Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 442/1996 vom 05.09.1996

Bioabfall- und Kompostverordnung

Mitte Juni 1996 hat das Bundesumweltministerium der Geschäftsstelle ein Diskussionspapier zu einer geplanten Bioabfall- und Kompostverordnung (Stand: 24. Mai 1996) übersandt. Das vorgelegte Diskussionspapier zu einer BiokompV befaßt sich in erster Linie mit der Festlegung von Qualitätskriterien für die Erzeugung von Komposten und in zweiter Linie werden Vorgaben für die Aufbringung von Komposten auf landwirtschaftliche oder andere Flächen statuiert. Die Geschäftsstelle hat gemeinsam mit den anderen kommunalen Spitzenverbänden auf Bundesebene unter dem 16.07.1996 eine Stellungnahme erarbeitet, und dem Bundesumweltministerium zugeleitet. In dieser Stellungnahme der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände vom 16.07.1996 ist insbesondere auf folgende Grundproblematik hingewiesen worden:

"Als Folge der rechtlichen Vorgaben der TA Siedlungsabfall und des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes werden sich die Kompostmengen in den nächsten Jahren vervielfachen. In Kürze werden 2 bis 2,5 Mio. Tonnen Kompost (bei einem theoretischen Potential von 6 Mio. Tonnen) erwartet, die allein aus den Bioabfällen privater Haushalte entstehen werden. Potentieller Hauptabnehmer ist voraussichtlich die Landwirtschaft. Bei der landbaulichen Verwertung von Komposten treten diese primär in eine Konkurrenzsituation zur Verwertung von Klärschlämmen. Von diesen jährlich anfallenden ca. 3 Mio. Tonnen Klärschlamm-trockenmasse werden zur Zeit ca. 28 % landwirtschaftlich verwertet, ca. 41 % auf Deponien abge-lagert. Nach den Vorgaben der TA Siedlungsabfall sind jedoch nach heutigem Kenntnisstand die bisher auf Deponien abgelagerten Klärschlämme zukünftig entweder zu verbrennen oder landwirtschaftlich zu verwerten. Dabei ist schon jetzt festzustellen, daß die Nahrungsmittelindustrie zunehmend fordert, daß die Landwirte ihre Äcker nicht mehr mit Klärschlamm düngen. Die Landwirte ihrerseits wollen das Risiko abgesichert wissen, das sich aus einer Anreicherung von Schadstoffen im Boden jedenfalls dann ergeben könnte, wenn der Verordnungsgeber neue und strengere Grenzwerte als bisher festlegt, die dann einer landwirschaftlichen Bodennutzung entgegenstehen würden. Ähnliche Entwicklungen und Überlegungen sind für den Bereich der Komposte jedenfalls nicht auszuschließen. Es käme aus der Sicht der kommunalen Spitzenverbände einer umweltpolitischen Katastrophe gleich, wenn es nicht kurzfristig gelingt, den Absatz der mit relativ großem finanziellen Aufwand erzeugten Komposte und der nicht mehr deponierbaren Klärschlämme nachhaltig zu sichern. Die Alternative "Getrennt sammeln, gemeinsam verbrennen" ist dem Gebührenzahler jedenfalls von niemandem zu vermitteln. Vor diesem Hintergrund kann eine BiokompostV solange keine Zustimmung finden, bis durch das Bundesumweltministerium detailliert abgeklärt worden ist, wo die erzeugten Kompostmengen zweckentsprechende Verwendung finden können und wie die Konkurrenzproblematik zum Kunstdünger, zur Gülle, zum Klärschlamm, zum Torf gelöst werden kann.

Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, daß der Absatz von Kompost nach der Prüfung kommunaler Praktiker durch das vorgelegte Diskussionspapier zu einer BiokompV deutlich erschwert wird. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die vorgeschriebenen Bodenuntersuchungen für den Anwender von Kompost ("letzte Inverkehrbringer"). Kommunale Praktiker haben berechnet, daß für jede Bodenuntersuchung Kosten bis zu 500 DM entstehen können, was unweigerlich zu einem Rückgang des Komposteinsatzes führen wird.

