Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 598/2022 vom 28.10.2022

BGH zur Wirksamkeit von Preisänderungsklauseln in Wärmelieferverträgen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 13.10.2022 sein Urteil vom 31.08.2022 (Az.: VIII ZR 232/21) veröffentlicht, mit dem sich das Gericht über Wirksamkeit einer Preisanpassungsklausel in Wärmelieferverträgen beschäftigt. Insbesondere hatten die Richter die Frage zu entscheiden, ob die Unwirksamkeit einer den Arbeitspreis betreffenden Preisanpassungsklausel nach § 139 BGB die Unwirksamkeit der gesamten Preisanpassungsklausel zur Folge hat. Damit einher ging die Frage, ob ein Wärmelieferant berechtigt ist, eine bestimmte Preisanpassungsformel in den Wärmelieferungsvertrag durch einseitige Erklärung einzuführen.

Sachverhalt:

Die Beklagte ist ein Energieversorgungsunternehmen, das im Wohngebiet „Neues Schweizer Viertel“ in Berlin Kunden mit Fernwärme beliefert. Sie bezieht die Fernwärme ihrerseits von der V. AG. Die Kläger sind Eigentümer eines mit einem Wohngebäude bebauten Grundstücks im vorgenannten Wohngebiet und wurden auf der Grundlage eines mit der Beklagten am 17. August 2009 geschlossenen Wärmelieferungsvertrags von dieser mit Fernwärme versorgt. Die Kläger zahlten für die von ihnen abgenommene Fernwärme die ihnen von der Beklagten jährlich in Rechnung gestellten, nach Maßgabe der Preisänderungsklausel angepassten Entgelte.

Nachdem das Kammergericht in einem gegen die Beklagte gerichteten und ebenfalls Preisänderungen bei Fernwärmelieferungen in dem besagten Wohngebiet betreffenden Rechtsstreit mit Urteil vom 10. Januar 2019 (20 U 146/17, nicht veröffentlicht) entschieden hatte, dass die in ihren Allgemeinen Versorgungsbedingungen enthaltenen Preisänderungsklauseln unwirksam seien, kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 24. April 2019 ihren Endkunden – und dabei auch den Klägern – eine Änderung der Preisanpassungsformel des Arbeitspreises der Wärmelieferungsverträge im Tarifgebiet "Neues Schweizer Viertel" an, die sie am 30. April 2019 auch öffentlich bekannt machte. Hiernach knüpfte die Veränderung des verbrauchsabhängigen Arbeitspreises ab 1. Mai 2019 jeweils hälftig einerseits an die jährlichen Veränderungen eines vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen und im Internet abrufbaren Wärmepreisindexes sowie andererseits an die jährlichen Veränderungen eines von der V. AG im Internet veröffentlichten Tarifs ("Allgemeiner Wärmepreis, Sonderzwecke nach besonderer Vereinbarung") an. Der Rechtsbeistand der Kläger rügte mit Schreiben vom 17. Juni 2019 unter Hinweis auf das vorgenannte Urteil des Kammergerichts die Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel in § 8 des Wärmelieferungsvertrags und forderte, ausgehend von den im Vertrag genannten Basispreisen des Jahres 2000, die Rückzahlung des in den Abrechnungsjahren 2015 bis 2017 überzahlten Wärmeentgelts. Daneben richtete sich das Klagebegehren auf Feststellung der Unwirksamkeit der in der Regelung des Wärmelieferungsvertrags enthaltenen (ursprünglichen) Preisänderungsklausel sowie der (angepasste) Preisänderungsklausel gemäß dem Schreiben der Beklagten vom 24. April 2019. Das Landgericht hat den Feststellungsanträgen vollumfänglich stattgegeben, dem Zahlungsbegehren hingegen nur teilweise. Auf die Berufung der Parteien hat das Kammergericht das erstinstanzliche Urteil dahingehend abgeändert, dass es die Zahlungsklage vollständig abgewiesen, die Unwirksamkeit der enthaltenen (ursprünglichen) Preisänderungsklausel des Wärmelieferungsvertrags lediglich insoweit festgestellt hat, soweit sie den Arbeitspreis betrifft. Weiter hat es festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, die geänderte Preisanpassungsformel gemäß ihrem Schreiben vom 24. April 2019 einseitig einzuführen.

