Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 239/2023 vom 02.03.2023

BGH zur Gewässerunterhaltung

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 1.12.2022 (Az.: III ZR 54/21 – abrufbar unter: www.bundesgerichtshof.de – Rubrik Entscheidungen) klargestellt, dass die Verletzung der Gewässerunterhaltungspflicht gemäß § 39 des Wasserhaushaltsgesetzes des Bundes (WHG) auch Amtshaftungsansprüche (§ 839 BGB, Art. 34 GG) auslösen kann. In dem entschiedenen Fall trat im Jahr 2016 bedingt durch einen Starkregen ein Gewässer über die Ufer und es kam zu einem Überflutungsschaden auf dem Grundstück des Klägers. Der Kläger verklagte den Träger der Gewässerunterhaltungspflicht (Unterhaltungsverband) deshalb auf Schadensersatz, weil die Gewässerunterhaltungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt worden sei. Auf dem Nachbargrundstück des Klägers befinden sich drei Rohrdurchlässe, durch welche das Gewässer geführt wird, um eine bessere Überquerung des Grundstücks zu ermöglichen. Der geschädigte Kläger trug vor, das Gewässer sei seit Jahren nicht mehr unterhalten worden, insbesondere nicht geräumt und gesäubert worden. Auch eine sog. Gewässerschau habe nicht stattgefunden. Dabei hätte erkannt werden können, dass die Rohrdurchlässe zu klein seien, was somit den Schaden in Höhe von ca. 20.000 € verursacht habe.

Der BGH führt aus, dass die Gewässerunterhaltungspflicht nur im Interesse der Allgemeinheit besteht und es deshalb grundsätzlich keinen Rechtsanspruch gegen den Träger der Unterhaltungslast auf Erfüllung der Unterhaltungspflicht oder auf Vornahme bestimmter Unterhaltungsarbeiten gibt. Dem Träger der Gewässerunterhaltungspflicht obliegt jedoch eine Verkehrssicherungspflicht gemäß § 823 Abs. 1 BGB für den ordnungsgemäßen Wasserabfluss in einem Gewässer und wenn diese öffentlich-rechtliche Unterhaltungspflicht (§ 39 Abs. 1 WHG) einer Verkehrssicherungspflicht inhaltlich gleichkommt, können auch Amtshaftungsansprüche (§ 839 BGB, Art. 34 GG) gegeben sein.

Allerdings sei – so der BGH - der Träger der Gewässerunterhaltungspflicht nicht für den Zustand solcher (echten) Anlagen an Gewässern zuständig, welche - wie hier die Rohrdurchlässe - keinem wasserwirtschaftlichen Zweck dienen (§ 36 WHG). Hier trägt der Eigentümer oder Betreiber der Anlage die Unterhaltungslast. Wenn mit einer Verrohrung oder einem Durchlass in einem Gewässer allein die Nutzbarkeit eines Grundstücks verbessert werden soll, dient diese Anlage ausschließlich privaten Zwecken. In diesem Fall sind die Pflichten zur Unterhaltung solcher Anlagen an einem Gewässer nicht Gegenstand der Gewässerunterhaltungspflicht.

