Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 73/2024 vom 24.01.2024

BGH zum Scheinbestandteil bei Leitungen in fremden Grundstücken

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 05.12.2023 (Az. KZR 101/20) entschieden, dass eine Leitung in einem fremden Grundstück (hier: eine Fernwärmeleitung) nicht automatisch ein fester Bestandteil des Grundstückes ist, in welchem die Leitung verlegt worden ist (§ 94 BGB). Vielmehr sind diese Leitungen laut dem BGH als Scheinbestandteil des Grundstückes anzusehen (§ 95 Abs. 1 BGB), d h. sie gehören nicht der Stadt als Grundstückseigentümerin, sondern demjenigen, der die Leitung verlegt und genutzt hat. Der BGH führt aus, dass die Regelung des § 95 Abs. 1 BGB als Ausnahmetatbestand dann gegeben ist, wenn eine Verbindung zu einem vorübergehenden Zweck vorliegt, was dann der Fall sei, wenn ihre spätere Aufhebung von Anfang an beabsichtigt ist. Maßgebend ist danach der innere Wille des Einfügenden im Zeitpunkt der Verbindung der Sache mit einem Grundstück. Dieser innere Wille muss zudem mit dem nach außen in Erscheinung tretenden Sachverhalt in Einklang zu bringen sein nach der ständigen Rechtsprechung des BGH kann ein Scheinbestandteil gemäߧ 95 BGB in einem Grundstück nicht ohne Weiteres zu einem wesentlichen Bestandteil dieses Grundstückes werden.

Die Umwandlung eines Scheinbestandteils in einen wesentlichen Bestandteil eines Grundstücks bedarf eines Willens des Eigentümers des Scheinbestandteils, der nach außen hin erkennbar geworden ist. Aus diesem Willen muss zugleich erkennbar werden, dass die Verbindung mit dem Grundstück nunmehr auf Dauer gewollt ist. Diese Umwandlung wird – so der BGH - entsprechend § 929 Satz 2 BGB durch die Einigung herbeigeführt, dass mit dem Übergang des Eigentums sogleich der Zweck der Verbindung geändert und die bisher als Scheinbestandteil rechtlich selbständige Sache künftig ein Bestandteil des Grundstücks sein soll. Der Regelung des § 95 BGB liegt deshalb – so der BGH – die Annahme zugrunde, dass die rechtliche Zuordnung eines in das Grundstück eingefügten Bestandteils vom Willen des Einfügenden im Zeitpunkt der Verbindung abhängt und weder die Änderung der Zweckbestimmung noch allein das Erlöschen des Nutzungsrechtes an dem Grundstück für die Umwandlung eines ursprünglich sonderrechtsfähigen Scheinbestandteils in einen wesentlichen Bestandteil ausreicht. Ein Scheinbestandteil ist deshalb vielmehr, wie eine bewegliche Sache zu behandeln, was zur Folge hat, dass sich der Eigentümer des Scheinbestandteils und der Grundstückseigentümer über den Eigentumsübergang rechtsgeschäftlich einigen müssen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hat der Gesetzgeber – so der BGH – lediglich in § 12 Abs. 3 Erbbaurechtsgesetzes für den Fall des Erlöschens des Erbbaurechtes normiert.

Es wird darauf hingewiesen, dass bezogen auf Abwasserleitungen in fremden Grundstücken noch keine neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vorliegt. Hierzu hatte der Bundesgerichtshof jedenfalls im Jahr 1968 entschieden, dass Abwasserleitungen in fremden Grundstücken als fester Bestandteil des Grundstückes anzusehen sind, wenn diese dort verlegt worden sind (so: BGH, Urteil vom 20.09.1968 – V ZR 55/66-NJW 1968, S. 2331). Dieses hatte auch das OLG Hamm (Urteil vom 18.11.2016 – Az. I-20 U 48/16-) im Jahr 2016 ebenso entschieden. Es muss somit weiterhin abgewartet werden, ob der BGH - auch bezogen auf Abwasserleitungen in fremden, privaten Grundstücken - zukünftig den gleichen Rechtstandpunkt wie bei Fernwärmeleitungen einnehmen wird.

Hierfür spricht zumindest, dass ein Grundstückseigentümer für fremde Abwasserleitungen in seinem Grundstück haftungs- und strafrechtlich nicht verantwortlich sein möchte, sondern derjenige, welcher die Abwasserleitung betreibt auch eine fortgesetzte Anpassungs- und Unterhaltungspflicht auf der Grundlage der §§ 60, 61 WHG inne hat, um zugleich seine Abwasserüberlassungspflicht (§ 48 LWG NRW) ordnungsgemäß erfüllen zu können (vgl. hierzu: OVG NRW, Beschluss vom 21.03.2016 – Az.: 15 A 686/16 - ; OVG NRW, Beschluss vom 24.08.2015 – Az.: 15 A 2349/14 – ). Zugleich bestimmt die Gemeinde in der Abwasserbeseitigungssatzung (Entwässerungssatzung), wo die öffentliche Abwasseranlage anfängt bzw. wo sie aufhört (OVG NRW, Beschlüsse vom 13.05.2022 – 15 A 2703/20 und vom 13.04.2022 – 15 A 837/20 - ; OVG NRW, Beschluss vom 21.06.2010 – 15 A 426/10 -)

Az.: 24.0.2.1 qu

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