Die Beklagte begehrte mit ihrer Revision und hilfsweise, falls das Berufungsgericht die Revision nicht zu ihren Gunsten zugelassen haben sollte, im Wege der Anschlussrevision die vollständige Abweisung der Klage. Die Kläger strebten mit ihrer Revision die Feststellung der Unwirksamkeit auch der den Bereitstellungspreis betreffenden Anpassungsklausel an; darüber hinaus wollten sie die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von insgesamt 3.493,31 Euro nebst Zinsen erreichen.

Entscheidung:

Nach dem Urteil des BGH sind die Erwägungen des Berufungsgerichts, dass von den in § 8 Abs. 4 des zwischen den Parteien geschlossenen Wärmelieferungsvertrags enthaltenen Preisänderungsklauseln allein die Anpassungsklausel zum Arbeitspreis, nicht jedoch auch diejenige zum Bereitstellungspreis nach § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV in Verbindung mit § 134 BGB unwirksam ist, weitgehend zutreffend.

  • Die Nichtigkeit der Preisänderungsklausel könne weder unmittelbar aus § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV in Verbindung mit § 134 BGB noch in Folge der Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis abgeleitet werden.
  • Nach Ansicht des Gerichts müssen Preisanpassungsklauseln in Fernwärmelieferungsverträgen so ausgestaltet sein, dass sie sowohl die Kostenentwicklung bei der Erzeugung und Bereitstellung von Fernwärme durch das Unternehmen (Kostenelement) als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt (Marktelement) angemessen berücksichtigen, um den gesetzlichen Anforderungen nach § 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV zu genügen. Hierdurch solle zum einen eine kostenorientierte Preisbemessung gewährleistet werden, zum anderen aber auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass sich die Gestaltung der Fernwärmepreise "nicht losgelöst von den Preisverhältnissen am Wärmemarkt vollziehen kann". Mit diesen Vorgaben verfolge der Verordnungsgeber das Ziel, den wirtschaftlichen Bedürfnissen in der Fernwärmeversorgung Rechnung zu tragen und zugleich die Interessen von Versorgungsunternehmen und Wärmekunden in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Hiermit stehe die Anpassungsklausel zum Bereitstellungspreis in dem zwischen dem Kläger und der Beklagten abgeschlossenen Wärmelieferungsvertrag in Einklang, wie der Senat für diese Klausel in den Allgemeinen Versorgungsbedingungen bereits mehrfach entschieden habe.
  • Wie der Senat betreffend die inhaltsgleichen Preisänderungsbestimmungen der Beklagten bereits wiederholt entschieden habe, führe nach Maßgabe der auch auf die Allgemeinen Versorgungsbedingungen im Sinne von § 1 Abs. 1 AVBFernwärmeV anwendbaren Rechtsfolgenbestimmung in § 306 Abs. 1 BGB die Unwirksamkeit einer nur eine Preiskomponente (Arbeitspreis) betreffenden Preisänderungsklausel nach § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV in Verbindung mit § 134 BGB nicht zugleich zur Unwirksamkeit anderer, die Preiskomponenten (Bereitstellungspreis) betreffenden Anpassungsklauseln, wenn es sich wie bei den in § 8 Abs. 4 des Wärmelieferungsvertrags enthaltenen Preisänderungsklauseln um inhaltlich voneinander trennbare Vertragsklauseln handele, die jeweils Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung nach § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV seien.
  • Diese Selbständigkeit der Anpassungsklauseln werde vorliegend auch nicht durch den von der Revision hervorgehobenen Umstand in Frage gestellt, dass beide in § 8 Abs. 4 des Wärmelieferungsvertrags unter einer gemeinsamen Überschrift („Preisänderungsklausel“) aufgeführt seien und die Beklagte ihren Kunden letztlich den aus beiden Preiskomponenten gebildeten Gesamtpreis als "Wärmepreis" in Rechnung stelle.
  • Ebenso wenig stehe der Trennbarkeit der Änderungsklauseln das vom Verordnungsgeber mit § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV verfolgte Regelungsziel entgegen. Vielmehr sei es hiernach gerade geboten, dass die Unwirksamkeit einer nur eine Preiskomponente betreffenden Preisänderungsklausel in einem Fern-wärmelieferungsvertrag nach § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV nicht automatisch die Unwirksamkeit auch der übrigen ihrerseits den Anforderungen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV entsprechenden Anpassungsklauseln nach sich ziehe, um sicherzustellen, dass eine kosten- und marktorientierte Preisbemessung wenigstens in deren Regelungsbereich gewährleistet und somit ein Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung zumindest „so weit wie möglich“ erreicht werde. Weiter habe das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei unter Anwendung der vom Senat entwickelten sogenannten Dreijahreslösung angenommen, dass den Klägern auch in Bezug auf die im streitgegenständlichen Abrechnungszeitraum geleisteten Arbeitspreise kein Rückzahlungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zustehe.
  • Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sei auch bei Fernwärmelieferungsverträgen, bei denen der Kunde längere Zeit Preiserhöhungen unbeanstandet hingenommen hat und nun auch für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht, die infolge der Unwirksamkeit einer formularmäßig vereinbarten Preisänderungsklausel nach § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV in Verbindung mit § 134 BGB entstandene planwidrige Regelungslücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) entstanden ist, dahingehend zu schließen, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat. Diese sogenannte Dreijahreslösung habe zur Folge, dass statt des wegen der Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel auf dem Niveau des bei Vertragsschluss verharrenden (Anfangs-)Preises nun die letzte Preiserhöhung des Versorgungsunternehmens, der der Kunde nicht rechtzeitig widersprochen hat, als vereinbart gilt und mithin der danach maßgebliche Preis endgültig an die Stelle des Anfangspreises trete.
  • Die Revision blende in ihrer einseitigen Ausrichtung an einem die Anwendung der (EU-) Klausel-Richtlinie vermeintlich prägenden Sanktionscharakter durchgängig aus, dass durch die vom Senat vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung in Einklang mit der vom Gerichtshof der Europäischen Union stets ausdrücklich hervorgehobenen Zielsetzung des Art. 6 Abs. 1 der Klausel-Richtlinie die nach dem Vertrag bestehende formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien unter Berücksichtigung ihrer beider Interessen durch eine materielle Ausgewogenheit ersetzt und so ihre Gleichheit [im Sinne des ursprünglichen vertraglich intendierten Gleichgewichts] wiederhergestellt wird. Demzufolge ist der Senat entgegen der Auffassung der Revision auch nicht gehalten, den Rechtsstreit nach Art. 267 Abs. 1 bis 3 AEUV dem Gerichtshof zur Auslegung der Art. 6 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1 der Klausel-Richtlinie vorzulegen, da die Auslegung dieser Richtlinienbestimmungen, soweit sie für die Beurteilung des vorliegenden Falles von Bedeutung sei, durch die dargestellte (umfangreiche) Rechtsprechung des Gerichtshofs im Sinne eines acte éclairé geklärt und vorliegend lediglich auf den Einzelfall anzuwenden sei.