Der Träger der Gewässerunterhaltungspflicht sei auch für die Überwachung solcher Anlagen an Gewässern nicht zuständig, sondern die untere Wasserbehörde als Inhaberin der allgemeinen Gewässeraufsicht (§ 100 WHG). Jedoch ist damit – so der BGH - eine Haftung des Trägers der Gewässerunterhaltungspflicht nicht ausgeschlossen. Vielmehr obliegt ihm die Pflicht die zuständige Wasserbehörde zu informieren und in Kenntnis zu setzen, wenn etwa Rohrdurchlässe zu klein dimensioniert sind und deshalb die Gefahr besteht, dass es zu einem Rückstau des Wassers in einem Gewässer kommen kann. Der Träger der Gewässerunterhaltungspflicht darf – so der BGH – insbesondere seine Augen vor einer zwar nicht in seinen Zuständigkeitsbereich fallenden, aber gleichwohl offensichtlichen Gefahrenquelle, bei der sich die Notwendigkeit baldiger Abwehrmaßnahmen geradezu aufdrängt, nicht verschließen. Anderenfalls handelt er amtshaftungswidrig im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB. Deshalb ist der Träger der Gewässerunterhaltungspflicht im Rahmen der sog. Gewässerschau verpflichtet, den Landkreis als zuständige Wasserbehörde zu informieren, damit dieser auf der Grundlage der Eingriffsbefugnisse gemäß § 100 WHG tätig werden kann. Dieses gilt insbesondere dann, wenn die Gefahr durch die zu kleinen Durchlässe für den ordnungsgemäßen Wasserabfluss offenkundig war und gewissermaßen hätte „ins Auge springen müssen“. Zugleich weist der BGH aber ebenso darauf hin, dass es für die Durchführung einer sog. Gewässerschau keine konkreten Kontrollintervalle gibt. Anlass zu einer Gewässerschau gibt es – so der BGH - immer dann, wenn Hinweise auf einen unzureichenden Wasserabfluss bzw. notwendige Unterhaltungsmaßnahmen – sei es aus der Bevölkerung oder in sonstiger Weise – gibt.  Allein der Umstand, dass ein Gewässer vor einem Hochwasserereignis seit Jahren nicht mehr beschaut worden sei, stellt – so der BGH – für sich betrachtet noch keine Pflichtverletzung dar, auch wenn es einen Plan, der sicherstellt, dass verschiedene Gewässer nach einem bestimmten System wiederkehrend kontrolliert werden, nicht geben sollte. Ein abzuarbeitender Kontrollplan stellt – so der BGH – nur ein Hilfsmittel zur Einhaltung der Pflichten dar und es bedarf immer noch der Kenntnis und der Würdigung der Einzelfallumstände, um festzustellen, dass eine nicht mehr hinzunehmende Überschreitung eines Kontrollintervalls vorliegt.

Der BGH hat deshalb die Entscheidung des Berufungsgerichtes aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an dieses zurückverwiesen, weil es keine generelle Vermutung gibt, dass von jedem Rohrdurchlass eine potentielle Gefahr für den Wasserabfluss ausgeht, denn dieses könne nur im konkreten Einzelfall festgestellt werden. Der Träger der Gewässerunterhaltungspflicht müsse deshalb auch die nicht einschlägige Vermutung entkräften, dass von jedem Rohrdurchlass eine potentielle Überflutungsgefahr ausgeht. Vielmehr müsse derjenige, der einen Schadensersatzanspruch geltend macht (hier: der Kläger), die Voraussetzungen dafür schlüssig darlegen.

Die Geschäftsstelle weist ergänzend auf Folgendes hin:

Der BGH hat mit dem Urteil vom 01.12.2022 klargestellt, dass der Träger der Gewässerunterhaltungspflicht (in NRW: die Anliegergemeinden für die fließenden Gewässer 2. Ordnung und sonstigen Gewässer; § 62 Abs. 1 LWG NRW) Schadensersatzansprüchen aus Amtshaftung (§ 839 BGB) ausgesetzt sein kann, wenn er die ihm obliegende Gewässerunterhaltungspflicht (§ 39 WHG, §§ 61, 62 LWG NRW) nicht ordnungsgemäß erfüllt. Hierzu gehört auch, dass der Träger der Gewässerunterhaltungspflicht die zuständige Wasserbehörde informieren muss, wenn durch (echte) Anlagen an einem Gewässer (§ 36 WHG) wie z. B. Verrohrungen, Kastendurchlässe, Brücken Überflutungsgefahren ausgelöst werden können, weil diese im Einzelfall zu klein dimensioniert oder sanierungsbedürftig sind. Auch diese Informationspflicht gegenüber der zuständigen Wasserbehörde ist ein Bestandteil der Gewässerunterhaltungspflicht, die im Kern darauf ausgerichtet ist, den ordnungsgemäßen Wasserabfluss in einem Gewässer unter Beachtung ökologischer Maßgaben sicherzustellen. Die Information der unteren Wasserbehörde dient dazu, dass diese aufgrund ihrer Eingriffsbefugnisse (§ 100 WHG) gegenüber dem Eigentümer oder Betreiber der Anlage an einem Gewässer (§ 36 WHG) tätig werden kann. Insoweit ist etwa in den §§ 23, 24 LWG NRW eine Anpassungs-, Sanierungs- und Beseitigungspflicht des Anlageneigentümers/-betreibers vorgesehen.

Az.: 24.0.15 qu

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