Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 111/2002 vom 05.02.2002

Angebote zur Übernahme des Kanalnetzes

Durch zahlreiche Mitgliedsstädte und –gemeinden ist die Geschäftsstelle darüber unterrichtet worden, dass der Ruhrverband allen Städten und Gemeinden in seinem Verbandsgebiet angeboten hat, deren Kanalnetz zu einem sog. Kaufpreis orientiert am Restbuchwert des Kanalnetzes zu unternehmen. Hierzu kann zur Zeit folgendes angemerkt werden:

Das Kanalnetz-Übernahme-Angebot ist angeblich unter eingeholter Zustimmung des Umweltministeriums NRW sowie der Landesfinanzverwaltung entwickelt worden.

Nach dem Kenntnisstand der Geschäftsstelle ist das Innenministerium NRW nicht eingeschaltet worden. Die Einschaltung ist als erforderlich anzusehen, denn in einem Gemeinsamen Runderlass des Innenministeriums NRW und des Umweltministeriums NRW vom 03.01.1989 (MBl. 1989, S. 83ff.) sind die in NRW zulässigen Organisationsformen in der kommunalen Abwasserbeseitigung festgelegt worden. Dieser Organisationserlass hat nach wie vor Gültigkeit. Die Geschäftsstelle hat deshalb das Umweltministerium NRW mit Schreiben vom 18.01.2002 gebeten, auf eine einheitliche Verfahrensweise innerhalb der Landesregierung hinzuwirken und die Sach- und Rechtslage zunächst mit dem Innenministerium und den kommunalen Spitzenverbänden zu erörtern. Eine solche Erörterung ist nach Ansicht der Geschäftsstelle auch deshalb erforderlich, weil nach dem Landeswassergesetz NRW (§§ 53ff. LWG NRW) und dem genannten Gemeinsamen Runderlass vom 03.01.1989 (MBl. 1989, S. 83ff.) eine Übertragung der Abwasserbeseitgungspflicht von einer Gemeinde auf einen Dritten nicht zulässig ist. Es ist zumindest rechtlich zweifelhaft, ob vor diesem Hintergrund eine Konstruktion verwaltungsgerichtsfest ist, wonach die Abwasserbeseitigungspflicht zwar bei der Gemeinde verbleibt, aber gleichzeitig parallel (nur) auf der Grundlage des Wasserverbandsgesetzes eine hoheitliche (eigene) Zuständigkeit des Abwasserverbandes für das Sammeln und Fortleiten der Abwässer (parallel) gegründet sowie das Kanalnetz auf den Abwasserverband übertragen wird. Denn bei dieser Konstruktion verbleibt der Gemeinde im Kern lediglich noch die Funktion der "Gebühreneinzugs- und Widerspruchsstelle" für die durch das Kanalnetz erschlossenen Grundstücke. Nur im Hinblick auf die nicht kanalnetzmäßig angeschlossenen Grundstücken mit abflusslosen Gruben und Kleinkläranlagen besteht damit die Abwasserbeseitigungspflicht in vollem Umfang fort. Im Interesse aller Beteiligten ist es nach Auffassung der Geschäftsstelle hier angezeigt, eine landesgesetzlich und verwaltungsgerichtlich tragfähige Konzeption zu finden, soweit diese von einer Gemeinde und einem Abwasserverband einvernehmlich angestrebt wird. Das Angebot des Ruhrverbandes beinhaltet zugleich die Übernahme der den Entwässerungsanlagen zugeordneten Darlehen bzw. die Entrichtung eines Kaufpreises auf der Grundlage des Restbuchwertes des Kanalnetzes. Es ist davon auszugehen, daß dieses Angebot alternativ zu verstehen ist, d.h. entweder ein Kaufpreis gezahlt wird oder die den Entwässerungsanlagen zugeordneten Darlehen übernommen werden. In beiden Fällen wird der Ruhrverband über einen sog. B-Beitrag, den die Gemeinde zu zahlen hat, für die Kaufpreiszahlung oder Darlehensübernahme eine Rückfinanzierung vorsehen.

Unabhängig davon sei auf folgendes hingewiesen: Bei jedweden Angeboten (insbesondere von Privatunternehmen) in den Bereich der Abwasserbeseitigung als Partner der Gemeinde einzusteigen sollte nicht der finanzielle Gesichtspunkt, sondern in erster Linie der Gesichtspunkt der Erfüllung der Aufgabe der Abwasserbeseitigung zu mittel- und langfristig verträglichen Gebühren im Vordergrund stehen. Die Aufgabe der Abwasserbeseitigung ist untrennbar verflochten mit der Bauleit- und Entwicklungsplanung einer Gemeinde und betrifft damit den Kernbestandteil der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie (die kommunale Planungshoheit). Dieses erklärt sich vor dem Hintergrund, dass eine bauplanerische Nutzung von Grundstücken grundsätzlich nicht nur eine straßenmäßige, sondern auch eine abwassertechnische Erschließung von Grundstücken erfordert. Ausgehend hiervon ist es auch im Interesse der schnellen Reaktion bei einer möglichen Ansiedlung von Investoren oder bei dem Erfordernis der raschen Verwirklichung von Baumöglichkeiten etwa für junge Familien von Vorteil, wenn eine Gemeinde eigenständig über den Bau von Kanalnetzen allein befinden kann. Diese Eigenständigkeit geht grundsätzlich verloren, wenn von Dritten das Kanalnetz und der Bau neuer Kanäle übernommen wird.