    Die Entscheidung des Berufungsgerichts zur fehlenden Wirksamkeit der zum 1. Mai 2019 geänderten Anpassungsklausel zum Arbeitspreis könne hingegen – jedenfalls auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts – keinen Bestand haben.
  • Die Beklagte sei als Fernwärmeversorgerin zu einer Anpassung der von ihr in Allgemeinen Versorgungsbedingungen verwendeten Preisänderungsklauseln – unter bestimmten Voraussetzungen – grundsätzlich berechtigt.
  • Ausgehend davon sei die Beklagte entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts vorliegend nach § 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV grundsätzlich berechtigt gewesen, die von ihr seit Vertragsschluss verwendeten Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis in § 8 Abs. 4 des Wärmelieferungsvertrags der Parteien während des laufenden Versorgungsverhältnisses an die Anforderungen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV anzupassen, um auf dieser Grundlage ab Mai 2019 den von den Klägern geschuldeten Wärmepreis zu berechnen.
  • Ob allerdings die von der Beklagten gegenüber ihren Endkunden ab Mai 2019 verwendete Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis – die sie nach den Feststellungen des Berufungsgerichts den Anforderungen des § 4 Abs. 2 AVBFernwärmeV entsprechend öffentlich bekanntgegeben hat – ihrerseits den Vorgaben des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV entspricht, könne ohne nähere (gegebenenfalls sachverständige) Feststellungen zu dieser geänderten Klausel und ihrer Wirkungsweise nicht beurteilt werden.

Die vollständige Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist zu finden unter https://juris.bundesgerichtshof.de

Az.: 28.6.1-002/006

ICON/icon_verband ICON/icon_staedtebau ICON/icon_recht ICON/icon_finanzen ICON/icon_kultur ICON/icon_datenverarbeitung ICON/icon_gesundheit ICON/icon_verkehr ICON/icon_bau ICON/icon_umwelt icon-gemeindeverzeichnis icon-languarge icon-link-arrow icon-login icon-mail icon-plus icon-search