den Netzbetrieb aufzunehmen. Bei einer anderen Auslegung hätte zum einen der Altkonzessionär einen faktischen Vorteil gegenüber anderen Bewerbern um eine Konzession, zum anderen obläge ihm die Pflicht, das Vergabeverfahren zu prüfen, um sicherzugehen, dass er nicht an das falsche Unternehmen leistet und damit seine Pflicht aus § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG nicht erfüllt.

Zum Umfang des Auskunftsanspruchs führt die BNetzA aus, dass zu den Informationen, die für den Betrieb der Leitungen notwendig sind und dem Neukonzessionär zur Verfügung zu stellen sind, auch Informationen zu erstmaligen historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten, zum Jahr der erstmaligen Aktivierung, zu verwendeten kalkulatorischen Nutzungsdauern und Zeitpunkten etwaiger Nutzungsdauerwechsel, zu Wartungszustand des Sachanlagevermögens sowie zu vereinnahmten und nicht aufgelösten Netzanschlusskosten und Baukostenzuschüssen gehören. Diese Daten müssten aber nur in Bezug auf die zu übertragenden Teile des Netzes herausgegeben werden.

Bewertung

Der Beschluss der BNetzA vom 19. Juni 2012, Az.: BK6-11-079, bestätigt, dass auch sog. „multifunktionale Leitungen“ zu den im Gemeindegebiet notwendigen Verteilungsanlagen gehören und trägt damit zur Klärung einer oftmals strittigen Frage im Rahmen der Konzessionsübernahme bei. Die Netzübernahme, die in dem Fall durch eine Netz-kooperation zwischen mehreren kommunalen Netzbetreibern erfolgen sollte, wird durch die Entscheidung erheblich erleichtert. Gegen den Beschluss kann allerdings innerhalb eines Monats Beschwerde erhoben werden. Seine Rechtskraft steht daher noch aus. Im Übrigen bleibt auch das Verfahren beim Landgericht Kiel abzuwarten.

Az.: II/3 811-00/7

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