Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 497/2003 vom 16.06.2003

Bundesgerichtshof zur Stromeinspeisung bei Windkraftanlagen

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in drei Urteilen (VIII ZR 160/02, VIII ZR 161/02, VIII ZR 322/02) vom 11.06.2003 über Klagen entschieden, mit denen Betreiber von Windkraftanlagen von einem regionalen in Küstennähe ansässigen Elektrizitätsversorgungsunternehmen die Abnahme und Vergütung des von ihnen erzeugten Stroms verlangen.
 
Die Kläger, die jeweils Windkraftanlagen errichtet haben, verlangen in den
im wesentlichen gleich gelagerten Verfahren von dem beklagten
Elektrizitätsversorgungsunternehmen in erster Linie, die Anlagen an sein
Versorgungsnetz anzuschließen, den erzeugten Strom abzunehmen und ihn zu
bestimmten Preisen zu vergüten, hilfsweise jedenfalls einen entsprechenden
Stromeinspeisungsvertrag mit ihnen abzuschließen. Die Kläger berufen sich
auf das Stromeinspeisungsgesetz in der Fassung vom 24. April 1998 (StrEG
1998) und auf das Gesetz über den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG),
welches ab dem 1. April 2000 das StrEG 1998 abgelöst hat. Nach beiden
Gesetzen sind die Betreiber des einer Anlage zur Erzeugung von Strom aus
erneuerbaren Energien nächstgelegenen Versorgungsnetzes verpflichtet, den
erzeugten Strom abzunehmen und zu bestimmten, erheblich über dem Marktpreis
für herkömmlichen Strom liegenden Mindestpreisen zu vergüten. Die Beklagte
hat gegenüber den Klagen unter anderem geltend gemacht, die genannten
Gesetze verstießen gegen das Grundgesetz, weil sie unverhältnismäßig in die
Berufsfreiheit der Stromversorgungsunternehmen eingriffen. Die Pflicht zur
Abnahme und zur Zahlung der gesetzlich festgelegten Mindestvergütung sei
außerdem mit den Vorschriften des EG-Vertrages über das Verbot von
staatlichen Beihilfen und von Einfuhrbeschränkungen nicht vereinbar. Das
Oberlandesgericht hat den Klagen lediglich hinsichtlich des Hilfsantrags
stattgegeben und die Beklagten jeweils zum Abschluß eines den Bedingungen
des StrEG 1998 und des EEG entsprechenden Stromeinspeisungsvertrages
verurteilt.
 
Der Bundesgerichtshof hat die von den Oberlandesgerichten zugelassenen
Revisionen der Beklagten zurückgewiesen und in zwei Fällen auf die dort
eingelegte Anschlußrevision der Kläger die Beklagte unmittelbar zum Anschluß
der Anlagen sowie zur Abnahme und Vergütung des Stroms verurteilt. In
Anknüpfung an eine frühere zum Stromeinspeisungsgesetz in der Fassung vom 7.
Dezember 1990 ergangene Entscheidung des Kartellsenats des
Bundesgerichtshofs (BGHZ 134, 1) hat er die gesetzliche Abnahme- und
Vergütungspflicht nach dem StrEG 1998 und dem EEG als verfassungsgemäß
angesehen, weil die damit verbundenen Belastungen für die
Berufsausübungsfreiheit der Elektrizitätsversorger zumutbar seien. Die
Energieversorgungsunternehmen treffe auch nach Wegfall der gesetzlichen
Grundlagen für ihre monopolartige Stellung in bestimmten Versorgungsgebieten
durch die im Jahr 2000 erfolgte Liberalisierung des Strommarktes eine
besondere Verantwortung für eine ressourcen- und umweltschonende
Energieerzeugung. Die von ihnen betriebenen Versorgungsnetze seien
vorzugsweise geeignet, den Strom aufzunehmen und mit geringen Verlusten an
die Abnehmer weiterzuleiten. Gegen die Abnahme- und Vergütungspflicht
bestünden auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der
Energieversorgungsunternehmen keine Bedenken. Dem regional sehr
unterschiedlichen Aufkommen von aus erneuerbaren Energien gewonnenen Strom
(etwa aus Windkraft in Küstennähe) werde im StromEG 1998 durch eine
Härteklausel (§ 4 StrEG 1998) und im EEG durch eine bundesweite
Ausgleichsregelung (§ 11 EEG), durch welche die mit der Abnahmepflicht
verbundenen Mehrkosten weitgehend auf alle Versorgungsunternehmen umgelegt
würden, hinreichend Rechnung getragen. Im Anschluß an die Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 13. März 2001- Rs C-379/98) hat der
Bundesgerichtshof in der Abnahme- und Vergütungspflicht auch keinen Verstoß
gegen die europarechtlichen Verbote staatlicher Beihilfen an Private (Art.
87 EGV) und mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen (Art. 28 EGV) gesehen.
 
Im Gegensatz zur Vorinstanz hat der Bundesgerichtshof jedoch entschieden,
daß die Kläger die Beklagte unmittelbar auf Anschluß, Abnahme und Vergütung
in Anspruch nehmen und nicht - zunächst - nur den Abschluß eines
Stromeinspeisungsvertrages verlangen können. Gegen eine unmittelbare Klage
auf Leistung bestünden bei einem Kontrahierungszwang jedenfalls dann keine
Bedenken, wenn - wie hier - die gegenseitigen Hauptpflichten gesetzlich
feststünden.

Az.: IV/3 816-00

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