Darüber hinaus darf nicht außer Betracht gelassen werden, daß trotz des derzeit (noch) guten Images der Kompostierung die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger spürbar abgenommen hat, die finanziellen Mehrbelastungen für getrennte Bioabfallerfassung und -verwertung zu tragen , die durch die TA Siedlungsabfall und das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz vorgegeben wird. Ausgelöst durch entsprechende verwaltungsgerichtliche Urteile sind die Bürgerinnen und Bürger bereits heute nicht mehr bereit, Biotonnen in Benutzung zu nehmen. Insbesondere die neue Rechtsprechung des OVG NW hat zwischenzeitlich bei den Kommunen zu einer Flut von Befreiungsanträgen im Hinblick auf die Biotonnen geführt, so daß eine flächendeckende Einführung der Biotonne zur Erfüllung der Anforderungen der TA Siedlungsabfall nicht mehr als gewährleistet angesehen werden kann. Leider bildet in diesem Zusammenhang der Gesichtspunkt der Einsparung von Abfallgebühren und weniger der Wille zur Eigenkompostierung bei vielen Bürgerinnen und Bürgern das Leitmotiv. Dies findet seinen Grund offensichtlich darin, daß die Einführung der flächendeckenden Bioabfallerfassung und -verwertung vor dem Hintergrund der Vorgaben in der TA Siedlungsabfall erhebliche Kosten verursacht, die sich in der Höhe der Abfallentsorgungsgebühr niederschlägt. Abfallgebühren nur für eine Biotonne von 160 DM/Jahr für ein 120 l Biogefäß oder 320 DM/Jahr für ein 240 l Biogefäß pro Grundstück/Jahr sind schon heute keine Seltenheit mehr und übersteigen damit vielfach die Gebühr für die gesamte übrige Hausmüllentsorgung. Ursächlich hierfür ist, daß Kompostierungsanlagen gebaut werden müssen, für die separate Erfassung der Bioabfälle neue Abfallgefäße beschafft und zusätzliche Entleerungsfahrten für die Biotonnen eingerichtet werden müssen. In diesem Zusam-menhang muß berücksichtigt werden, daß die Festlegung von Qualitätskriterien und Aufbringungs-maßgaben für Komposte in der geplanten Kompostverordnung dazu führen kann, daß die Kosten für die kommunale Bioabfallerfassung und -verwertung nochmals erheblich steigen. Kommunale Praktiker sind auf der Grundlage des Diskussionspapiers in ersten Berechnungen zu dem Ergebnis gelangt, daß der Tonnenpreis für die reine Kompostierung (ohne Erfassung) durch die Vorgaben des Diskussionspapiers zu einer BiokompV um voraussichtlich weitere 40 DM pro Tonne steigen wird. Vor diesem Hintergrund ist insbesondere zur Vermeidung weiterer Gebührensteigerungen zu prüfen, ob wegen der bereits bestehenden umfangreichen Vorgaben durch das LAGA-Merkblatt M 10 überhaupt ein Bedarf für den Erlaß eine BiokompV besteht. In jedem Fall ist vor Erlaß einer Kompostverordnung detailliert zu berechnen, welche Auswirkungen die geplanten Vorgaben der BiokompostV auf die Höhe der Abfallgebühren haben. Ohne eine solche Gebührenverträglichkeitsprüfung, die die zukünftigen zusätzlichen Belastungen für den gebührenzahlenden Bürger offenlegt, wird der Erlaß einer BiokompV abgelehnt, weil anderenfalls die kommunale Bioabfallerfassung und -verwertung aus Kostengründen eingestellt werden muß. Hinzu kommt, daß mit dem LAGA-Merkblatt M 10 nach Auffassung der kommunalen Spitzenverbände ausreichende Vorgaben für eine ordnungsgemäße und schadlose Bioabfallerfassung und -verwertung vorliegen."

