Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 618/2017 vom 28.08.2017

Bundesgerichtshof zu Überflutungsschaden durch Baumwurzeln

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 24.08.2017 (III- ZR 574/16) entschieden, dass Eigentümer von baumbestandenen Grundstücken nur unter besonderen Umständen für Rückstauschäden haften, die durch Wurzeleinwuchs in Abwasserkanäle entstehen.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin ist Eigentümerin eines Hausgrundstücks, welches an den städtischen Schmutz- und Regenwasserkanal angeschlossen ist. Das Grundstück der Klägerin grenzt an einen Wendeplatz der beklagten Gemeinde, auf dem ein Kastanienbaum steht. Die Klägerin hatte keine Rückstausicherung auf ihrem Grundstück eingebaut, obwohl dieses in der Abwasserbeseitigungssatzung der beklagten Gemeinde so vorgegeben war. Die öffentliche Regenwasserkanalisation konnte wegen eines Starkregens die Wassermassen im Juli 2012 nicht mehr ableiten, weil Wurzeln der auf dem Wendeplatz stehenden Kastanie in den Kanal eingewachsen waren und dessen Leistungsfähigkeit stark einschränkten.

Deshalb kam es zu einem Rückstau im öffentlichen Kanalsystem und auf dem Grundstück der Klägerin zu einem Austritt von Wasser aus einem unterhalb der Rückstauebene gelegenen Bodenablauf in den Keller. Die Klägerin macht  einen Rückstauschaden in Höhe von 30.376,72 € geltend, wobei sie ein Drittel des Schadenselbst tragen möchte, weil sie entgegen der Abwasserbeseitigungssatzung der beklagten Gemeinde keine Rückstausicherung auf ihrem Grundstück eingebaut hatte. Damit belief sich der geltend gemachte Schaden gegenüber der beklagten Gemeinde auf 20.251,14 €.

Nach der Pressemitteilung der BGH Nr. 132/2017 wird eine Haftung der beklagten Gemeinde aus der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Klägerin keine Rückstausicherung eingebaut hatte. Die Verpflichtung zum Einbau einer Rückstausicherung gilt gegenüber der beklagten Gemeinde nur bezogen auf das öffentlich-rechtliche Kanalbenutzungsverhältnis, welches durch die Abwasserbeseitigungssatzung begründet wird. Dieses bedeutet nach dem BGH aber nicht, dass die beklagte Gemeinde nicht auch als Eigentümerin des Baumgrundstückes (Wendeplatz mit Kastanie) haftet.

Die beklagte Gemeinde hatte nach dem BGH als Baumeigentümerin und als Betreiberin des öffentlichen Kanalsystems unmittelbaren Zugang zum gesamten ober- und unterirdischen Gefahrenbereich, der von dem Kastanienbaum ausging. Soweit im Rahmen der ohnehin gebotenen Inspektionen des öffentlichen Kanals die Einwurzelungen erkennbar gewesen wären, hätte die Gemeinde als Grundstückeigentümerin die Pflicht gehabt, diese rechtzeitig zu beseitigen.

Zu diesen Voraussetzungen muss das Berufungsgericht (OLG Braunschweig, Urteil vom 16.11.2016 — 3 U 31/16) nunmehr noch weitere Feststellungen nachholen, weshalb der BGH die Sache zur Entscheidung zurückverwiesen hat. Die Urteilsgründe zu dem BGH-Urteil vom 24.08.2017 (III ZR 574/16) liegen noch nicht vor.

Gleichwohl hat der BGH in seiner Pressemitteilung Nr. 132/2017 herausgestellt, dass die beklagte Stadt haftet und lediglich eine Kürzung des etwaigen Schadensersatzanspruchs wegen Mitverschuldens der Klägerin gemäß § 254 Abs. 1 BGB (Stichwort: fehlende Rückstausicherung) in Betracht kommt. Jedenfalls obliegt es nach dem BGH nicht einem Grundstückseigentümer  einen Kanal zu überprüfen, zu dem dieser keinen Zugang hat. Dennoch kann auch einem Grundstückseigentümer, auf dessen Grundstück ein Baum steht, die Verkehrssicherungspflicht treffen, zu prüfen, ob eine mögliche Verwurzelung eines Abwasserkanals vorliegen kann.

Dabei sind zunächst die räumliche Nähe des Baums und seiner Wurzeln zu dem Abwassersystem sowie die Art bzw. Gattung , Alter und Wurzelsystem (Flachwurzler, Herzwurzler, Tiefwurzler) des Baums zu berücksichtigen. Welcher Art Kontrollpflichten sind, hängt nach dem BGH von der Zumutbarkeit für den Grundstückseigentümer im Einzelfall ab. Dabei muss der Grundstückseigentümer aber regelmäßig nicht einen Kanal selbst überprüfen, zu dem er zumeist keinen Zugang hat.

Az.: 24.1.1 qu

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