Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 297/2022 vom 11.05.2022

BFH: Vorsteuerabzug für den Bau einer Hängeseilbrücke durch eine Gemeinde

Mit Urteil vom 20.10.2021 – XI R 10/21 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass der sog. Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen für Leistungen im Zuge der Erstellung einer kostenlos nutzbaren Touristenattraktion (hier: Hängeseilbrücke) dann in Betracht kommen kann, wenn die Eingangsleistungen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einer entgeltlichen Leistung (hier: Parkraumbewirtschaftung) stehen. Für die Gemeinde bedeutet das im Ergebnis, dass sich ihre Baukosten für die Hängeseilbrücke deutlich reduzieren.

Eine Gemeinde ließ im Jahr 2015 eine Hängeseilbrücke bauen. Zugleich wurde für die zu erwartenden Besucher ein Parkplatz hergestellt. Die Gemeinde bewirtschaftete den Parkplatz in der Weise, dass sie Parkgebühren erhob. Das Finanzamt war der Auffassung, dass zwischen der Parkplatzvermietung und den in Anspruch genommenen Leistungen zur Errichtung der Brücke kein unmittelbarer Zusammenhang bestehe. Deshalb dürfe die Gemeinde die sog. Vorsteuer, also die in den ihr erteilten Rechnungen der Bauunternehmen ausgewiesene Umsatzsteuer, nicht abziehen.

Das sah der BFH anders. Für das Erfordernis einer entgeltlichen Leistung muss zwischen dem Leistenden (hier: der Gemeinde) und dem Leistungsempfänger (hier: den Nutzern der Hängeseilbrücke) ein Rechtsverhältnis bestehen, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte bestimmbare Dienstleistung bildet. Dies hat der BFH bejaht. Er sah in der Vereinnahmung von Parkgebühren einen unmittelbaren Zusammenhang zur Bereitstellung der Hängeseilbrücke.

Ob die Voraussetzungen für einen Leistungsaustausch vorliegen, ist, so führt der BFH in Randnummer 32 f. seiner Entscheidung aus, dabei nicht nach zivilrechtlichen, sondern ausschließlich nach den vom Unionsrecht geprägten umsatzsteuerrechtlichen Maßstäben zu beurteilen (vgl. BFH-Urteile vom 17.12.2009 - V R 1/09, BFH/NV 2010, 1869, Rz 17; vom 16.01.2014 - V R 22/13, BFH/NV 2014, 736, Rz 22; Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18.05.2011 - VIII ZR 260/10, Umsatzsteuer-Rundschau ??UR?? 2011, 813, Rz 11; jeweils m.w.N.; BFH-Urteil in BFH/NV 2019, 1256, Rz 18). Es stellt eine unionsrechtliche ??unabhängig von der Beurteilung nach nationalem Recht zu entscheidende?? Frage dar, ob die Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für die Erbringung von Dienstleistungen erfolgt (vgl. EuGH-Urteil Meo - Serviços de Comunicações e Multimédia, EU:C:2018:942, Rz 68; BFH-Urteile in BFHE 257, 154, Rz 29, jeweils m.w.N.; in BFHE 263, 560, Rz 18; in BFH/NV 2019, 1256, Rz 18).

Die Leistungen im Streitfall (Bereitstellung der Brücke und Teile des Besucherzentrums ??Unterstellmöglichkeit für die Besucher??, Beschilderung der Wanderwege, Einweihung der Brücke, Internetauftritt und Öffentlichkeitsarbeit) seien zwar im Streitfall nach diesen Grundsätzen nicht an eine Gegenleistung gebunden, so dass die Parkgebühren danach kein Entgelt für diese Bereitstellung darstellten. Die Einrichtung stehe unstreitig der Allgemeinheit kostenlos zur Verfügung und die Parkgebühren werden nicht zur Benutzung der Brücke und der Unterstellmöglichkeit sowie zur Nutzung der Wanderwege erhoben. Der Parkplatzbenutzer hat insoweit keinen Vorteil erhalten, den nicht jeder andere Besucher, der nicht dort parkt, auch erhält.

Allerdings bestehe ein Zusammenhang der streitigen Eingangsleistungen mit einer entgeltlichen Leistung wie im Sachverhalt zu der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache "Sveda" (vgl. EuGH-Urteil Sveda, EU:C:2015:712), was das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt hat.

Das FG hat dabei insbesondere darauf hingewiesen, dass bereits in der Willensbildung des Gemeinderates seit 2011 und vor dem Baubeginn der Brücke sichtbar geworden sei, dass die Erzielung von Einnahmen durch Parkgebühren bei der Finanzierung der Brücke eine Rolle gespielt habe. Die Aufwendungen insbesondere für die Brücke würden daher in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit den Umsätzen der Klägerin aus den Parkgebühren stehen. Des Weiteren bestehe auch deshalb ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Aufwendungen zur Errichtung der Brücke und den Einnahmen aus der Parkraumbewirtschaftung, weil die Brücke Anlass sei, die Ausgangsleistungen überhaupt in Anspruch zu nehmen. Ohne den Besuch der Brücke bestünde in der örtlich eher abgelegenen Gemeinde keinerlei Anlass, gebührenpflichtige Parkplätze zu nutzen, und ohne die Brücke sei es nicht möglich gewesen, mit den Parkplätzen nennenswerte Gebühren zu erzielen.

(BFH, Urt. v. 20.10.2021, XI R 10/21 – BFH Pressemitteilung Nr. 11/22)

Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs ist im Volltext verfügbar unter www.bundesfinanzhof.de.

Az.: 41.6.5.1.4-006/002 mu

ICON/icon_verband ICON/icon_staedtebau ICON/icon_recht ICON/icon_finanzen ICON/icon_kultur ICON/icon_datenverarbeitung ICON/icon_gesundheit ICON/icon_verkehr ICON/icon_bau ICON/icon_umwelt icon-gemeindeverzeichnis icon-languarge icon-link-arrow icon-login icon-mail icon-plus icon-search