Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 53/2005 vom 20.12.2004

Beschaffung von Schulbüchern

Bis zum Frühjahr 2004 bestand aufgrund von Informationen der EU und des Bundes eine gewisse Hoffnung, dass der bisherige Schwellenwert für europaweite Vergaben von 200.000 € (ohne Mehrwertsteuer) bis zu den Beschaffungen für das Schuljahr 2005 deutlich angehoben wird. Diese Hoffnung hat sich leider nicht bestätigt. Die entsprechende Vergaberichtlinie der EU vom 31. März 2004 hat den Schwellenwert in geringerem Umfang angehoben als gefordert, nämlich von 200.000 € lediglich auf 24.900 €. Die Umsetzung in deutsches Recht ist aber noch nicht erfolgt. Die EU hat den Schwellenwert von 249.000 € durch eine EU-Verordnung vom 28.10.2004, die am 01.11.2004 in Kraft getreten ist, wieder abgesenkt, und zwar auf 236.000 €. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit vertritt die Ansicht, dass diese EU-Verordnung entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut ohne eine Änderung von § 2 der deutschen Vergabeverordnung in Deutschland noch nicht gelte. Der Städte- und Gemeindebund vertritt dagegen die Meinung, dass durch die genannte EU-Verordnung mit Wirkung vom 01.11.2004 der Schwellenwert von 200.000 auf 236.000 € angehoben worden ist. Ein Musterverfahren in den Fällen, bei denen die Vergabesumme zwischen 200.000 € und 236.000 € liegt, erscheint nicht chancenlos. Es besteht allerdings ein Prozessrisiko und die Gefahr der zeitlichen Verzögerung bei der Bücherbeschaffung. Für Details wird auf die vergaberechtlichen Schnellbriefe Nr. 150 vom 21. Oktober 2004 und Nr. 187 vom 10.12.2004 hingewiesen.

Angesichts der Preisbindung bei den Schulbüchern und angesichts der sich verfestigenden Praxis bei der Frage der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Nebenleistungen hat sich im Lauf des Jahres 2004 in immer stärkerem Umfang herausgestellt, dass viele absolut identische Angebote abgegeben worden sind, bei denen die ausschreibende Kommune auch in Bezug auf kleinste Nebenleistungen keine Unterscheide mehr feststellen konnte. Für solche Fälle blieb mit Billigung der Vergabekammern und Oberlandesgerichte nur noch die Entscheidung im Losverfahren übrig. Es empfiehlt sich, in der Ausschreibung ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass bei Angeboten, die auch unter Berücksichtigung der zulässigen Nebenleistungen absolut gleichwertig sind, das Losverfahren entscheidet. Die meisten Vergabekammern vertreten zwar die Ansicht, dass auch ohne einen solchen Hinweis bei identischen Angeboten zulässigerweise der Bieter durch das Los ermittelt werden darf; weil es aber vereinzelt andere Vergabekammerentscheidungen gibt, empfehlen wir aus Rechtssicherheitsgründen den genannten Hinweis. Es sollten aus Gerechtigkeitsgründen Teillose gebildet werden, verbunden mit dem Hinweis, dass, wenn mehr Bieter als Teillose vorhanden sind, jeder Bieter den Zuschlag auf maximal ein Teillos erhalten kann.

Wegen der großen Zahl an absolut identischen Angeboten hat sich insbesondere ein in Bayern ansässiger Anbieter von Schulbüchern entschlossen, zusätzliche neue Schwester- und Tochterfirmen zu gründen, die getrennte Angebote auf dieselbe Ausschreibung abgeben. Dahinter steht die Absicht, beim Losverfahren die Gewinnchancen zu erhöhen, was selbstverständlich nur zu Lasten anderer Bieter möglich ist, die keine solchen Firmenvermehrungen betrieben haben. Die Rechtsprechung zur Frage der Zulässigkeit eines solchen Vorgehens ist noch nicht einheitlich. Generell gilt, dass die Zulassung von Unternehmen, deren Gründung zu dem Zweck erfolgt ist, bei den Auslosungsverfahren bessere Chancen auf eine Zuschlagserteilung zu erhalten, zu einer rechtswidrigen Einschränkung des Wettbewerbs führt, die die Rechte anderer Bieter nach § 97 Abs. 7 GWB i.V.m. § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A und § 25 Nr. 1 Abs. 1 f VOL/A beeinträchtigt. Es gibt Vergabekammern, die sämtliche Angebote solcher Firmengruppen wegen Verstoßes gegen GWB und VOL ausgeschlossen haben. Inzwischen hat sich aber die Tendenz ergeben, dass es nicht zulässig ist, ohne zusätzliche Hinweise immer auf ein wettbewerbswidriges Verhalten aller Mitglieder solcher Firmengruppen zu schließen. Solche besondere Hinweise sind z.B. die Angabe derselben Telefonnummer, Fax-Nummern, Bankkonten und Ansprechpartner, weil dies darauf schließen lässt, dass die Angebote der mehreren Bieter aus der Firmengruppe nicht unabhängig voneinander erstellt worden sind, sondern dass es sich um wettbewerbswidriges abgesprochenes Verhalten der mehreren Mitglieder der Firmengruppe handelt. Allein der Umstand, dass mehrere Firmen demselben Inhaber gehören, reicht zum Ausschluss wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens aber nicht aus.

Die gesamte Entwicklung bei der Beschaffung von Schulbüchern zeigt, dass angesichts der Preisbindung ein aufwendiges öffentliches Vergabeverfahren (und dies ab Erreichen der Schwellenwerte auch noch europaweit) sinnlos und ineffektiv ist. Es wird nur enormer Verwaltungsaufwand produziert, ohne dass der vom EU-Recht beabsichtigte europaweite Wettbewerb auch nur in einem einzigen Fall zustande gekommen wäre. Der Städte- und Gemeindebund NRW und der Deutsche Städte- und Gemeindebund bemühen sich weiterhin, auf EU-Ebene deutlich zu machen, dass hier nur eine Rechtsauslegung hilft, die angesichts der Preisbindung ein europaweites Ausschreibungsverfahren für unnötig erklärt. Wenn die EU nicht bereit ist, diese einzig sinnvolle Auslegung zu akzeptieren, hilft nur noch eine Änderung der gesetzlichen Vorschriften auf europäischer Ebene. Wenn die den Wettbewerb ausschließende Preisbindung aufgehoben würde, wäre selbstverständlich nichts gegen eine volle Anwendung der Vergabevorschriften einzuwenden.





Az.: II schw/g

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