Mitteilungen - Recht, Personal, Organisation

StGB NRW-Mitteilung 213/2004 vom 25.03.2004

Anforderungen und Wirkung eines Bürgerbegehrens

Das OVG NRW hat mit Beschluß vom 19.03.2004 (15 B 522/04) Ausführungen dazu gemacht, wann ein Kostendeckungsvorschlag nicht erforderlich ist. Im entschiedenen Fall soll mittels eines Bürgerentscheids der Verkauf von städtischen Anteilen an den Stadtwerken unterbunden werden. Die Verkaufserlöse sollen u.a. die Aufnahme neuer Kredite verhindern. Das OVG hat offen gelassen, ob durch die Verhinderung der Realisierung des Verkaufserlöses der Gemeinde ein Gewinn entgeht, der zugleich Kosten i.S.d. § 26 GO darstellt. Nach dieser Rechtsprechung liegt nämlich ein Schaden in Form eines entgangenen Gewinns erst dann vor, wenn die Gemeinde für die Gesellschaftsanteile einen Kaufpreis geboten bekommt, der über dem Marktwert liegt. Da im entschiedenen Fall dafür jegliche Anhaltspunkte fehlten, hat das OVG insoweit offen gelassen, ob ein Schaden in Form eines entgangenen Gewinns einen Kostendeckungsvorschlag i.S.d. § 26 GO erfordert.
Ausgehend von diesem Urteil kann die Gemeinde einen Kostendeckungsvorschlag wohl nur dann fordern, wenn sie ihrerseits darlegen kann, dass überhaupt ein Markt für das zu veräußernde Produkt besteht und dieser Marktwert überschritten wird. Selbst wenn dies dargelegt werden kann, so ist noch zu bedenken, dass das OVG NW offen gelassen hat, ob ein entgangener Gewinn zugleich dem Kostenbegriff des § 26 GO erfüllt und dementsprechend ein Deckungsvorschlag erforderlich ist.

Nach dieser Rechtsprechung liegen außerhalb des Begriffs der „Kosten der verlangten Maßnahme“ auf jeden Fall bloße Vermögensfolgen, die daran anknüpfen, wie der im Falle eines Verkaufs zu erzielende Erlös verwendet werden soll. Dies gilt etwa, wenn der Verkaufserlös zur Kreditablösung oder zur Verminderung der Kreditaufnahme eingesetzt werden soll, diese Einnahme aber entfällt, wenn der Verkauf unterbleibt, und in der weiteren Folge dadurch ein erhöhter Kreditaufwand entsteht. Diese Kausalkette rechtfertige es nicht, die Erhöhung des Kreditaufwands einem Bürgerbegehren zuzuordnen, das sich gegen den Verkauf wendet. Damit wendet sich das OVG NRW ausdrücklich gegen den Beschluß des VG Köln vom 26.02.2002 (4 L 53/02, NWVBl 2002, S. 319 sowie der entsprechenden Kommentierungen wie z.B. Becker in: Articus/Schneider, Kommentar zur GO NRW, 2004, § 26 Anmerkung 2.3.3). Vor diesem Hintergrund dürfte äußerst fraglich sein, ob z.B. für ein Bürgerbegehren, welches sich gegen die Aufstellung von kostenpflichtigen Parkscheinautomaten oder gegen die Veräußerung/Vermietung im Rahmen des sog. Cross-boarder-leasing wendet, überhaupt noch ein Kostendeckungsvorschlag erforderlich ist. Entgegen der Ansicht des OVG NW fordert nach Ansicht der Geschäftsstelle der Sinn und Zweck des gesetzlich normierten Kostendeckungsvorschlages hingegen einen solchen Vorschlag. Denn Sinn und Zweck des Kostendeckungsvorschlages ist es, daß die Bürgerschaft nicht nur Leistungen von der Gemeinde fordern kann. Sie soll vielmehr gleichzeitig gezwungen werden, auch die Möglichkeiten ihrer Finanzierung unter Berücksichtigung der aktuellen Haushaltslage der Gemeinde genau und vorab zu prüfen. Damit wird der Bürgerschaft die Selbstverantwortung für die geplante Maßnahme klar vor Augen geführt. Unerheblich muss es daher sein, ob die Gemeinde mittels des Bürgerbegehrens neue Ausgaben tätigen oder auf Einnahmen verzichten muss (Becker, a.a.O.).

Das OVG hat in diesem Beschluß ebenfalls entschieden, daß der Vertreter des Bürgerbegehrens selbst Bürger der Gemeinde sein muß. Der Gesetzeswortlaut ist insoweit nicht eindeutig. Nach Ansicht des OVG NRW widerspräche es dem Wesen des Bürgerbegehrens als Selbstorganisation der Bürger, wenn die Rechte des Bürgerbegehrens nicht ausschließlich im Wege der Selbstorganschaft, sondern (auch) von außenstehenden Dritten wahrgenommen würden. Zieht z.B. einer der Vertreter des Bürgerbegehrens aus der Gemeinde fort, führt dies dazu, daß nur die anderen Vertreter des Bürgerbegehrens ihre Rechte aus § 26 GO wahrnehmen können.

Das OVG hat seine Rechtsprechung ferner dahingehend bestätigt, daß im Falle des Betreibens eines Bürgerbegehrens bzw. Bürgerentscheids dies weder für den Rat noch für andere Organe oder Behörden eine „Entscheidungssperre“ begründet. Anderes würde allerdings dann gelten, wenn der Entscheidung des Rates zur Umsetzung des „angefochtenen“ Ratsbeschlusses vor Durchführung des Bürgerentscheides keine sachliche Erwägung zu Grunde liegen würde, sondern allein die Zielsetzung zu Grunde läge, einen Bürgerentscheid zuvorzukommen und damit eine Willensbildung auf direkt-demokratischen Wege zu verhindern. Dies ist selbstverständlich eine Frage des Einzelfalls. In diesem Zusammenhang dürfte insbesondere zu prüfen sein, ob z.B. der potentielle Vertragspartner der Gemeinde eine bestimmte Frist zur Annahme seiner Willenserklärung gesetzt hat (vgl. § 148 BGB). Dabei ist darauf hinzuweisen, daß eine nachträglich einseitige Verkürzung der Frist unzulässig ist (Palandt, Kommentar zum BGB, 63 Auflage, 2004, § 148 Rnr. 4). Es sei darauf hingewiesen, dass auch die Gemeinde nur aus sachlichen Gründen einer solchen Fristverkürzung zustimmen kann.

Az.: I/2 020-08-26

ICON/icon_verband ICON/icon_staedtebau ICON/icon_recht ICON/icon_finanzen ICON/icon_kultur ICON/icon_datenverarbeitung ICON/icon_gesundheit ICON/icon_verkehr ICON/icon_bau ICON/icon_umwelt icon-gemeindeverzeichnis icon-languarge icon-link-arrow icon-login icon-mail icon-plus icon-search