Darüber hinaus hat die Geschäftsstelle im Rahmen der Stellungnahme der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände vorgeschlagen, in § 1 Abs. 3 der geplanten BiokompV folgende Regelung aufzunehmen:

"Bei der Eigenverwertung von Bioabfällen durch Eigenkompostierung von Haus- und Kleingärten dürfen keine Speisereste tierischer Herkunft und keine gekochten Speisereste pflanzlicher Herkunft zugeführt werden. Der Eigenverwerter (Eigenkompostierer) muß nachweisen, daß auf dem Grundstück, auf dem die Eigenverwertung durch Eigenkompostierung erfolgt, eine ausreichend große Gartenfläche für eine zweckentsprechende Verwendung des produzierten Kompostes vorhanden ist. Im übrigen gelten die Vorschriften dieser Verordnung für die Eigenverwertung nicht."

Zur Begründung für diese Regelung ist ausgeführt worden:

"Die Aufnahme der vorstehenden Regelung in eine BiokompV ist erforderlich, weil nur auf diese Weise eine ordnungsgemäße Durchführung der von den Kommunen geförderten Eigenkompostierung auf Dauer sichergestellt werden kann. Die Notwendigkeit der vorgeschlagenen Regelung ergibt sich vor allem daraus, daß durch das OVG NW mit Urteil vom 14.06.1995 ( Az.: 22 A 2424/94 ) und 13.12.1995 ( Az. 22 A 1446/95) entschieden worden ist, die auf einem Wohngrundstück anfallenden kompostierbaren Stoffe seien kein Abfall, wenn diese kompostierbaren Stoffe sämtlich und ordnungsgemäß kompostiert werden. Das OVG NW hat in seinem Urteil vom 13.12.1995 zusätzlich klargestellt, daß auch Speisereste tierischer Herkunft ( z.B. Fleisch- und Speckreste, Fischreste, Knochenreste von Geflügelarten und anderen Tieren) der Eigenkompostierung zugeführt werden können und folglich auch in bezug auf diese Speisereste tierischer Herkunft eine Befreiung vom Anschluß- und Benutzungszwang an die Biotonne ausgesprochen werden muß. Bereits heute ist festzustellen, daß die Bürgerinnen und Bürger aufgrund der Urteile des OVG NW vielfach nicht mehr bereit sind, Biotonnen zu benutzen. Diese Rechtsprechung des OVG NW hat zwischenzeitlich bei den Kommunen zu einer Flut von Befreiungsanträgen im Hinblick auf die Biotonnen geführt, so daß eine flächendeckende Einführung der Biotonne zur Erfüllung der Anforderungen der TA Siedlungsabfall nicht mehr als gewährleistet angesehen werden kann. Leider bildet oftmals der Gesichtspunkt der Einsparung von Abfallgebühren und weniger der Wille zur Eigenkompostierung das Leitmotiv. Hintergrund hierfür ist, daß die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung dahin geht, daß diejenigen Eigenkompostierer, die keine Biotonne benutzen, kommunalabgabenrechtlich nicht an den Kosten der Biotonne beteiligt werden dürfen. Dies hat unlängst das VG Köln in den Urteilen vom 26.03.1996 (14 K 7342/94, 14 K 2418/95), 30.01.1996 (14 K 5322/93) und 18.06.1996 (14 K 98/5) nochmals entschieden. Nach dem VG Köln darf ein Bürger als Benutzer der kommunalen Abfallentsorgungseinrichtung mit den Kosten für die Bioabfallerfassung und -verwertung, d.h. mit den Kosten für die Biotonne, über die Gebühr für das Restmüllgefäß nicht belastet werden, wenn er als Selbstkompostierer keine Biotonne benutzt. Durch diese Entwicklung der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung wird der gesamten Bioabfallerfassung und -verwertung der abfallentsorgungspflichtigen Kommunen der Boden entzogen, weil der Weg eröffnet wird, durch eine "irgendwie praktizierte" Eigenkompostierung Abfallgebühren einsparen zu können und schließlich bei einem hohen Anteil von Eigenkompostierern, die Biotonne für die verbleibenden Nutzer unbezahlbar wird. Dies führt außerdem zwangsläufig zu einer unerwünschten sozialen Schieflage, weil im Endergebnis diejenigen die Gebühr für die Biotonne zu entrichten haben, die keinen eigenen Garten besitzen.