Hinzu kommt, dass mit der Einschaltung Dritter der Einfluss der Gemeinde darauf verkürzt wird, die von dem Dritten als Betriebsführer in Rechnung gestellten Kosten der Abwasserbeseitigung in einer von der Gemeinde nach wie vor zu erhebenden Abwassergebühr einzustellen. Mit anderen Worten: Die Gemeinde behält im wesentlichen die Aufgabe der Gebühreneinzugs- und Widerspruchsstelle ohne noch wesentlichen Einfluss auf die Kosten nehmen zu können. Zusätzlich darf bei der Gründung von Betriebsführungs-GmbH`s (z.B. 51 % Stadt, 49 % Privatunternehmen) nicht vergessen werden, dass in diesen Fällen – obwohl die Abwasserbeseitigung als hoheitliche Aufgabe nicht der Umsatzsteuerpflicht (Mehrwertsteuerpflicht) unterliegt – kraft der gewählten Rechtsform der GmbH die Umsatzsteuerpflicht ausgelöst wird. Dieses kann – wie Praxisbeispiele zeigen – im schlechtesten Fall einen Gebührenanstieg um 16 % (Umsatzsteuersatz) bedeuten. Es ist daher im Interesse der Gebührenzahler unverzichtbar, über einen langfristigen Zeitraum (mindestens 10 bis 15 Jahre) die Gebührenauswirkungen der Umsatzsteuerpflicht sorgfältig zu prüfen. Grundsätzlich kann ein Anstieg der Abwassergebühren durch die Umsatzsteuer langfristig nur dann aufgefangen werden, wenn durch hohe und dauerhafte Investitionstätigkeit und den sog. umsatzsteuerlichen Vorsteuerabzug die im Maximum 16 %ige Umsatzsteuerpflicht auf einen niedrigeren Prozentsatz bzw. im besten Fall auf "Null" heruntergebrochen werden kann. In der Praxis haben Beispiele bislang gezeigt, dass die Bildung einer GmbH bereits nach mehreren Jahren einen durch die Rechtsform bewirkten Anstieg der Gebühren um 0,70 DM (ca. 0, 35 Euro) pro Kubikmeter Abwasser herbeigeführt haben bzw. 5 Jahre nach Gründung einer GmbH ein Gebührenanstieg um 20 % zu verzeichnen war. Schließlich kann eine angespannte kommunale Haushaltslage auch dadurch entschärft werden, dass für den Bereich der Abwasserbeseitigung z.B. eine eigenbetriebsähnliche Einrichtung gegründet wird, die als Sondervermögen der Gemeinde über eine eigene Wirtschafts- und Rechnungsführung verfügt. Diese eigene Wirtschafts- und Rechnungsführung beinhalt auch, dass die Kredite im allgemeinen Haushalt im Hinblick auf die Abwasserbeseitigung der eigenbetriebsähnlichen Einrichtung zugeordnet werden und damit der allgemeine Haushalt von Kreditverpflichtungen entlastet wird. Weiterhin darf nicht verkannt werden, dass auf der Grundlage des Gebührenrechts feste Einnahmequellen für die Gemeinde bestehen (z.B. Verzinsung des Anlagekapitals nach der Rechtsprechung bis zu 8 %). Diese langfristigen und festen Einnahmequellen gehen der Gemeinde bei einer Fremderledigung der Aufgabe der Abwasserbeseitigung durch Dritte grundsätzlich verloren. Insgesamt ist daher sorgfältig zu prüfen, ob eine Fremderfüllung der Aufgabe der Abwasserbeseitigung tatsächlich mittel- bis langfristig der eigenständigen Aufgabenerfüllung auch in der Form z.B. der eigenbetriebsähnlichen Einrichtung Vorteile bringen kann. Die bundesweiten Zahlendaten zeigen jedenfalls, das im Jahr 2001 im Bereich der Abwasserbeseitigung nur in 9 % der Fälle Fremderfüllungen bei der Aufgabe der Abwasserbeseitigung gewählt wurden. Die eigenständige Aufgabenerfüllung durch die Gemeinde selbst im Wege öffentlich-rechtlicher Organisationsformen wie z.B. durch Regiebetrieb, eigenbetriebsähnliche Einrichtung, Anstalt öffentlichen Rechts stellt nach wie vor die weitaus überwiegende Organisationsform dar. In diesem Zusammenhang sei ergänzend angemerkt, dass nach Mitteilung des Deutsche Städte- und Gemeindebundes in England durch die Privatisierung der Frischwasserversorgung in einem Zeitraum von 10 Jahren die Frischwasserentgelte um 77 % gestiegen sind, so dass ein sorgsamer Umgang der Gemeinden mit der Gesamtthematik der Erfüllung von Aufgaben in Eigenregie oder im Wege der Fremderfüllung empfehlenswert erscheint.

Az.: II/2 24-30

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