Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 272/2002 vom 05.05.2002

Bestehende Anlagen

Nach § 87 Abs. 1 BauO NRW 2000 können die Bauaufsichtsbehörden verlangen, daß rechtmäßig bestehende bauliche Anlagen, die nicht den Vorschriften der Bauordnung 2000 oder auf ihrer Grundlage erlassenen Vorschriften entsprechen, diesen Vorschriften angepaßt werden, wenn dies im Einzelfall wegen der Sicherheit für Leben oder Gesundheit erforderlich ist. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift erstreckt sich auf bestandsgeschützte Anlagen in den Fällen, in denen eine Verschärfung der Anforderungen an diese Anlagen im Verhältnis zu dem bei der Errichtung maßgeblichen Bauordnungsrecht eingetreten ist. Genießt eine bauliche Anlage keinen Bestandsschutz oder ist keine Verschärfung der Anforderungen eingetreten, sondern ist durch Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse eine Gefahrensituation entstanden, kommt die Anwendung des § 87 Abs. 1 BauO NRW 2000 nicht in Betracht. In derartigen Fallgestaltungen kann die Bauaufsichtsbehörde zur Beseitigung einer nachträglich eingetretenen Gefahrensituation Maßnahmen auf der Grundlage der allgemeinen Ermächtigungsnorm des § 61 Abs. 1 Sätze 1 u. 2 i.V.m. Abs. 2 BauO NRW 2000 ergreifen.

Die Anwendung des § 87 Abs. 1 BauO NRW setzt bei bestehenden Anlagen voraus, daß der Nachweis erbracht werden kann, daß eine konkrete Gefahr für die Sicherheit, für Leben oder Gesundheit der Benutzer oder für die Öffentlichkeit vorliegt. Was unter dem Begriff "konkrete Gefahr" zu verstehen ist, ist in der Entscheidung des OVG Lüneburg vom 23. September 1976 - I A 94/74 - (BRS 30, Nr. 163) überzeugend herausgearbeitet worden. Danach muß die für eine Anpassung vorausgesetzte Gefahr durch die Abweichung der baulichen Anlage von geltendem Baurecht im Einzelfall bevorstehen. Nach Auffassung des OVG Lüneburg genügt es nicht, daß bei einer generell abstrakten Betrachtung bestimmte Zustände den Eintritt eines Schadens im Einzelfall als möglich erscheinen lassen; vielmehr kommt es darauf an, daß in dem zu beurteilenden konkreten Einzelfall in überschaubarer Zukunft mit dem Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden muß (so auch BVerwG, Urt. v. 26.06.1970, IV C 99.67 - NJW 1970, 1890). Die Abweichung einer baulichen Anlage nach einer Vorschrift der LBO, die - wie etwa die Forderung nach Standsicherheit, Brand- oder Schallschutz - der Gefahrenabwehr dient, begründet nur eine abstrakte Gefahr, die noch keine Rechtfertigung für ein Anpassungsverlangen darstellt. Sonst würden nämlich alle der Gefahrenabwehr dienenden Anforderungen der Landesbauordnung über die Einrichtung und Änderung von baulichen Anlagen hinaus auch für nach altem Recht rechtmäßig errichtete Anlagen gelten.

Das OVG NW hat in seinem Urteil vom 28. August 2001 - 10 A 3051/99 - hierzu ausgeführt, daß gerade in dem jeweiligen Einzelfall in überschaubarer Zukunft mit einem Schadenseintritt zu rechnen sein muß. Nach Auffassung des OVG NW hängen die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit von der Qualität des möglicherweise eintretenden Schadens ab, wobei bei der Gefährdung von Leben oder Gesundheit als geschützten Rechtsgütern an die Feststellung der Wahrscheinlichkeit des Schadeneintritts keine übermäßig hohen Anforderungen gestellt werden müssen. Ein schadensfreier Zeitablauf beweist sowohl nach Auffassung des OVG NW wie auch des OVG Lüneburg nicht, daß keine Gefahr besteht. Der tatsächliche Eintritt des befürchteten Schadens gehört nicht zur konkreten Gefahr. Folglich ist es unerheblich, daß in der Vergangenheit ein schadensfreier Zeitablauf festzustellen ist. Das OVG Münster folgert aus dem schadensfreien Zeitablauf lediglich, daß der Betroffene bzw. die Betroffenen "lediglich bisher Glück gehabt" haben, "daß nichts passiert ist". Das OVG NW ist der Auffassung, daß zur Annahme einer konkreten Gefahr eine fachkundige Feststellung erforderlich ist, daß nach den örtlichen Gegebenheiten der Eintritt eines erheblichen Schadens nicht ganz unwahrscheinlich ist. Diese Feststellung muß Grundlage der Ermessensentscheidung der Bauaufsichtsbehörde sein.

Az.: II/1 660-00/1

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