Unabhängig davon ist aber auch aus hygienischen Erwägungen heraus die Zuführung von Speisenresten tierischer Herkunft bzw. gekochten Speiseresten pflanzlicher Herkunft in die Eigenkompostierung auszuschließen, weil anderenfalls insbesondere die Gefahr der Anlockung und Vermehrung von Siedlungsungeziefer (z. B. Ratten) hervorgerufen wird. Wir verweisen insoweit auf die Ausführungen in der "Hygienerichtlinie für die Eigenkompostierung biogener Abfälle" der Salzburger Landesregierung aus dem Jahre 1994, aus der entnommen werden kann, daß sowohl Speisereste tierischer Herkunft als auch gekochte pflanzliche Abfälle aus hygienischen Gründen von der Eigenkompostierung auszuschließen sind. Außerdem wird schon heute aus den Mitgliedskommunen berichtet, daß die Nachbarstreitigkeiten wegen unsachgemäßer Eigenkompostierung vor allem durch zusätzlichen Rattenbefall zunehmen. Auch vor diesem Hintergrund ist es angezeigt, in einer Kompostverordnung des Bundes Vorgaben zur ordnungsgemäßen Eigenkompostierung zu regeln. Zumindest sollte in einer Kompostverordnung geregelt werden, welche Bioabfälle aus hygienischen Gründen von der Eigenkompostierung ausgeschlossen sind. Nur auf diese Weise kann erreicht werden, daß die von den Kommunen stets geförderte Eigenkompostierung weiterhin in geordneten Bahnen abläuft, ohne daß Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere durch Gerüche und Siedlungsungeziefer sich ergeben. Im übrigen sind Regelungen zur ordnungsgemäßen und schadlosen Eigenkompostierung auch zur Konkretsierung des § 13 Abs.1 Satz 1, 2.Halbsatz KrW-/AbfG erforderlich. Nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, daß die kommunalen Abfallentsorgungseinrichtungen auch zukünftig ihren Sinn und Zweck erfüllen können, der darin besteht, durch eine geordnete Abfallentsorgung Seuchen zu verhindern und einwandfreie hygienische Zustände auf dem Gemeindegebiet aufrechtzuerhalten. In diesem Zusammenhang wird auch deutlich, daß die BiokompostV eine nicht hinnehmbare Schieflage erzeugt, wenn für den Kompost aus kommunalen Kompostierungsanlagen Qualitäts- und Aufbringungs-Vorgaben gemacht werden sollen, gleichzeitig aber für die Millionen von Haus- und Kleingärten überhaupt keine Regelungen getroffen werden. Wenn der Sinn und Zweck einer BiokompostV darin gesehen wird, eine ordnungsgemäße und schadlose Komposterzeugung und -verwendung sicherzustellen, so muß auch die Komposterzeugung und -verwendung in Haus- und Kleingärten in dem vorgeschlagenen "schlanken" Regelungsumfang einbezogen werden.

Schließlich sind die o.g. Urteile des OVG NW aber auch deshalb problematisch, weil die Rechtsauffassung vertreten wird, daß der im Rahmen der Eigenkompostierung produzierte Kompost nicht auf dem Grundstück, auf dem er produziert worden ist, Verwendung finden muß. Wir sehen hierin das Problem, daß beispielsweise auch auf einem Balkon Eigenkompostierung betrieben werden kann, selbst wenn keine Gartenfläche zur zweckentsprechenden Aufbringung des produzierten Kompostes vorhanden ist. Es stellt sich hier dann die Frage, wo der produzierte Kompost durch den Eigenkompostierer zweckentsprechende Verwendung finden kann. Mit Blick darauf sollte nach unserer Auffassung in einer Kompostverordnung auch geregelt werden, daß eine ausreichend große Gartenfläche zur zweckentsprechenden Verwendung des Kompostes vorhanden ist, zumal die Gefahr der Überdüngung der Privatgärten und der illegalen Kompostentsorgung nicht zu unterschätzen ist."

Es wird abzuwarten sein, inwieweit der Vorschlag Berücksichtigung findet.

Az.: IV/2 31-74

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