Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 494/2019 vom 26.09.2019

BGH: Kein Angebotsausschluss wegen eigner AGB bei Abwehrklausel

Der Bundesgerichtshof hat am 18. Juni 2019 - X ZR 86/17 - durch ein Grundsatzurteil in einer konkreten Frage zu einem von den Kommunalen Spitzenverbänden schon lange geforderten Weniger an Formalisierung des Vergaberechts beigetragen. Dabei hat der BHG entschieden, dass unter bestimmten Voraussetzungen Änderungen an den Vergabe- und Vertragsunterlagen durch die Bieter nicht zu deren Angebotsausschluss führen. Das gilt nach dem Gericht, obwohl die grundsätzliche Vorgabe in §§ 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV bzw. 16 Nr. 2 i. V. m. 13 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 VOB/A besagt, dass Änderungen oder Ergänzungen der Vergabeunterlagen durch Bieter unzulässig sind und daher bei allen Vergaben zum zwingenden Ausschluss des betreffenden Angebots führen.

Von einem Ausschluss bisher betroffen war der Fall, dass ein Bieter seinem Angebot ein Begleitschreiben beifügt, in dem er vom Vertragsentwurf des Auftraggebers abweichende Angaben macht. Dies kann etwa durch den Hinweis auf eigene Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) erfolgen. Darauf, ob der Bieter die AGB absichtlich beifügt oder nicht, kam es insoweit nicht an.

In dem jetzigen Fall ist der BGH von dieser engen Rechtsprechung abgewichen. Der Auftraggeber hatte bei einer EU-weiten Vergabe von Bauleistungen im offenen Verfahren die Abwehrklausel gemäß § 1 Abs. 1.3 der Zusätzlichen Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ZVBBau, Stand: 10. Juni 2015) beigefügt. Diese Abwehrklausel hat folgenden Inhalt:

„Ausschuss sonstiger Bestimmungen und Regelungen zu den Vertragsbestandteilen.

Etwaige Vorverträge, unter § 1.2 nicht aufgeführte Unterlagen, Protokolle oder sonstige Korrespondenz in Zusammenhang mit dem Abschluss dieses Vertrages, insbesondere Liefer-, Vertrags- und Zahlungsbedingungen des Auftragnehmers, sind nicht Vertragsbestandteil“.

Der Auftraggeber schloss das Angebot eines Bieters aus, weil dieser den vertraglichen Regelungen zur Schlusszahlung den nicht vom Auftraggeber vorgesehenen Zusatz „Zahlbar bei Rechnungserhalt ohne Abzug“ beigefügt hatte.

Der BGH sah in dieser Klausel keine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen. Vielmehr entfalte der Zusatz des Bieters aufgrund der entgegenstehenden Abwehrklausel des Auftraggebers keine rechtliche Wirkung. Die Abwehrklausel ziele gerade darauf ab, den Ausschluss von Angeboten der Bieter zu vermeiden, die u. a. eigene Vertragsklauseln beigefügt haben. Insoweit müsse der Auftraggeber zunächst eine Aufklärung darüber durchführen und dem Bieter Gelegenheit geben, von der hinzugefügten eigenen Regelung Abstand zu nehmen. Nur falls der Bieter dann weiter an seiner - abweichenden - Klausel festhält, dürfe das Angebot ausgeschlossen werden.

Der Bundesgerichtshof stellt aber klar, dass manipulative Änderungen auch weiterhin und ohne vorherige Aufklärungspflicht des Auftraggebers zwingend zum Angebotsausschluss führen. Derartige Änderungen liegen vor, wenn ein von den Vorgaben der Vergabeunterlagen in inhaltlicher Sicht abweichendes Angebot ab-gegeben wird und bei Hinwegdenken der Abweichung kein vollständiges und damit ein unannehmbares Angebot übrig bleiben. Verbleibt dagegen auch ohne die Änderungen ein annahmefähiges Angebot, ist eine vorherige Aufklärung des Auftraggebers zwingend nötig.

Den Bieter hat im konkreten Fall die Einbeziehung der zusätzlichen Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ZVBBau) vor dem Ausschluss gerettet. Da jedoch heute in der Regel alle Vergabeunterlagen oder Besondere bzw. Zusätzliche Vertragsbedingungen öffentlicher Auftraggeber vergleichbare Formulierungen enthalten, kommt ein Angebotsausschluss künftig bei Vergabeverfahren, sei es im Bau- oder Liefer- und Dienstleistungsbereich, deutlich seltener zum Tragen. Nicht entscheidend ist, ob die - abweichende - Klausel des Bieters eine Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) oder eine individualvertragliche Regelung enthält.

In beiden Fällen muss der Auftraggeber zuerst eine Aufklärung durchführen und dem Bieter Gelegenheit geben, von seiner Klausel Abstand zu nehmen. Mit der BGH-Entscheidung ist eine Verringerung formal zwingender Ausschlüsse von (Best-)Bietern aus Vergabeverfahren verbunden. Die Entscheidung ist daher aus kommunaler Sicht sehr zu begrüßen.

Az.: 21.1.1.3.003/010 we

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