Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 637/2023 vom 05.09.2023

BGH zur Haftung für beauftragte Tiefbauunternehmen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 13.04.2023 (Az. III ZR 215/21-) entschieden, dass ein öffentlicher Aufgabenträger nicht automatisch Amtshaftungsansprüchen (§ 839 BGB, Art. 34 GG) ausgesetzt ist, wenn ein privates Bauunternehmen eingeschaltet wird und dieses Schäden bei einem Dritten verursacht. In dem konkreten Fall ging es darum, dass im Zuge von Straßenbauarbeiten der öffentlichen Hand neue Fahrzeugrückhaltesysteme (Schutzplanken) durch ein privates Unternehmen montiert wurden. Dabei wurden Rammarbeiten durchgeführt, die zu einer Beschädigung eines Stromkabels führten, so dass ein Asphaltmischwerk nicht mehr produzieren konnte. Dieses begehrte sodann Schadensersatz.

Der BGH nimmt in dem entschiedenen Fall den Rechtsstandpunkt ein, dass das private Bauunternehmen hier allein verantwortlich ist, den entstandenen Schaden zu ersetzen. Ansprüche aus Amtshaftung gegen die öffentliche Hand kämen deshalb nicht in Betracht, weil das beauftragte Unternehmen nicht in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes tätig geworden sei, weil der hoheitliche Charakter der ausgeführten Arbeiten nicht im Vordergrund gestanden habe und das beauftragte Unternehmen über einen relevanten eigenen Ausführungsspielraum verfügt habe.

Ein Amtshaftungsanspruch gegen die öffentliche Hand setzt grundsätzlich voraus, dass im Rahmen einer öffentlichen bzw. hoheitlichen Aufgabe ein „Beamter im nicht statusrechtlichen Sinn“ tätig geworden ist.

Insoweit führt der BGH aus, dass im konkreten Einzelfall stets ein „bewegliches Beurteilungsraster“ zugrunde gelegt werden muss. Je stärker der hoheitliche Charakter der Aufgabe in den Vordergrund trete - was vor allem in der hoheitlichen Eingriffsverwaltung der Fall sei – und je enger die Bindung zwischen der übertragenden Tätigkeit und der von der öffentlichen Hand zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe sei und je begrenzter der Entscheidungsspielraum des privaten Unternehmens sei, desto näher liege es, das eingeschaltete Privatunternehmen als „Beamten im haftungsrechtlichen Sinne“  der Amtshaftung (§ 839 BGB, Art. 34 GG) anzusehen.

Auf der Grundlage dieses vorstehenden „beweglichen Beurteilungsrasters“ verneinte der BGH dennoch eine Haftung des zuständigen Straßenbaulastträgers im entschiedenen Fall, weil das beauftragte Privatunternehmen bei der Montierung der Schutzplanken keine Arbeiten verrichtet habe, die einen unmittelbaren Bezug zu einer hoheitlichen Aufgabenerfüllung aufgewiesen habe. Im Bereich der Daseinsvorsorge kommt eine Haftung des Staates – so der BGH – insbesondere dann in Betracht, wenn die übertragende Aufgabe einen engen Bezug zur Eingriffsverwaltung aufweist wie z. B. die Aufstellung eines Verkehrszeichens, wodurch eine Verkehrsregelung unmittelbar umgesetzt wird. Dieses sei bei Schmutzplanken, die (nur) der passiven Verkehrssicherheit und nicht der Verkehrslenkung dienen, nicht der Fall.

Deshalb hafte das Tiefbauunternehmen hier allein aus § 823 BGB. Tiefbauunternehmer hätten bei Bauarbeiten an öffentlichen Straßen mit dem Vorhandensein unterirdisch verlegter Versorgungsleitungen zu rechnen. Deshalb müssten sie äußerte Vorsicht walten lassen und sich der unverhältnismäßig großen Gefahren bewusst sein, die durch eine Beschädigung von Strom-, Gas-, Wasser- oder Telefonleitungen hervorgerufen werden können.

