Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 236/2012 vom 08.03.2012

Bundesgerichtshof zur Auskunftspflicht von Wasserversorgern

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat Ende Januar 2012 seinen Beschluss vom 18.10.2011 (Az. KVR 9/11 — Vorinstanz: OLG Düsseldorf) veröffentlicht. Nach diesem Beschuss ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die Trinkwasser auf der Grundlage eines Anschluss- und Benutzungszwangs und einer Wassergebührensatzung liefert, jedenfalls ein Unternehmen im Sinne des § 59 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und deshalb nach dieser Vorschrift zur Auskunft über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse verpflichtet.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Um Informationen über Entgelte, Kosten und Erlöse in möglichen Vergleichsgebieten zu erlangen, erließ das Bundeskartellamt Auskunftsbeschlüsse gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 1 GWB gegen 45 Trinkwasserversorgungsunternehmen, darunter ein Zweckverband, der für die Versorgung mit Trinkwasser Wassergebühren auf der Grundlage einer kommunalen Gebührensatzung erhebt. Der Zweckverband legte gegen den Auskunftsbeschluss Beschwerde ein. Das OLG Düsseldorf ordnete mit Beschluss vom 08.12.2010 (Az. VI-2 Kart 1/10 (V)) auf Antrag des Zweckverbandes gemäß § 65 Abs. 3 Satz 3 in Verbindung mit Satz 1 Nr. 3 GWB die aufschiebende Wirkung der Beschwerde an.

Es bestanden nach dem OLG Düsseldorf ersthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Auskunftsbeschlusses, weil der Zweckverband — so das OLG Düsseldorf - nicht als Unternehmen im Sinne des § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GWB anzusehen sei. Die Versorgungstätigkeit des Zweckverbandes sei — so das OLG Düsseldorf — als hoheitlich zu qualifizieren und damit dem Anwendungsbereich des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) entzogen. Hiergegen legte das Bundeskartellamt Beschwerde ein.

Nach dem BGH können auch Körperschaften des öffentlichen Rechts „Unternehmen“ im Sinne des Kartellrechts sein, wenn und soweit sie wirtschaftlich tätig sind. Das ist aber nach dem BGH nicht der Fall, wenn die Körperschaft ihre Leistungsbeziehungen zu den Abnehmern öffentlich-rechtlich organisiert — also etwa durch eine öffentliche-rechtliche Satzung geregelt — hat, denn dann ist sie nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, Urteil vom 26.10.1961 — KZR 1/61, BGHZ 36, 91, 101; BGH, Urteil vom 25.6.1964 — KZR 4/63, GRUR 1965, 110, 114) grundsätzlich dem Anwendungsbereich des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) entzogen.

Dieses schließt nach dem BGH aber nicht aus, dass ein Wasserversorger, der sein Leistungsverhältnis öffentlich-rechtlich ausgestaltet hat, als „Unternehmen“ im Sinne des § 59 Abs. 1 GWB angesehen werden kann. Denn der im Kartellrecht geltende funktionale Unternehmensbegriff ist nach dem BGH „relativ“ zu verstehen (Anmerkung: d.h. wohl bezogen auf jeweilige in Rede stehende Vorschrift im GWB und ihrem speziellen Regelungsgehalt auszulegen und anzuwenden).

Danach ist ein Wasserversorger, auch wenn er in Bezug zu seinen Abnehmern in den Formen des öffentlichen Rechts tätig ist, jedenfalls ein „Unternehmen“ im Sinne des § 59 Abs. 1 GWB. Denn mit dieser Vorschrift soll nach dem BGH sichergestellt werden, dass sich die Kartellbehörden ausreichende Informationen beschaffen können, um ihre gesetzlichen Aufgaben ordnungsgemäß zu erfüllen. Dazu komme es im vorliegenden Zusammenhang darauf an, dass die Behörden Aufschluss über die Erlöse und Kosten von Wasserversorgern erhalten, die mit demjenigen Unternehmen, dessen Preisgestaltung untersucht werden solle gleichartig sind im Sinne des § 103 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 GWB in der Fassung der 5. GWB-Novelle 1990(vgl. BGH, Beschkluss vom 2.2.2010 — KVR 66/08 — BGHZ 184, 168ff. — Wasserpreise Wetzlar).

Dagegen geht es nicht darum — so der BGH — die Angemessenheit der Wasserpreise des in den Formen des öffentlichen Rechts tätigten Wasserversorgers zu überprüfen. Eine Auskunft könne deshalb unabhängig davon erteilt werden, ob der jeweilige Wasserversorger sein Leistungsverhältnis öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ausgestaltet habe. Seine öffentlich-rechtliche Tätigkeit werde dadurch nicht beeinträchtigt. Im Gegenteil stehe er insoweit auf einer Stufe mit allen anderen Wasserversorgern, die ebenfalls zu Auskünften nach § 59 Abs. 1 GWB verpflichtet seien.

Die Geschäftsstelle weist ergänzend auf Folgendes hin:

Der BGH hat zumindest in seinem Beschluss vom 18.11.2011 (Az.: KVR 9/11) klargestellt, dass eine öffentlich-rechtliche Körperschaft, die ihre Leistungsbeziehungen zu den Abnehmern öffentlich-rechtlich organisiert hat (Satzung mit Anschluss- und Benutzungszwang, Wassergebührensatzung) nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, Urteil vom 26.10.1961 — KZR 1/61, BGHZ 36, 91, 101; BGH, Urteil vom 25.6.1964 — KZR 4/63, GRUR 1965, 110, 114) grundsätzlich dem Anwendungsbereich des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen entzogen ist.

Dieses entspricht auch dem verfassungsrechtlichen System der Gewaltenteilung (Legislative, Exekutive und Judikative) in der Bundesrepublik Deutschland, denn öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse auf der Grundlage von kommunalen Satzungen sowie die Rechtsmäßigkeit von Gebührensatzungen werden durch die Verwaltungsgerichte also die Gerichtsbarkeit und nicht durch die Exekutive überprüft. Insoweit steht dem Bürger als Benutzer der öffentlich-rechtlich organisierten Wasserversorgungseinrichtung und als Gebührenschuldner jederzeit der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten offen.

Die Verwaltungsgerichte befinden dann darüber, ob ein Anschluss- und Benutzungszwang an die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung rechtmäßig ist (hierzu zuletzt: OVG NRW, Beschluss vom 14.4.2011 — Az.: 15 A 60/11 — abrufbar unter www.nrwe.de) oder ob die erhobene Wassergebühr rechtmäßig ist. Die Verwaltungsgerichte haben damit auch allein die Befugnis eine Wassergebührensatzung z.B. wegen Verstoßes gegen das Kommunalabgabengesetz des jeweiligen Bundeslandes für rechtswidrig zu erklären und den Wassergebührenbescheid aufzuheben, den der Bürger durch Klage vor dem Verwaltungsgericht angefochten hat. 

Az.: II/2 20-00 qu-ko

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