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StGB NRW-Mitteilung 79/1996 vom 20.02.1996

Bürgerbegehren gegen Parkgebühren

Ausgelöst durch die Berichterstattung über den am 04.02.1996 in Remscheid durchgeführten Bürgerentscheid haben die Geschäftsstelle zahlreiche Anfragen zur Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens erreicht. Zwei Fragen bildeten hierbei den Schwerpunkt:

1. Kann ein Bürgerbegehren auch gegen "alte" Ratsbeschlüsse zulässig sein?

2. Kann die Frage der Abschaffung oder Einführung von Parkgebühren zulässiger Gegenstand eines Bürgerbegehrens sein?

Die Geschäftsstelle vertritt hierzu folgende Rechtsauffassung:

Zu 1.

Richtet sich ein Bürgerbegehren gegen einen Ratsbeschluß, muß es innerhalb von 6 Wochen nach der Bekanntmachung des Ratsbeschlusses eingereicht sein, wenn der Ratsbeschluß der Bekanntmachung bedarf; ansonsten beträgt die Frist 3 Monate nach dem Sitzungstag, an dem der Beschluß gefaßt wurde (§ 26 Abs. 3 GO). Diese Fristbestimmung bezieht sich auch auf Ratsbeschlüsse, die vor dem 17. Oktober 1994, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Regelung, gefaßt wurden. Es handelt sich hierbei nicht um den Fall einer verfassungsrechtlich unzulässigen Rückwirkung. Das Rückwirkungsverbot ist eine spezielle Ausprägung des aus dem verfassungsrechtlich verankerten Rechtsstaatsprinzips abgeleiteten Vertrauensschutzes. Wurden Ratsbeschlüsse vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts gefaßt, konnte niemand darauf vertrauen, jemals gegen diesen Ratsbeschluß mit einem Bürgerbegehren vorgehen zu können. Das Recht zur Einleitung eines Bürgerbegehrens, dessen Umfang durch die Fristbestimmung begrenzt wird, ist erst mit der Änderung der Gemeindeordnung am 17.10.1994 entstanden. Es sind auch keine Rechtsgründe ersichtlich, die den Gesetzgeber hätten verpflichten können, alle Ratsbeschlüsse vor dem 17.10.1994 dem Bürgerbegehren unabhängig von einer Frist zu öffnen. Die Frist soll eine zeitnahe Auseinandersetzung gewährleisten und verhindern, daß schon ausgeführte oder in Ausführung befindliche Beschlüsse wieder rückgängig gemacht werden müssen. Ein möglicherweise erheblicher personeller oder wirtschaftlicher Aufwand soll sich nicht im nachhinein als überflüssig erweisen. Diese Rechtsauffassung wurde bereits vom OVG Schleswig-Holstein, Beschluß vom 17.12.1991, die Gemeinde SH 1992, S. 292/294, vertreten.

Ist die Frist nach § 26 Abs. 3 GO verstrichen, kann ein Bürgerbegehren gegen diesen Ratsbeschluß nicht mehr angestrengt werden. Die gelegentlich vertretene Rechtsauffassung (z.B. Wansleben, in: Held u.a., Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, § 26, Anm.3.2), nach Ablauf von zwei Jahren dürfe ein Bürgerbegehren wieder gegen einen Ratsbeschluß gerichtet sein, ist nach Ansicht der Geschäftsstelle unzutreffend. Diese Rechtsauffassung läßt sich unter Zugrundelegung der zulässigen Auslegungskriterien nicht rechtfertigen (ebenso von Danwitz, DVBl 1996, S. 134/139 f.). Der Gesetzgeber hat den Ratsbeschlüssen nach dem Ablauf der in § 26 Abs. 3 GO genannten Frist einen erhöhten Bestandsschutz gegenüber Bürgerbegehren eingeräumt. Anderenfalls bestünde die Gefahr, daß schon ausgeführte oder in Ausführung befindliche Ratsbeschlüsse wieder rückgängig gemacht würden und ein möglicherweise erheblicher wirtschaftlicher und personeller Aufwand sich im nachhinein als überflüssig erwiese. Dies gerade soll aber durch die Fristbestimmung verhindert werden.

Bürgerbegehren, die sich gegen Ratsbeschlüsse richten, die älter als 3 Monate sind, müssen daher als grundsätzlich unzulässig angesehen werden.

Zu 2.

Bürgerbegehren, die sich für die Abschaffung oder Einführung von Parkgebühren einsetzen, sind unzulässig, da sie kommunale Abgaben betreffen (§ 26 Abs. 5 Nr. 3 GO). Der Bereich der dem Bürgerbegehren entzogenen Abgabeangelegenheiten ist nach allgemeiner Auffassung weit zu fassen; hierzu gehören nicht nur generelle Fragen der Abgabenerhebung, sondern auch Einzelregelungen, wie der Erlaß und die Stundung von Abgaben (vgl. Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung für Baden-Württemberg, § 21 Anm. II). Diese Angelegenheiten werden einer unmittelbaren Entscheidung durch die Bürgerschaft entzogen, um die Gesamtverantwortung des Rates für die Gemeindewirtschaft zu erhalten. Die Entscheidung über die Gebührenpflicht des Parkens im Gemeindegebiet betrifft eine kommunale Abgabe und damit eine Frage der dem Bürgerbegehren entzogenen Gemeindewirtschaft. Die Entscheidung der Gemeinde über die Einführung oder die Abschaffung der Gebührenpflicht sowie darüber, an welchen Stellen, in welchen Zeiträumen und in welcher Höhe das Parken gebührenpflichtig sein soll, macht die bundesrechtlich geregelte Parkgebühr (§ 6 a Abs. 6 Straßenverkehrsgesetz) zu einer kommunalen Abgabe im Sinne des § 26 Abs. 5 Nr. 3 GO.

Abschließend bitten wir alle Städte und Gemeinden, in denen bereits Bürgerbegehren und/oder Bürgerentscheide durchgeführt wurden, der Geschäftsstelle einen Erfahrungsbericht zukommen zu lassen, soweit dies nicht schon geschehen ist.

Az.: 020-08-26

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