Für die wirksame Übertragung von Verkehrssicherungspflichten, insbesondere solche im Bereich des besonders gefahrträchtigen Tiefbaus, gelten – so der BGH – strenge Anforderungen. Soweit solche Pflichten innerhalb eines Unternehmens auf einen Bauleiter oder auf einen anderen (Sub-)unternehmer übertragen würden, bedürfe es klarer, unmissverständliche Anweisungen darüber, wann und in welcher Weise eine zuverlässige Kenntnis von der Lage und dem Verlauf der Versorgungsleitung bestehen müsse. Auch bei einer zulässigen Übertragung (Delegation) verbleiben – so der BGH – bei dem ursprünglich Verkehrssicherungspflichtigen eigene Ausfall-, Kontroll- und Überwachungspflichten, deren Umfang und Ausmaß sich nach dem Umstand des Einzelfalles richten würden. Insoweit hätte die Beschädigung des Stromkabels vermieden werden können, wenn das schädigende Tiefbauunternehmen sich rechtzeitig vergewissert hätte, dass die erstellte Planskizze auf einer sicheren (tragfähigen) und richtigen Information beruht.

Die Geschäftsstelle weist ergänzend darauf hin:

Insbesondere im Bereich der hoheitlichen Eingriffsverwaltung, wozu insbesondere die Aufgabenbereiche mit Anschluss- und Benutzungszwang an öffentliche (kommunalen) Ver- und Entsorgungseinrichtungen gehören (z. B. Wasserversorgung, Abfallentsorgung und Abwasserbeseitigung) sind die Stadt bzw. Gemeinde als hoheitlicher Aufgabenträger auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes Schadensersatzansprüchen aus Amtshaftung (§ 839 BGB, Art. 34 GG) ausgesetzt. Dieses gilt auch dann, wenn private Unternehmen als Erfüllungsgehilfen bei der Aufgabenerfüllung eingeschaltet werden und dadurch Dritte geschädigt werden. Entscheidend ist hierbei, dass diese Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge (Grundversorgung) der so genannten Eingriffsverwaltung zuzurechnen sind und deshalb der hoheitliche Charakter der ausgeführten Arbeiten durch ein privates Unternehmen im Vordergrund steht. Dieses folgt bereits daraus, dass in den Bereichen der Abfallentsorgung und Abwasserbeseitigung öffentliche Entsorgungseinrichtungen betrieben werden, für deren Benutzung in der Abwasserbeseitigungssatzung oder der Abfallentsorgungssatzung detaillierte Vorgaben gemacht werden.

Auf der Grundlage des vom BGH angenommenen „beweglichen Beurteilungsrasters“ ist in diesen Bereichen eine erhebliche Einflussnahme der öffentlichen Hand als Aufgabenträger, etwa durch bindende Vorgaben, Weisungen oder detaillierte Planungen gegeben, so dass der eingeschaltete private Unternehmer regelmäßig als Verwaltungshelfer der öffentlichen Hand anzusehen ist, mit der Folge, dass auch eine Haftung der öffentlichen Hand aus Amtshaftung (§ 839 BGB, Art. 34 GG) grundsätzlich in Betracht kommt. Die Annahme, dass ein privater Unternehmer als „Werkzeug“ oder „verlängerter Arm“ der Behörde handelt, liegt grundsätzlich auch dann näher, wenn die öffentliche Hand als Auftraggeber regelmäßig ein Fachunternehmen gerade wegen dessen besonderer Fachkunde heranzieht. Letzteres ist auch für die Bereiche der Abwasserbeseitigung und Abfallentsorgung anzunehmen, damit die Benutzungsvorgaben in den entsprechenden Benutzungssatzungen für die öffentlichen Abwasser- und Abfallentsorgungseinrichtungen eingehalten werden.

Darüber hinaus ist es sinnvoll, dass Städte und Gemeinden, welche Planunterlagen zur Lage von Ver- und Entsorgungsleitungen an private Unternehmen herausgeben, auf den Planunterlagen deutlich sichtbar vermerken, dass zusätzlich eine grundlegende Rücksprache mit der Stadt bzw. Gemeinde im Einzelfall zu erfolgen hat, damit die Planunterlagen zutreffend und richtig verstanden werden.

Az.: 24.1.1 qu

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